Coronavirus in Deutschland Quarantäne im Kreis Heinsberg teils beendet
Während Hunderte Menschen im Kreis Heinsberg wieder am öffentlichen Leben teilnehmen dürfen, melden mehrere Bundesländer neue Corona-Infektionen. Finanzminister Scholz will im Notfall ein Konjunkturprogramm auflegen.
Für mehrere hundert Bewohner im nordrhein-westfälischen Kreis Heinsberg ist die häusliche Quarantäne wegen des Coronavirus' zu Ende gegangen. Rund 300 Karnevalisten, die eine Sitzung am 15. Februar in Gangelt besucht hatten, und ihre Familien waren zu der vorsorglichen Maßnahme aufgerufen worden.
Betroffene, die keine Krankheitssymptome zeigen, dürften sich wieder ohne Einschränkungen bewegen, sagte ein Kreissprecher. Die geschätzt 600 bis 700 Bewohner könnten nun wieder normal am öffentlichen Leben teilnehmen, schilderte der Sprecher. Wer allerdings Symptome zeige, solle weiter daheim bleiben und telefonisch den Hausarzt kontaktieren - gemäß den erteilten Anweisungen.
Etwa 1000 Personen waren insgesamt in dem Kreis nahe der niederländischen Grenze in häusliche Isolierung gegangen. Rund ein Drittel von ihnen wird sich dem Sprecher zufolge noch bis Ende der kommenden Woche gedulden müssen. Es handele sich dabei vor allem um Kinder - mitsamt ihren Familien - aus der Kita, in der die ebenfalls infizierte Ehefrau des Ersterkrankten Erzieherin ist. Der 47-Jährige, der als Erstinfizierter in NRW gilt und weiterhin in ernstem Gesundheitszustand ist, hatte ebenfalls an der Karnevalssitzung teilgenommen.
Neue Fälle in Hessen
In mehreren Bundesländern waren am Wochenende weitere Coronavirus-Fälle bestätigt worden. Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 gibt es nun in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Im Saarland und in Ostdeutschland sind bislang noch keine Coronavirus-Infektionen nachgewiesen worden.
In Hessen sind nach Angaben des Sozialministeriums drei Männer aus Frankfurt am Main und eine Frau aus dem Landkreis Groß-Gerau betroffen. Damit steigt die Zahl der bestätigten Fälle in dem Bundesland auf acht.
Inzwischen auch Niedersachsen und Bremen betroffen
Erstmals ist das Virus auch in Niedersachsen und Bremen aufgetaucht. Ein privates Labor aus Niedersachsen habe die Probe eines 68-jährigen Mannes aus Uetze bei Hannover positiv auf das Virus getestet, teilte das Gesundheitsministerium in Hannover mit. Der Patient wurde isoliert und befindet sich nach Angaben der Behörden vor Ort klinisch in einem guten Zustand. Er hatte sich zuletzt in Norditalien aufgehalten. Dort habe er sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Virus infiziert.
Das Risiko, sich in Niedersachsen mit dem Virus zu infizieren, wird laut Ministerium vom Landesgesundheitsamt und dem Robert Koch-Institut weiterhin als gering bis mäßig eingestuft. Nach aktuellem Stand seien Menschen, die an dem Virus erkrankt sind, zwei Tage vor bis zehn Tage nach dem Beginn der Symptome für andere Personen ansteckend. Menschen, die in dieser Zeit Kontakt zu der erkrankten Person hatten, gelten als Kontaktpersonen. Für jede von ihnen müsse nun im Einzelfall bewertet werden, wie eng der Kontakt war und welche Maßnahmen zum Infektionsschutz erforderlich seien.
In Bremen wurde das Virus bei einer 1962 geborenen Frau nachgewiesen. Sie war am Donnerstag aus dem Iran zurückgekehrt, wie die Senatspressestelle mitteilte. Die Patientin befinde sich zurzeit im Klinikum Bremen-Mitte und weise aktuell nur leichte Symptome auf. Das Bremer Gesundheitsamt befinde sich in direktem Kontakt mit der Patientin, um Kontaktpersonen zu ermitteln und erforderliche Maßnahmen einzuleiten. Zwei weitere Verdachtsfälle sowie deren Kontaktpersonen befinden sich den Angaben zufolge in häuslicher Quarantäne.
Im Klinikum Bremen-Mitte wird eine Frau behandelt, die sich offenbar im Iran mit dem Virus angesteckt hat. Sie weist nach Behördenangaben derzeit nur leichte Symptome auf.
