Fortsetzung der "Trauzeugenaffäre"? "Filz"-Vorwürfe auch gegen Arbeitsminister Heil
Nach dem Fall Graichen droht der Ampel-Koalition der nächste Streit über eine Personalie: Auch der Trauzeuge von Bundesminister Heil hat einen Posten in dessen Arbeitsministerium inne. Die Union fordert Aufklärung.
Gerade erst hat sich die Debatte über die sogenannte Trauzeugenaffäre mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und dessen mittlerweile ehemaligem Staatssekretär Patrick Graichen im Fokus beruhigt. Doch schon regen sich neue Vorwürfe gegen ein weiteres Mitglied der Bundesregierung - diesmal richten sie sich gegen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.
Ihren Namen behält die "Affäre" bei, denn auch hier dreht es sich um die Frage: War es legitim, dass Heil seinen Trauzeugen Carsten Stender 2018 zum Abteilungsleiter für europäische und internationale Beschäftigungs- und Sozialpolitik ernannte? Zunächst hatte der "Spiegel" über die Personalie berichtet. Das Bundesarbeitsministerium hat die Postenvergabe bestätigt.
Durch den "Spiegel"-Bericht wurde nun bekannt, dass Stender 2005 der Trauzeuge des heutigen Bundesarbeitsministers gewesen war.
Ministerium weist möglichen Interessenkonflikt zurück
In einer Stellungnahme von Heils Ministerium wurde jedoch ausdrücklich betont, dass bezüglich Stenders Ernennung zum Abteilungsleiter "in keiner Hinsicht" ein Interessenkonflikt bestanden habe. Ausschlaggebend bei der Besetzung des Postens sei ausschließlich die "fachliche Expertise" gewesen. Stender habe die Anforderungen an die Stelle in Gänze erfüllt, insbesondere durch seine "hervorragende fachliche Eignung" sowie sein "politisches Vertrauensverhältnis zum Minister". Die Tatsache, dass dieser vor rund 20 Jahren auch Heils Trauzeuge gewesen sei, sei "Ausdruck privater Freundschaft".
Laut "Spiegel" wurde die Position damals ohne vorherige Ausschreibung vergeben, was bei der Vergabe von Posten als Abteilungsleiterinnen oder -leitern auch nicht notwendig sei.
Unionspolitiker fordern Aufklärung
Die Union reagierte mit deutlicher Kritik auf die Postenvergabe an Stender. "Hubertus Heil muss dringend für Aufklärung sorgen", forderte CSU-Generalsekretär Martin Huber in der "Bild". Durch die "Trauzeugenaffäre" gerate die Bundesregierung "langsam unter Generalverdacht".
Und auch der CSU-Politiker Florian Hahn betonte: "Bei der Ampel gilt offensichtlich das Motto 'Family and Friends'." Es sei "atemberaubend, in welcher Geschwindigkeit sich die Bundesregierung nicht nur wegen ihrer schlechten Politik, sondern auch durch ihren Filz jegliches Renommee verspielt".
Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International hegt in Bezug auf die Stellenvergabe kaum Bedenken. Die Wahl von "Vertrauenspersonen des Ministers" für einen solchen Posten sei kein Verstoß. Ebenso konnte die Organisation keine "offensichtlichen" Regelwidrigkeiten erkennen, "sofern Herr Stender zudem die fachlichen und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen erfüllt".
Vor seinem Wechsel ins Bundesarbeitsministeriums war Stender unter anderem als Referatsleiter im Auswärtigen Amt tätig und hatte verschiedene Positionen im SPD-Parteivorstand inne.
Langer Streit um Ex-Staatssekretär Graichen
Erst vor anderthalb Wochen musste Patrick Graichen, bis dahin Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium unter Habeck, seinen Posten räumen. Er war heftig in die Kritik geraten, weil sein früherer Trauzeuge, Michael Schäfer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur werden sollte. Graichen selbst war an der Auswahl Schäfers beteiligt gewesen.
Letztlich verzichtete Schäfer auf die Chefposition, während Grünen-Minister Habeck weiter an seinem Staatssekretär festhielt. Immerhin gilt Graichen als Architekt des derzeit so umstrittenen Gebäude-Energiegesetzes. Doch dann tauchten neue Ungereimtheiten und konkret ein Verstoß gegen interne Compliance-Regeln auf, sodass Graichen in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. In der kommenden Woche soll sein Nachfolger Philipp Nimmermann die Arbeit als Staatssekretär aufnehmen.