Konstituierende Parlamentssitzung "Große Ehre, noch größere Verantwortung"
Zu Beginn der konstituierenden Sitzung des neugewählten Bundestags hat Alterspräsident Solms an das Gewissen der Abgeordneten appelliert. Das Mandat sei eine große Ehre, aber eine noch viel größere Verpflichtung. Die AfD scheiterte gleich mit ihrem ersten Bundestagsantrag.
Zum Auftakt der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags hat Alterspräsident Hermann Otto Solms von der FDP die alten und neuen Parlamentarier auf die Bedeutung ihres Mandats hingewiesen: "Abgeordneter des Deutschen Bundestages zu sein, ist eine große Ehre, aber eine noch viel größere Verpflichtung." Der Bundestag bestimme die Regierung, nicht umgekehrt, sagte Solms. Er betonte zudem die Verantwortung der Abgeordneten vor den Wählerinnen und Wählern, die hinter der Verantwortung gegenüber der eigenen Partei stehe.
Offensichtlich mit Blick auf die neu in den Bundestag eingezogene AfD sagte Solms: "Ich warne davor, Sonderreglungen zu schaffen, auszugrenzen oder gar zu stigmatisieren. Wir alle haben das gleiche Mandat, gleiche Rechte, aber eben auch gleiche Pflichten." Das Parlament müsse allerdings ein Spiegelbild der Meinungsvielfalt des Volkes sein, betonte er. "Wir müssen lernen, die Demokratie durch unser Reden und unser Handeln zu stärken." Gleichzeitig warnte er die Abgeordneten davor, die Bürger Stimmen und Stimmungen zu überlassen, die das Zusammenleben erschweren wollen.
Solms für Wahlrechtsreform
Solms mahnte in seiner Rede zudem eine Reform des Wahlrechts an. "Die Größe dieses aufgeblähten Parlaments trägt eher dazu bei, dass die Arbeitsfähigkeit des Bundestages ebenso wie sein Ansehen bei den Bürgern leidet", sagte er. Solms schlug vor, dass "im Wesentlichen von allen politischen Kräften akzeptierte" alte Wahlrecht wieder in Kraft zu setzen, sollte es keine Einigung auf eine Reform geben. "Notfalls mit verfassungsändernder Mehrheit", fügte er hinzu.
Das alte Wahlrecht war vom Bundesverfassungsgericht unter anderem wegen der Verzerrung des Zweitstimmenergebnisses durch sogenannte Überhangmandate für verfassungswidrig erklärt worden. Eine im Februar 2013 verabschiedete Reform führte daher einen Ausgleichsmechanismus ein: Dabei wird die Gesamtzahl der Sitze im Bundestag solange erhöht, bis das Größenverhältnis der Fraktionen dem Zweitstimmenergebnis entspricht. Als Folge sind im neuen Parlament 709 Abgeordnete vertreten.
AfD scheitert mit Antrag
Gleich zu Beginn der Sitzung scheiterte die AfD mit ihrem ersten Bundestagsantrag. Mit großer Mehrheit wiesen die Abgeordneten den AfD-Vorstoß zurück, die Auftaktsitzung nicht durch Solms, sondern vom ältesten Mitglied des Bundestages, leiten zu lassen, wie es bis zur Änderung der Regelung in diesem Jahr gängig war.
Um zu verhindern, dass ein AfD-Politiker als Alterspräsident die erste Sitzung des neugewählten Bundestages eröffnet, war die Geschäftsordnung des Parlaments geändert worden. In der Neufassung ist festgelegt, dass nicht wie bisher der älteste Abgeordnete diese repräsentative Funktion übernimmt, sondern derjenige, der am längsten dem Parlament angehört. Das wäre eigentlich Wolfgang Schäuble mit 45 Dienstjahren, er verzichtete aber auf den Posten. Im Laufe der Sitzung soll der ehemalige Bundesfinanzminister zum Bundestagspräsidenten gewählt werden. Der 76-jährige Solms ist der Abgeordnete mit den zweitmeisten Dienst- und auch den zweitmeisten Lebensjahren.
Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, warf den anderen Parteien vor, seiner Fraktion die Ehre der Sitzungseröffnung durch Tricks versagt zu haben. Die Änderung der Geschäftsordnung bezeichnete er als eine List, "mit der sie die AfD ausgrenzen wollten".
SPD-Antrag auf Befragungen Merkels abgeschmettert
Einen weiteren Antrag brachte die SPD ein, scheiterte jedoch zunächst. Nach Willen der Sozialdemokraten sollte die Bundeskanzlerin den Abgeordneten zukünftig regelmäßig Rede und Antwort stehen. Konkret sollte sich Kanzlerin Merkel mindestens viermal im Jahr dem Parlament stellen.
Außerdem sollte die traditionell in Sitzungswochen am Mittwoch stattfindende Befragung von Regierungsvertretern durch Abgeordnete von 30 auf 60 Minuten verlängert werden. "Der Bundestag muss wieder zur zentralen Bühne der politischen Auseinandersetzung werden", begründete SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider den Antrag im Parlament. Merkels "Politikstil" sei ein Grund dafür, dass nunmehr eine populistische Partei im Bundestag vertreten sei. CDU/CSU, FDP und Grüne als die Parteien der angestrebten Jamaika-Koalition verwiesen mit ihrer Mehrheit den SPD-Antrag jedoch zur Beratung an die Ausschüsse.