Virus in Deutschland Corona jetzt in fast allen Bundesländern
Erstmals hat das Coronavirus nun auch mehrere ostdeutsche Bundesländer erreicht. In Bayern wurden ebenfalls 13 neue Fälle bekannt. Der Ruf nach Konjunkturhilfen zur Stabilisierung der Finanzmärkte wird immer lauter.
In Bayern hat sich die Zahl der mit dem neuartigen Coronavirus infizierten Patienten erneut erhöht. In dem Freistaat wurden 13 weitere Ansteckungsfälle nachgewiesen, wie das Gesundheitsministerium in München mitteilte. Damit stieg die Zahl der bestätigten Fälle in Bayern seit Donnerstag auf insgesamt 21.
Das Virus erreichte inzwischen auch mehrere ostdeutsche Bundesländer: Brandenburg, Sachsen und Thüringen gaben die ersten Fälle bekannt. Wegen der Epidemie wurde die Internationale Handwerksmesse in München abgesagt. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums hatte zuvor mitgeteilt, der bayerische Coronavirus-Krisenstab habe empfohlen, "große internationale Messen bis auf Weiteres abzusagen oder zu verschieben". Dies gelte auch für die Internationale Handwerksmesse.
Erster Fall auch in Brandenburg
Ein erster Coronavirus-Fall wurde am Montagabend aus Thüringen gemeldet. Ein 57-jähriger Mann aus dem Saale-Orla-Kreis sei positiv auf den Erreger getestet worden, teilte das Gesundheitsministerium in Erfurt im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Der Mann werde im Krankenhaus behandelt. Auch aus Sachsen wurde ein erster Infektionsfall gemeldet. Bei einem 67-Jährigen aus dem Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge sei der Erreger nachgewiesen worden, wie das Gesundheitsministerium des Freistaats mitteilte.
Der Mann befinde sich in häuslicher Quarantäne und sei in stabilem Zustand. Wie die "Märkische Allgemeine Zeitung" unter Berufung auf einen Sprecher des Gesundheitsamts in Potsdam berichtete, wurde das Coronavirus erstmals auch in Brandenburg nachgewiesen. Der Patient sei "häuslich isoliert" und stabil.
Berliner Schule bleibt geschlossen
Am Montagabend wurden nach dem ersten bekannt gewordenen Fall des 22-Jährigen noch zwei weitere Infektionen in Berlin gemeldet. Es handle sich um einen Mann in Marzahn-Hellersdorf und eine Frau in Mitte, teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit am Abend mit. Sie sollen nach bisherigen Erkenntnissen nicht mit dem Fall des erkrankten 22-Jährigen in Verbindung stehen. Der junge Patient wird weiter auf einer Isolierstation im Virchow-Klinikum der Charité behandelt.
Die Lehrkraft aus Marzahn-Hellersdorf habe sich offenbar auf einer Italien-Reise infiziert. Der Mann war mit zwei Gruppen aus 74 Schülern sowie 6 Lehrkräften auf Skifahrt in Südtirol und entwickelte nach der Rückkehr Krankheitssymptome. Er wird nun im Vivantes-Klinikum Kaulsdorf isoliert und behandelt. Als Vorsichtsmaßnahme bleibt die Emanuel-Lasker-Oberschule in Friedrichshain, an der der Patient unterrichtet, bis auf weiteres geschlossen. Schüler und Lehrer sollen zu Hause bleiben, bis die Testergebnisse der Kontaktpersonen vorliegen.
Untersuchungsstelle am Charité
Die Charité richtet am Dienstag eine Untersuchungsstelle für Tests am Standort Virchow-Klinikum als eine spezielle Anlaufstelle ein. Bürger, die eine Infektion mit dem Erreger befürchten, können sich dorthin wenden, hatte Charité-Vorstand Ulrich Frei erläutert. Die Charité bat auch auf Twitter aber darum, die Untersuchungsstelle nicht eigenmächtig aufzusuchen, sondern sich zuerst an die Hotline des Senats (030/90282828) oder an den Hausarzt zu wenden. Das sei zunächst vor allem ein Angebot, um die eigene Notaufnahme zu entlasten.