Bisher 117 nachgewiesene Fälle in Deutschland
Bislang sind in Deutschland nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) 117 Coronavirus-Infektionen nachgewiesen worden. Noch am Freitag waren es erst 53. Allein in Nordrhein-Westfalen sind es nach der aktuellen Liste mittlerweile 66 Fälle, in Bayern 19 und in Baden-Württemberg 15.
Die tatsächliche Zahl der Fälle dürfte etwas darüber liegen, weil neue Nachweise hinzukommen. So sind es nach einer dpa-Auswertung in Rheinland-Pfalz mittlerweile drei Fälle statt wie vom RKI gemeldet zwei. Im Saarland und den östlichen Bundesländern einschließlich Berlin sind bisher keine Fälle von Infektionen mit dem Sars-CoV-2 bekannt geworden.
Weltweit gibt es laut RKI 85.207 Fälle, der Großteil davon in China. Die meisten Fälle außerhalb Chinas gibt es mit 2931 nachgewiesenen Infektionen in Südkorea.
Seehofer: Absperrung von Regionen und Städten "letztes Mittel"
Bundesinnenminister Horst Seehofer geht davon aus, dass der Kampf gegen den Erreger schnell zu Ende ist. "Ich rechne damit, dass wir zum Jahreswechsel einen entsprechenden Impfstoff zur Verfügung haben", sagte er der "Bild am Sonntag". Bis dahin müsse man das Virus "mit den klassischen Mitteln des Seuchenschutzes bekämpfen. Wir müssen die Infektionsketten konsequent unterbrechen".
Auch die Absperrung von Regionen oder Städten schloss Seehofer nicht völlig aus. "Dieses Szenario wäre das letzte Mittel", sagte der CSU-Politiker.
Scholz hält auch Konjunkturprogramm für möglich
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht ausreichend Mittel vorhanden, um negativen Folgen der Ausbreitung des Virus für die Wirtschaft entgegenzusteuern. "Wenn die Lage es erforderte, dass ein solcher Impuls nötig wird, haben wir auch die Mittel, ein Konjunkturprogramm aufzulegen", sagte Scholz der "Welt am Sonntag".
Deutschland sei für den Kampf gegen den Erreger Sars-CoV-2 gewappnet, sagte der Minister. Medizinische Nothilfe könne aus dem laufenden Etat bestritten werden. "Sollte es darüber hinaus zu schweren Verwerfungen in der Weltwirtschaft kommen, etwa weil weltweit Märkte und Produktionsstätten beeinträchtigt werden, haben wir alle Kraft, um darauf schnell, entschieden und stark zu reagieren", sagte Scholz.
Zuvor hatte bereits Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im Falle einer noch massiveren Auswirkung des Coronavirus auf die Wirtschaft ein Gegensteuern der Regierung in Aussicht gestellt, von Konjunkturprogrammen hatte er allerdings nicht gesprochen. Der deutsche Leitindex Dax war am Freitag aus Sorge vor einer Coronavirus-Pandemie zeitweise mehr als fünf Prozent abgerutscht. Der Handelstag schloss die schwärzeste Woche seit dem Börsencrash im August 2011 ab - damals mitten in der Euro-Schuldenkrise.
Coronavirus ist die geläufigste Bezeichnung für das neuartige Virus aus China. Dessen offizieller Name, den die WHO festgelegt hat, lautet Sars-CoV-2. Die aus dem Virus resultierende Lungenkrankheit heißt Covid-19.
Spahn: Mangel an Schutzausrüstung "großes Thema"
In einigen deutschen Supermärkten kam es zu Vorratskäufen - auch in Ländern, in denen noch keine Infektion bestätigt wurde. Kunden griffen vermehrt zu langlebigen Lebensmitteln und Getränken. Auch Regale mit Reinigungstüchern oder Desinfektionsmitteln waren leer. Nach Einschätzung des Handels drohen aber keine Engpässe.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betonte erneut, dass nach derzeitiger Erkenntnis vier von fünf Coronavirus-Infektionen milde oder sogar ganz symptomfrei verliefen. Je größer die Zahl der Ansteckungen, desto höher sei aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu schweren Verläufen, zu Lungenentzündungen oder zu Todesfällen komme, sagte Spahn.
Der CDU-Politiker bezeichnete allerdings nicht mehr verfügbare Schutzausrüstung zum Beispiel für Ärzte als "großes Thema" - weil Länder, Krankenhäuser und auch Privatpersonen auf der ganzen Welt auf Vorrat kauften, sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag". Auch Hersteller in Deutschland seien oft selbst auf Vorprodukte aus China angewiesen. "Wir sollten bei Arzneimitteln oder Schutzausrüstungen nicht in diesem Umfang von anderen Regionen der Welt abhängig sein."