Bundesverfassungsgericht "Recht auf Vergessen" im Internet gestärkt
Auch bei schweren Straftaten hat ein Täter ein "Recht auf Vergessen" im Internet. Das entschied das Bundesverfassungsgericht. Es gab der Beschwerde eines 1982 wegen Mordes verurteilten Mannes statt.
Auch bei schweren Straftaten hat ein Täter ein "Recht auf Vergessen" im Internet. Das entschied das Bundesverfassungsgericht. Es gab der Beschwerde eines 1982 wegen Mordes verurteilten Mannes statt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte eines Mörders, der namentlich in den Medien genannt wurde, gestärkt. Der Erste Senat gab einer Verfassungsbeschwerde des 1982 wegen Mordes verurteilten Mannes gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs statt.
Der Mann wehrte sich dagegen, dass Berichte eines Nachrichtenmagazins bei einer Internetsuche mit seinem Namen unter den ersten Treffern angezeigt werden. Zumutbare Vorkehrungen gegen diese Auffindbarkeit wären in Betracht zu ziehen gewesen, urteilten die Verfassungsrichter.
Mordfall auf dem Segelschiff "Apollonia"
Die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht seien abzuwägen. Während der aktuellen Berichterstattung seien grundsätzlich auch identifizierende Berichte über rechtskräftig verurteilte Straftäter zulässig. Das berechtigte Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung nehme mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Tat aber ab.
Der Fall hatte großes Aufsehen erregt. Der damals Anfang 40-Jährige gehörte zur Besatzung des Segelschiffes "Apollonia" auf dem Weg von den Kanaren in die Karibik. An Bord kam es nach der Beweiserhebung des Landgerichts Bremen im Dezember 1981 zu einem Streit. Der frühere Soldat erschoss zwei Menschen und verletzte einen weiteren schwer. Die Geschehnisse wurden zu einem Buch verarbeitet und verfilmt. Der verurteilte Mörder kam 2002 aus der Haft frei und verlangte 2009 vom "Spiegel", seinen Nachnamen für Suchen im Online-Archiv zu tilgen.
Nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts sind in diesem Fall trotz gleichzeitiger Geltung der Rechte der Europäischen Union primär die deutschen Grundrechte zu prüfen. Grund: Das Fachrecht sei unionsrechtlich nicht vollständig vereinheitlicht und in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich ausgestaltet.
EU-Recht und deutsches Grundrecht
In einer zweiten Entscheidung wies der Erste Senat eine Verfassungsbeschwerde gegen das Oberlandesgericht Celle ab. In diesem Fall forderte eine Frau vom Suchmaschinenbetreiber Google, die Verknüpfung ihres Namens mit einem Beitrag des Norddeutschen Rundfunks aus dem Jahr 2010 aufzuheben.
Sie hatte für den Beitrag des Magazins "Panorama" mit dem Titel "Kündigung: Die fiesen Tricks der Arbeitgeber" ein Interview gegeben. Der Beitrag stellte die Kündigung eines damaligen Mitarbeiters eines Unternehmens dar, das sie als Geschäftsführerin leitete. Die Beschwerdeführerin verwahrt sich gegen die Nennung des Begriffs "fiese Tricks" in der Überschrift des Suchergebnisses. Das Suchergebnis rufe eine negative Vorstellung über sie als Person hervor. Sie habe solche Tricks niemals angewandt.
In diesem Fall sind nach Angaben der Verfassungsrichter grundsätzlich nicht die deutschen, sondern die Unionsgrundrechte maßgeblich. Die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens und der Schutz der personenbezogenen Daten gegen das Recht auf unternehmerische Freiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit seien abzuwägen. Ein wichtiger Faktor sei auch in diesem Fall die Zeit. Das OLG habe einen Anspruch auf Auslistung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht als gegeben angesehen. Das sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Az: 1 BvR 16/13 und Az: 1 BvR 276/17