Der zuständige Amtsarzt vom Bezirk Mitte, Lukas Murajda, hatte am Montag gesagt, es sei nur eine Frage der Zeit, bis in der Stadt weitere Fälle entdeckt würden. In Deutschland sind bislang rund 170 Infektionen (Stand: 2. März) mit dem Virus Sars-CoV-2 bekannt, das die Erkrankung Covid-19 verursachen kann. Die meisten Infizierten haben eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen oder gar keine Symptome. 15 von 100 Infizierten erkrankten schwer, hieß es vom Robert Koch-Institut. Sie bekommen etwa Atemprobleme oder eine Lungenentzündung.
Söder plädiert für Konjunkturhilfen
CSU-Chef Markus Söder plädiert wegen des Coronavirus für rasche Hilfen der Bundesregierung für die deutsche Wirtschaft. "Wir müssen jetzt über Konjunkturpakete nachdenken", sagte der bayerische Ministerpräsident dem "Münchner Merkur". Zu den Maßnahmen sollten deutlich niedrigere Energiepreise und Unternehmenssteuern, aber auch Investitionen gehören. Söder kündigte an, über solche Schritte mit der CDU und SPD beim nächsten Treffen des Koalitionsausschusses am Sonntag beraten zu wollen. Es gehe darum, die Steuerüberschüsse "sehr gezielt einzusetzen, um die absackende Konjunktur zu stabilisieren", sagte Söder. Zugleich müsse mit dem Kurzarbeitergeld Unternehmen die Möglichkeit gegeben werden, "die kurzfristige Delle auszugleichen."
CSU-Chef Söder fordert Konjunkturhilfen, um die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus auszugleichen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte sich am Wochenende offen für ein Konjunkturprogramm wegen des Coronavirus gezeigt. "Wenn die Lage es erfordert, dass ein solcher Impuls nötig wird, haben wir auch die Mittel, ein Konjunkturprogramm aufzulegen", sagte Scholz der "Welt am Sonntag". Zurückhaltender zu einem möglichen Konjunkturpaket zeigte sich zuletzt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Es brauche jetzt "keine Strohfeuer", sagte Altmaier am Montag in einem ARD-Interview. Denkbar seien aber steuerliche Anreize und verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten.
Christine Lagarde: EZB bereit für Unterstützung der Wirtschaft
Die Chefin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde hat derweil bereits "angemessene und zielgerichtete Maßnahmen" zur Unterstützung der Wirtschaft wegen des neuartigen Coronavirus in Aussicht gestellt. Es handele sich um "eine sich schnell entwickelnde Situation, die ein Risiko für die Konjunkturausichten kreiert", sagte Lagarde. Die EZB würde die Entwicklungen beobachten und "wie notwendig und angemessen" agieren.
WHO-Generaldirektor: Eindämmung von Coronavirus ist machbar
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht trotz der steigenden Infektionszahlen weiterhin die Möglichkeit, die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu stoppen. Die Eindämmung von Sars-CoV-2 "ist machbar und muss höchste Priorität aller Länder bleiben", sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus bei einer Pressekonferenz. Die Ausbrüche in Südkorea, Italien, dem Iran und Japan seien derzeit die "größten Sorgen" der WHO.
WHO-Chef Tedros Ghebreyesus.
Das Virus sei "einzigartig" und in der Lage, sich in Gemeinden auszubreiten, sagte Ghebreyesus. Anders als die Grippe könne es mit den richtigen Maßnahmen jedoch aufgehalten werden. Von einer Pandemie wollte er nicht sprechen. Die derzeit herrschende Sorge wegen des Virus sei verständlich, so Ghebreyesus. Gleichzeitig warnte er vor Panik: "Lassen Sie uns uns beruhigen und die richtigen Dinge tun", um den Ausbruch einzudämmen.
Erneut 31 Tote in China - Debatte über Änderungen der Statistik
Die Zahl der Toten und amtlich neu nachgewiesenen Infektionen in China steigt unterdessen weiter an. Die nationale Gesundheitskommission in Peking berichtete am Dienstag von weiteren 31 Toten. Damit sind in Festlandchina bereits 2943 Todesfälle durch die neue Lungenkrankheit zu beklagen. Mit einem neuerlichen Anstieg der offiziell bestätigten Infektionen um 125 kletterte die Zahl der Virusfälle auf 80.151. Alle neuen Todesfälle sowie die meisten Ansteckungen sind demnach in der schwer betroffenen Provinz Hubei in Zentralchina zu beklagen, wo das Sars-CoV-2 genannte Virus ursprünglich auch ausgebrochen war.
