Blick in ein medizinische Labor

Coronavirus in Deutschland Infektionen in zehn Bundesländern

Stand: 02.03.2020 10:27 Uhr

Mit dem Nachweis einer Coronavirus-Infektion in Berlin ist jetzt das zehnte deutsche Bundesland betroffen. Absagen von Großveranstaltungen und Quarantänen sollen die Verbreitung eindämmen. Doch es gibt Kritik an der Koordinierung.

In Deutschland sind jetzt in zehn der 16 Bundesländer Fälle des neuartigen Coronavirus nachgewiesen. 150 Infektionen sind es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts.

In Berlin wurde der erste nachgewiesene Fall bekannt. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci sagte dem rbb, es handele sich um einen jungen Mann aus Berlin-Mitte. Er werde in der Charité behandelt und isoliert. Sein Zustand sei stabil. Die sogenannte Nachverfolgung habe ergeben, dass es zehn Kontaktpersonen gegeben habe. Neben Mitbewohnern und Freunden des Infizierten seien auch seine Eltern aus Nordrhein-Westfalen dabei, die zu Besuch in Berlin gewesen seien. Weitergehende Maßnahmen wie die Schließung von Schulen und Kitas hält die Gesundheitssenatorin Kalayci derzeit für nicht notwendig.

Mittlerweile gibt es in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz infizierte Patienten. Nur im Saarland und in den neuen Bundesländern wurden noch keine Coronavirus-Infektionen nachgewiesen.

Absagen und mögliche Anreize

Mehrere Großveranstaltungen wurden bereits in Deutschland abgesagt oder verschoben - darunter die weltgrößte Reisemesse ITB in Berlin. Unklar ist, ob die Aussteller entschädigt werden.

Die Lufthansa teilte mit, dass Flüge zum chinesischen Festland bis Ende April abgesagt werden. Auch Hongkong und Seoul werden zunächst bis zum 24. April weniger angeflogen. Wegen der sinkenden Nachfrage dünnt die Lufthansa auch den Flugplan nach Italien aus. Wie stark diese Maßnahmen sich auf die Unternehmensergebnisse auswirkten, sei noch nicht absehbar, erklärte die Fluggesellschaft.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte im ARD-Morgenmagazin, steuerliche Anreize für Unternehmen seien eine mögliche Maßnahme, falls die Wirtschaft in Schwierigkeiten geraten sollte. Doch momentan belaste die deutsche Wirtschaft vor allem die Unklarheit, wie groß die Wachstumseinbußen in China sein werden.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte zuvor gesagt, Deutschland sei zwar gewappnet, aber wenn die Lage es erfordere, "haben wir auch die Mittel, ein Konjunkturprogramm aufzulegen". Das komme für ihn aber erst in Frage, sollte es "zu schweren Verwerfungen in der Weltwirtschaft kommen, etwa weil weltweit Märkte und Produktionsstätten beeinträchtigt werden".

Trotz zunehmender Hamsterkäufen von Lebensmitteln mit langer Haltbarkeit drohen nach Einschätzung des Handels keine Engpässe.

NRW bleibt am stärksten betroffen

Besonders stark betroffenen ist der Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen. Dort gab es 65 bestätigte Fälle. Die Mitte Februar angeordnete Quarantäne wurde jedoch am Wochenende für alle Bewohner aufgehoben, die keine Symptome haben.

NRW-weit sind deutlich mehr als 70 Fälle nachgewiesen. Erstmals wurde am Sonntag ein Fall bekannt, bei dem es keinen Bezug zum Kreis Heinsberg gibt. Das Virus wurde bei einem 51-Jährigen Mann nachgewiesen, der aus dem Iran zurückgekehrt war.

Da ein Mann aus Nordrhein-Westfalen das Brandenburger Erlebnisbad Tropical Islands besucht hatte, werden dort alle Mitarbeiter getestet. Die Ergebnisse werden heute erwartet. Die Infektion war bei dem Besucher später nachgewiesen worden.

Coronavirus, Sars-CoV-2 und Covid-19
Coronavirus ist die geläufigste Bezeichnung für das neuartige Virus aus China. Dessen offizieller Name, den die WHO festgelegt hat, lautet Sars-CoV-2. Die aus dem Virus resultierende Lungenkrankheit heißt Covid-19.

Zuhause bleiben nach Rückkehr aus Risikogebieten

Nach dem Ende der Faschingsferien in Baden-Württemberg und Bayern sollen Schüler zu Hause bleiben, wenn sie sich in einem der Risikogebiete aufgehalten haben. Im Südwesten betrifft dies ausdrücklich auch viele Beamte und Polizisten.

Als Risikogebiete gelten laut Robert-Koch-Institut:

  • In Italien: Region Emilia-Romagna, Region Lombardei und die Stadt Vo in der Provinz Padua in der Region Venetien
  • In ChinaProvinz Hubei (inkl. Stadt Wuhan) und die Städte Wenzhou, Hangzhou, Ningbo, Taizhou in der Provinz Zhejiang
  • Im Iran: Provinz Ghom
  • In Südkorea: Provinz Gyeongsangbuk-do (Nord-Gyeongsang)

Polizeigewerkschaft beklagt "zersplitterte Zuständigkeit"

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, beklagte eine "zersplitterte Zuständigkeit" bei der Bekämpfung des Coronavirus. Es sei keine Strategie erkennbar, wie Deutschland insgesamt auf die Bedrohung reagiere, sagte er der "Augsburger Allgemeinen".

Die Koordinierung der Maßnahmen findet in Deutschland am Robert Koch-Institut in Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden der Bundesländer statt. Eine gemeinsame Stellungnahme von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und dem Präsidenten des Robert-Koch-Institutes sowie weiteren Experten soll es am Vormittag geben.

Spahn sagte im Interview mit dem SWR, "an bestimmten Stellen wird der Alltag eingeschränkt werden müssen, aber es besteht kein Anlass, davon auszugehen, dass die Lebensmittel knapp werden". Der Minister hatte bereits mehrfach betont, dass nach derzeitiger Erkenntnis vier von fünf Coronavirus-Infektionen milde oder sogar symptomfrei verliefen. Mit der Zahl der Ansteckungen steige aber auch die Wahrscheinlichkeit für schwere Verläufe oder Todesfälle, sagte Spahn der "Welt am Sonntag".

Zahlen steigen auch in Italien und China

In Europa ist nach wie vor Italien das am stärksten betroffene Land. Die Zahl der Toten stieg auf 34, teilte Zivilschutzchef Angelo Borrelli mit. Inzwischen sind nach seinen Angaben 1694 Menschen mit dem Sars-CoV-2-Erreger infiziert. Davon seien 83 bereits wieder genesen.

Nun plant die italienische Regierung ein Hilfspaket für die durch den Coronavirus-Ausbruch zusätzlich angeschlagene Wirtschaft in Höhe von 3,6 Milliarden Euro.

In China ist die Zahl der Infizierten auf mehr als 80.000 gestiegen. Allerdings verlangsamte sich das Tempo des Anstiegs. In den USA gibt es zwei Todesfälle und weitere Patienten in kritischem Zustand.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Morgenmagazin am 02. März 2020 um 07:08 Uhr.