Cannabis-Legalisierung Richter warnen vor Überlastung der Justiz
Kurz vor der Abstimmung zur Cannabis-Legalisierung gibt es weiter Kritik an dem Vorhaben. Sowohl der Bund Deutscher Kriminalbeamter als auch der Deutsche Richterbund sprachen sich gegen das Gesetz in seiner jetzigen Form aus.
Kurz vor der Abstimmung im Bundestag über die umstrittene teilweise Legalisierung von Cannabis in Deutschland hat der Deutsche Richterbund vor einer massiven Überlastung der Justiz durch die im neuen Gesetz vorgesehenen Amnestie-Regelung gewarnt.
"Die Justiz rechnet bundesweit mit mehr als 100.000 Akten, die im Falle des geplanten rückwirkenden Straferlasses bei Cannabis-Delikten nochmals zu überprüfen sind", sagte der Bundesgeschäftsführer des Richterbunds, Sven Rebehn, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Allein beim Amtsgericht Köln seien es mehr als 10.000 Fälle. "Die dort zuständigen fünf Richter gehen von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von mindestens einer Stunde pro Fall aus, sodass die Prüfung bei 2000 Fällen pro Kopf und 40 Wochenstunden rechnerisch 50 Wochen oder ein Jahr bräuchte", sagte Rebehn.
Bundestagsbeschluss am Freitag geplant
An diesem Freitag soll der Bundestag die kontrollierte Freigabe mit zahlreichen Regeln beschließen. Besitz und Eigenanbau bestimmter Mengen sollen damit für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein. Nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es auch eine Amnestie von Verurteilungen für Fälle geben, die künftig erlaubt sind.
Für die Staatsanwaltschaften bedeute das Cannabisgesetz konkret, "dass sie alle Strafakten mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz nochmals händisch daraufhin auswerten müssen, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären", sagte Rebehn.
Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert Stopp von Gesetz
Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hat einen Stopp der Ampel-Pläne zur Teil-Legalisierung von Cannabis gefordert. "Dieses Gesetz muss gestoppt werden", sagte der BDK-Vorsitzende Dirk Peglow den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bei dem Gesetz handele es sich um "ein Regelungsmonster, das kaum in der Praxis umzusetzen sein wird und auch die Ziele nicht erreichen wird, die es erreichen soll".
Der Kleinhandel werde durch die Pläne "im Prinzip legalisiert", sagte Peglow. Dealer könnten bis zu 25 Gramm bei sich tragen und es sei nicht möglich, dass die Polizei "unterscheiden kann zwischen legal angebautem Cannabis und illegalem". Der Schwarzmarkt werde so nicht eingedämmt, sondern eher gefördert.
Union ruft Ampel-Abgeordnete zur Ablehnung des Cannabis-Gesetzes auf
Die Union rief unterdessen die Abgeordneten der Ampel-Parteien auf, im Bundestag gegen den Gesetzentwurf der Regierung zu stimmen. "Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen der Ampel: Stimmen Sie am Freitag gegen dieses Gesetz. Stoppen Sie dieses verantwortungslose Projekt", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU) der "Rheinischen Post".
Sorge räumte ein, dass die aktuelle Situation problematisch sei. Ein "völlig untaugliches und hochgradig gefährliches Gesetz" könne aber nicht die Antwort sein. Die Union stünde jedoch "für einen neuen Anlauf" bereit.
Das Vorhaben ist auch innerhalb der Koalition nicht unumstritten: In Teilen der SPD-Fraktion gibt es Widerstand gegen das Gesetz. Einige sozialdemokratische Parlamentarier erklärten bereits, dagegen stimmen zu wollen.
Zustimmung für die Teil-Legalisierung kam zuletzt von etwa 30 Forschern und Fachleuten. Sie forderten in einem offenen Brief die Bundestagsabgeordneten auf, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Das würde "einen wichtigen Schritt in Richtung Gesundheitsschutz, Prävention und sozialer Gerechtigkeit machen", hieß es in dem Schreiben.
Bayern will Vermittlungsausschuss anrufen
Wenn der Bundestag am Freitag für die Legalisierung stimmt, kommt das Gesetz abschließend in den Bundesrat. Zustimmungsbedürftig ist es dort zwar nicht. Prinzipiell könnte die Länderkammer aber mit einer erforderlichen Mehrheit den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und das Verfahren so abbremsen. Bayern will sich dafür einsetzen. Ein entsprechender Antrag von CSU und Freien Wählern bekam im Münchner Landtag die notwendige Mehrheit.