Das wahre Ausmaß der Epidemie in China scheint aber unklar, da die Zählweise der nachgewiesenen Infektionen mehrfach geändert wurde, was sich auch spürbar auf die amtliche Statistik auswirkt. Wie das chinesische Magazin "Caixin" berichtete, können beispielsweise Personen, die nachweislich infiziert sind, aber keine Symptome der Krankheit zeigen, seit Anfang Februar nicht mehr als neu bestätigte Ansteckungen mitgerechnet, sondern anderweitig aufgelistet werden. Dabei können solche Personen auch ansteckend sein. Die Änderung hat eine Diskussion unter Experten ausgelöst. Auch waren vor zwei Wochen klinische Diagnosen ausgenommen worden. Dabei stellt der Arzt nur anhand der Symptome oder der Vorgeschichte des Patienten die Infektion fest, ohne dass ein Test gemacht wird. Seither hat sich der täglich berichtete Anstieg der neuen Infektionen und der Todesfälle in der offiziellen Statistik Chinas auch deutlich reduziert.
Tote in Italien und in den USA
Italien ist das am stärksten von der Coronavirus-Epidemie betroffene Land Europas. Hier stieg die Zahl der Infizierten auf inzwischen mehr als 2000. 52 Erkrankte sind an dem Virus gestorben, wie der Zivilschutz in Rom mitteilte. Am Vortag lag die Zahl noch bei 34 Toten.
Auch in den USA erhöhte sich die Zahl der Menschen, die am Coronavirus gestorben sind: Die Behörden meldeten sechs Todesfälle. Die Toten wurden aus Pflegeheimen im US-Bundesstaat Washington nahe der Metropole Seattle gemeldet. Am Samstag war der erste Todesfall dort gemeldet worden, der erste seit Beginn des Ausbruchs in den USA.
Die US-Gesundheitsbehörde CDC erhöhte am Montag die Zahl der bisher positiv auf den Erreger Sars-CoV-2 getesteten Menschen in den USA auf 43. Medienberichten zufolge sollen es allerdings bereits deutlich mehr sein. Auch aus der Millionenmetropole New York wurde am Wochenende der erste Fall gemeldet. Die Frau im Alter von Ende 30 habe sich bei einer Reise im Iran angesteckt.
Airlines dünnen weltweit Flugprogramm aus
Die Epidemie sorgt unterdessen weltweit für weniger Nachfrage bei den Airlines: Dem Welt-Luftfahrtverband IATA zufolge lassen viele Fluggäste aus Angst vor dem Coronavirus ihre Tickets verfallen. Viele Fluggesellschaften meldeten, dass rund 50 Prozent der Kunden gar nicht zum gebuchten Flug auftauchten.
Der Lufthansa-Konzern hatte bereits vergangene Woche angekündigt, das Flugprogramm möglicherweise deutlich zurückzufahren - nun setzen die Lufthansa und ihre Töchter dies um. Neben Flügen nach Asien fallen vorerst vor allem Verbindungen nach Italien weg. Auch das innerdeutsche Flugprogramm wird ausgedünnt. Flüge nach Festlandchina bleiben bis 24. April gestrichen, gleiches gilt für Verbindungen in die iranische Hauptstadt Teheran bis 30. April, wie der Konzern mitteilte.
Wegen verminderter Nachfrage infolge des Coronavirus strich die britische Fluggesellschaft British Airways (BA) zudem Hunderte Flüge in die USA und nach Europa. Wie die Airline mitteilte, werden aus diesem Grund zwischen dem 17. und 28. März mehr als 200 Hin- und Rückflüge abgesagt, unter anderem nach Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich, Irland und in die Schweiz. Auch die irische Fluggesellschaft Ryanair kündigte an, ihre Flüge von und nach Italien zusammenzustreichen. Bis zu jeder vierte Kurzstreckenflug "hauptsächlich von und nach Italien" falle zwischen dem 17. März und dem 8. April weg.
EU-Parlament lässt vorerst keine Besucher zu
Auch das EU-Parlament reagierte auf die Ausbreitung des Coronaviurs: Es lässt wegen der wachsenden Ansteckungsgefahr vorerst keine Besucher mehr zu. Wie Parlamentspräsident David Sassoli sagte, gelten die Beschränkungen als Vorsichtsmaßnahme ab sofort für die nächsten drei Wochen. Er verwies darauf, dass pro Jahr rund 700.000 Menschen das Europaparlament besuchten. Das Parlament werde aber weiterhin tagen.