Corona-Mutation B1.617.2. Was wir über die Delta-Variante wissen
In Großbritannien treibt sie die Infektionszahlen wieder nach oben: die Corona-Variante Delta, zuerst in Indien gefunden. Wird sie sich auch in Deutschland verbreiten? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie ist das Infektionsgeschehen in Großbritannien?
In Großbritannien sind rund 60 Prozent der Erwachsenen einfach und über 40 Prozent sogar schon doppelt geimpft. Trotzdem steigen die Infektionszahlen. Wochenlang hatte die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Menschen um die 20 gelegen, jetzt erreicht sie fast 50. Und auch die Zahl der Krankenhauspatienten mit Covid-19 ist wieder deutlich angestiegen. Forschende sprechen vom Beginn einer neuen Welle.
Der Grund dafür ist wohl die Delta-Variante, die zuerst in Indien entdeckt wurde. Sie hat sich in Großbritannien ausgebreitet und macht dort inzwischen den größten Teil der Neuinfektionen aus.
Viele Regionen weisen zwar immer noch vergleichsweise niedrige Inzidenzen auf, es gibt aber mehrere Hotspots. In der englischen Region Blackburn with Darwen beispielsweise liegt die Inzidenz derzeit bei über 500 (Daten bis 4. Juni 2021). In den vorherigen sieben Tagen hatte sich der Wert verdoppelt. Auch die umliegenden Gebiete weisen inzwischen wieder Inzidenzen von über 100, oft über 200 auf.
Jenny Harries, Leiterin der britischen Gesundheitssicherheitsbehörde, warnt deshalb vor Delta: "Da diese Variante mittlerweile in ganz Großbritannien vorherrscht, ist es nach wie vor wichtig, dass wir alle weiterhin so viel Vorsicht wie möglich walten lassen. (…) Wenn Sie berechtigt sind und dies noch nicht getan haben, lassen Sie sich bitte impfen und stellen Sie sicher, dass Sie Ihre zweite Impfung erhalten. Es wird Leben retten."
Alpha heißt die zuerst in Großbritannien aufgetauchte Variante B.1.1.7.
Beta lautet der Name für die in Südafrika entdeckte Variante B.1.351.
Gamma steht für die in Brasilien nachgewiesene Variante P.1.
Delta bezeichnet die zunächst in Indien gefundene Variante B.1.617.2.
Warum breitet sich Delta trotz Impfungen aus?
Eine Risikoanalyse des britischen Gesundheitsministeriums führt die schnelle Ausbreitung bislang hauptsächlich auf zwei Ursachen zurück. Erstens scheint die Übertragbarkeit von Delta größer zu sein als beim Wildtyp der ersten Welle und bei der Alpha-Variante, die in Großbritannien entdeckt wurde. Delta-Fälle nehmen demnach zu, während Alpha-Fälle rückläufig sind. Mit der Delta-Variante infizierte Menschen stecken offenbar mehr Menschen an. Laborversuche deuten außerdem auf eine stärkere Vermehrung der Viren im Körper hin.
Zweitens schützen die Corona-Impfungen offenbar nicht ganz so gut vor dieser Mutante.
Wie gut wirken Impfungen gegen die Delta-Variante?
Vor allem nach der ersten Impfung ist der Schutz wohl deutlich verringert. Eine noch nicht gegengeprüfte britische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Schutz dann nur noch bei knapp 34 anstatt rund 51 Prozent liegt.
Nach der zweiten Dosis sei der Unterschied geringer, aber immer noch vorhanden: Anstatt zu rund 93 Prozent schützt das Mittel von BioNTech/Pfizer noch zu etwa 88 Prozent. Der AstraZeneca-Impfstoff schützt demnach noch zu rund 60 anstatt 66 Prozent. Nach vollständiger Impfung ist der Impfschutz also immer noch recht gut.
Keine Daten gibt es bisher dazu, ob neben dem Schutz vor einer Erkrankung auch die Wirksamkeit vor einer Übertragung oder vor schweren Verläufen reduziert ist.
Gibt es Delta auch in Deutschland?
Ja. Allerdings kommt die Variante - zumindest bisher - nur selten vor. Ihr Anteil lag Ende Mai bei unter drei Prozent. Laut dem Virusvarianten-Bericht des Robert Koch-Instituts vom 9. Juni 2021 kommt die Mutante derzeit vereinzelt in allen Bundesländern außer Thüringen und Bremen vor. Anders als in England scheint sie die Variante Alpha bisher aber nicht zu verdrängen.
Welche Auswirkungen wird die Virusvariante hier haben?
Das ist schwer zu sagen. Im Moment ist noch nicht einmal klar, inwieweit Delta in Großbritannien für neue Probleme sorgen wird. Noch liegt die Inzidenz in den meisten Regionen Großbritanniens unter 50, teilweise unter 10.
In Deutschland sinken die Infektionszahlen weiterhin. Außerdem kommt die Delta-Variante hier eben bisher kaum vor. Das könnte sich natürlich ändern. Entweder indem es hierzulande mehr Ansteckungen mit Delta gibt, aber auch, wenn die Mutante von außen eingetragen wird.
Möglicherweise können die derzeitigen Einreisebeschränkungen eine vermehrte Eintragung und weitere Ausbreitung der Variante verhindern. Andererseits gilt Delta als ansteckender. Daher wäre es naheliegend, dass sie sich auf lange Sicht gegen Alpha durchsetzen kann - auch ohne neue Viruseintragung. Hans Kluge, der WHO-Regionaldirektor für Europa, geht davon aus, dass sich die Delta-Variante in Europa durchsetzen wird.
Entscheidend ist aber die Frage, ob Delta dann auch zu mehr Erkrankungen und schweren Verläufen von Covid-19 führen würde. Das ist noch unklar.