OB-Wahl in Cottbus Wer regiert die gespaltene Stadt?
SPD oder AfD - wer stellt künftig den Oberbürgermeister in Cottbus? Das entscheidet sich am Sonntag. Seit Jahren gibt es in der Stadt ein Rechtsextremismus-Problem. Das könnte sich durch den Kohleausstieg noch verschärfen.
Von Jacqueline Piwon und Tom Schneider, rbb
Cottbus ist eine dieser Großstädte, denen man die Großstadt nicht unbedingt ansieht. Grün ist es hier. Ein Uni-Campus liegt mitten im Herzen der Stadt, eine Einkaufsstraße mit netten Cafés. Hier lässt es sich gut leben.
Doch die Stadt wird sich verändern. Der beschlossene Kohleausstieg stellt die gesamte Region vor große Herausforderungen. Die Kohleindustrie prägt seit Generationen die Identität vieler Bewohnerinnen und Bewohner. Sie ist Arbeitgeber und Wirtschaftsmotor. Doch mit dem Strukturwandel soll die Region in eine neue Zukunft geführt werden. 17 Milliarden Euro fließen hierher, vier Milliarden allein nach Cottbus.
Diese Veränderungen müssen gestaltet werden. Wie, das entscheidet sich auch im Rathaus. Am Sonntag wählt Cottbus einen neuen Oberbürgermeister. In einem ersten Wahlgang holte keine Partei die absolute Mehrheit. Der SPD-Kandidat Tobias Schick lag mit 31,8 Prozent vor dem AfD-Kandidaten Lars Schieske, der 26,4 Prozent holte. Nun treten beide in einer Stichwahl gegeneinander an. Dabei wird SPD-Kandidat Schick von allen anderen Parteien unterstützt, denn sie wollen einen AfD-Oberbürgermeister für Cottbus verhindern.
AfD-Kandidat Schieske spricht von "Strukturbruch" statt Strukturwandel.
Angst vor Veränderung
Immer wieder macht Cottbus bundesweit Schlagzeilen mit einer aktiven rechtsextremen Szene. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg ist die Stadt 57 Mal in diesem Zusammenhang erwähnt, so oft wie kein Ort in Brandenburg. Die Besonderheit ist das Gemisch, das hier rechte Clubs, Vereine, Kameradschaften, Kampf- und Kraftsportler bis hin zu Unternehmern bilden. "Das Phänomen der Vernetzung von rechtsextremistischen Gruppierungen und Strömungen, das muss gesellschaftlich angegangen werden", beschreibt Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen.
Auch der Bürgermeisterkandidat Lars Schieske von der AfD hat Verbindungen in die rechtsextreme Szene. Der Berufsfeuerwehrmann ist eng mit dem rechtsextremen Verein "Zukunft Heimat" verbunden. Schieske steht für die Angst vor Veränderung und spricht im Wahlkampf von "Strukturbruch" statt Strukturwandel: "Wir brauchen hier nicht irgendwelche pseudoideologischen Projekte reinholen. Sondern, wir müssen die Handwerker, den Mittelstand unterstützen und Industriearbeitsplätze herholen."
Den Kohleausstieg will er erneut verhandeln und warnt außerdem davor, dass in Cottbus die Gewalt immer mehr zunehme, vor allem von Ausländern. Belegt ist das nicht.
SPD-Kandidat Schick will die Kommunikation in der Stadt verbessern.
Strukturwandel als Chance
Der Gegenkandidat der SPD heißt Tobias Schick. Er geht im Wahlkampf gezielt auch dahin, wo er keinen leichten Stand hat. Zum Beispiel in den Cottbusser Stadtteil Sachsendorf, einem Plattenbaugebiet mit großen sozialen und kulturellen Unterschieden. Schick ist ehemaliger Leistungssportler und seit Jahren in Sportverbänden aktiv. Er ist gut vernetzt. Der SPD-Mann sieht in den Herausforderungen durch den Strukturwandel eine Chance.
Neben Firmenansiedlungen und Wissenschaftsprojekten wird Cottbus auch für Familien und Studenten attraktiver werden, ist er sich sicher. Nach dem ersten Wahlgang genießt er den Rückhalt aller anderen Parteien. Ob die Wähler dem folgen, ist offen. Die Stadt ist gespalten. Schick will deshalb vor allem wieder besser mit den Menschen kommunizieren.
Auch ohne Kohle - Cottbus will Energiestandort bleiben
Sichtbar ist die Veränderung schon am Cottbusser Hauptbahnhof. Hier baut die deutsche Bahn ein neues Instandhaltungswerk für ICE-Züge. 1200 Arbeitsplätze sollen hier entstehen.
Ein paar Kilometer weiter soll ein weiteres Prestige-Projekt entstehen: der Lausitz Science Park unter der Federführung der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Heute ist es eine grüne Wiese. In einigen Jahren sollen hier Wirtschaft und Wissenschaft ihre Kompetenzen bündeln, um an grüner Energie zu forschen. Denn auch wenn die Kohle geht, für Energie soll Cottbus weiter stehen: "Energie wird ganz prägend sein, weil das etwas ist, was wir zu unserem Vorteil nutzen können. Weil es das ist, wofür wir als Lausitz schon immer gestanden haben", sagt Gesine Grande, Präsidentin der Universität.
Sie rechnet mit 10.000 Arbeitsplätzen durch den Science Park. Schon jetzt haben sich Unternehmen wie Rolls Royce oder Bosch Sensor Tech dem Vorhaben angeschlossen. Es sind viele Möglichkeiten, die Cottbus mit dem Strukturwandel ins Haus stehen. Der neue Bürgermeister muss nun entscheiden, wie sie genutzt werden. Am Sonntag wird sich zeigen, in welche Richtung es gehen wird.