Asylstreit zwischen CDU und CSU "Für die Union existenzgefährdend"
Im Asylstreit in der Union ist kein Ende in Sicht. Saarlands Ministerpräsident Hans sieht das Bündnis in seiner Existenz gefährdet. Grünen-Fraktionschef Hofreiter fragt, ob CDU und CSU noch gemeinsam regieren können.
Ministerpräsident Hans sagt, im Kern gehe es "gar nicht um die Zurückweisung an der Grenze selbst", sondern lediglich darum, "ob diese Maßnahme sofort erfolgt, wie die CSU es will".
Im Asylstreit in der Union hat der saarländische Ministerpräsident und CDU-Politiker Tobias Hans die CSU davor gewarnt, den Fortbestand der Union aufs Spiel zu setzen. Die Zuspitzung des Streits sei "für die Union als Ganzes existenzgefährdend", sagte Hans den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Ich kann daher nur an die CSU appellieren, keine vollendeten Tatsachen zu schaffen, sondern Vernunft walten zu lassen und die Tür zu einem gemeinsamen Unionskompromiss nicht vorschnell zuzuwerfen", sagte Hans.
Der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer pocht darauf, bereits in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen. Die CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt das ab, sie setzt auf europäische Absprachen.
Beratungen bis in den frühen Morgen
Merkel beriet mit der engsten Führungsspitze ihrer Partei über das weitere Vorgehen im Asylstreit mit der CSU. Das Treffen in der Parteizentrale in Berlin endete am frühen Morgen nach rund sieben Stunden. Ergebnisse sind bislang nicht bekannt.
An dem Gespräch hatten neben CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer unter anderem die Ministerpräsidenten Volker Bouffier (Hessen), Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen) und Daniel Günther (Schleswig-Holstein) teilgenommen.
Mehrheit in Bayern für Koalitionsbruch
Heute beraten die Spitzen von CDU und CSU auf getrennten Sitzungen über das weitere Vorgehen. Es wird erwartet, dass die CSU-Führung Seehofers Kurs auch weiterhin unterstützt.
Ihre unnachgiebige Haltung hat nach einer Meinungsumfrage die Rückendeckung der großen Mehrheit der Bürger in Bayern. Dort befürworten fast 71 der Menschen einen Bruch der Großen Koalition im Bund, wenn sich die CSU nicht mit ihrer Forderung durchsetzen sollte. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der "Augsburger Allgemeinen". Nur rund 24 Prozent sind demnach anderer Auffassung.
Bundesweit liegt die Zustimmung zu einem Bruch der Koalition aus CDU/CSU und SPD der Umfrage zufolge immer noch bei rund 53 Prozent, rund 40 Prozent sind dagegen.
Demnach will Seehofer Geldzahlungen an Flüchtlinge künftig massiv einschränken und nahezu komplett auf Sachleistungen umstellen. Außerdem sieht das Konzept des Ministers vor, den Zeitraum, in dem Asylbewerber nur einen Grundbedarf erstattet bekommen, bevor sie Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe erhalten, von 15 auf 36 Monate zu verlängern.
In beiden Punkten muss Seehofer mit Widerstand vom Koalitionspartner SPD rechnen. Im Januar hatten die Sozialdemokraten von "Schikanen" gegen Flüchtlinge gesprochen, als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ähnliche Pläne vorgestellt hatte.
Nach Informationen der Zeitung will Seehofer außerdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) umbenennen.
Hofreiter: "Fatal für Deutschland und Europa"
Es dürfe nicht zum Bruch zwischen den beiden Parteien kommen, warnte Hans, "nur weil die CSU am Montag eine Entscheidung in der Sache erzwingen will, die wir auch gemeinsam nach dem EU-Gipfel in 14 Tagen treffen können". Im Kern gehe es "gar nicht um die Zurückweisung an der Grenze selbst". Es gehe lediglich darum, "ob diese Maßnahme sofort erfolgt, wie die CSU es will, oder ob es geordnet im Rahmen einer mit den betroffenen Staaten abgestimmten Lösung abläuft, wie wir als CDU mit der Kanzlerin es wollen".
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bezeichnete die Regierungskrise in Berlin derweil als "fatal für Deutschland und Europa". CSU und CDU müssten klären, "ob sie noch gemeinsam dieses Land regieren können", sagte Hofreiter der "Rheinischen Post". An "Spekulationen über Neuwahlen und Koalitionsoptionen" wolle er sich nicht beteiligen.
EU-Sondertreffen zur Flüchtlingspolitik
In zwei Wochen steht ein EU-Gipfel an. Einem Zeitungsbericht der "Welt" zufolge plant Merkel ein Sondertreffen zur Flüchtlingspolitik mit Italien, Österreich und weiteren Staaten, das noch davor stattfinden soll. Bei dem Treffen sollten neue umfangreiche Maßnahmen im Kampf gegen die illegale Zuwanderung beraten werden, berichtet die Zeitung unter Berufung auf hohe EU-Diplomaten.
Konkret soll es dem Bericht zufolge darum gehen, das Mandat und damit die Aufgaben der EU-Grenzschutzbehörde Frontex deutlich zu erweitern und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu stärken. Dabei werde derzeit vor allem an Tunesien gedacht. Außerdem werde es um neue konkrete Schritte gegen "das Weiterwinken von Migranten innerhalb der EU und damit auch den Grenzschutz im Schengen-Raum gehen", zitiert die Zeitung EU-Diplomatenkreise.
Italiens Regierungschef Conte in Berlin
Als Termin für das Treffen sei das kommende Wochenende geplant. Das sei aber ebenso wenig endgültig beschlossen wie der genaue Teilnehmerkreis. Auch Griechenland, Bulgarien und einige Westbalkan-Länder kämen infrage.
Heute absolviert der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte seinen Antrittsbesuch bei Kanzlerin Merkel in Berlin. Wichtiges Thema dürfte die Asylpolitik sein. Merkel will Conte am Abend im Kanzleramt empfangen.