Union nach Bundestagswahl Streiten vor sondieren
Die Union strebt nach wie vor eine Jamaika-Koalition an. Dafür stehen heute Gespräche mit den Grünen an. Doch mitten in der Regierungssuche wird um Parteiposten und eine Neuausrichtung gerungen.
Carsten Linnemann - von Hause aus Volkswirt - verfügt ganz offensichtlich auch über Fähigkeiten der Küchenpsychologie. "In schwierigen Zeiten sehen sie den Charakter eines Menschen und einer Partei - nicht, wenn die Sonne scheint", sagt der Unionsfraktionsvize.
Wenn das stimmt, ist es um den Charakter von Linnemanns CDU nicht gut bestellt. Die Partei scheint völlig überfordert, das schlechte Wahlergebnis zu verarbeiten. Einige wollen die Niederlage eingestehen, andere wollen regieren.
Laschet appelliert an die "Tugend" Loyalität
In einer mittlerweile völlig unübersichtlichen Gemengelage appelliert ein angezählter Parteichef und Kanzlerkandidat an den Zusammenhalt. "Das wäre eine gute Tugend: Loyalität, Kritik nach innen."
Loyalität aber haben einige in der CDU schon aufgegeben und üben Kritik nicht nach innen, sondern außen. Sie zählen Laschet an. Sie sprechen es zwar nicht direkt aus, aber doch so, dass es unmissverständlich ist.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gehört dazu, einst Teamplayer an Laschets Seite:
"Für mich ist jedenfalls klar, dass jetzt auch die Generation nach Angela Merkel in die Verantwortung kommen muss.
Und zur Generation Nach-Merkel gehört definitiv nicht Armin Laschet. Sondern aus Spahns Sicht die Ministerpräsidenten - "zum Beispiel Tobias Hans, Michael Kretschmer, Daniel Günther".
Der Wunsch nach einem Neuanfang
Oder eben Linnemann und Spahn selbst - die nächste Generation, die einen Neuanfang symbolisieren könnte. Aber es sind nicht nur die Jungen, die einen Neuanfang verlangen.
Friedrich Merz etwa hat sich sein Comeback mit 66 Jahren sicher nicht auf der Hinterbank im Bundestag vorgestellt.
Und auch Norbert Röttgen zieht es an die Macht. Offen aussprechen will er das natürlich nicht, windet sich auf entsprechende Fragen in verschwurbelten Antworten:
"Wir haben einen Kanzlerkandidaten gehabt, mit dem sind wir in den Wahlkampf gegangen. Aber die Aufgabe, die jetzt vor uns steht, ist die, eine politische Übereinstimmung zwischen den Parteien zu finden. Und dann kommen am Ende auch die Personalfragen.
Personalfragen zermürben Partei schon jetzt
Die Personalfragen könnten die CDU aufreiben. Nicht erst am Ende, sie zermürben die Partei schon jetzt, bevor überhaupt klar ist, ob sie regieren oder opponieren wird.
Laschets letzter Ausweg jedenfalls ist Jamaika, andernfalls muss er in Aachen abbiegen. Wie es sich damit dort lebt, kann er bei Martin Schulz nachfragen, dem gescheiterten SPD-Kandidaten von 2017.
Und dann ist da ja noch CSU-Chef Markus Söder, von dem immer noch manch einer als Kanzler träumt - der seinen Platz jetzt aber wieder in Bayern sieht und es vermutlich erst in vier Jahren zur nächsten Wahl noch einmal wissen will.
In diesem Zustand werden CDU und CSU nun heute mit den Grünen über eine mögliche Koalition sprechen. Eine Vorentscheidung könnte dann bald fallen - auch über die Zukunft von Laschet. Drei bis fünf Kandidaten wollen ihm folgen - alles Männer - Frauen mit Führungsanspruch sind in der Generation Nach-Merkel nicht auszumachen.