Mehr Teilnehmende als erwartet Bundesweit demonstrieren wieder Zehntausende gegen rechts
Im ganzen Land sind erneut Zehntausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Die größte Demonstration gab es in Hamburg. Dort hatten die Veranstalter mit 10.000 Menschen gerechnet - es kamen so viele, dass die Kundgebung abgebrochen werden musste.
Bundesweit haben auch am Freitag Zehntausende gegen Rechtsextremismus und Rassismus protestiert. In Münster folgten etwa 20.000 Menschen dem Demo-Aufruf. Die Polizei sperrte den Domplatz schließlich wegen Überfüllung. Auch in anderen Städten Nordrhein-Westfalens, etwa in Bochum, waren mehr als 10.000 Menschen unterwegs.
Hamburger Demo wegen Überfüllung beendet
Die bei weitem größte Demonstration gab es in Hamburg. Gut 10.000 Menschen hatten die Veranstalter dort erwartet - es kamen allerdings deutlich mehr Menschen: Der Andrang war derart groß, dass die Kundgebung vorzeitig abgebrochen werden musste. Teilnehmenden berichten von einem extremen Auflauf, teilweise sei kein Durchkommen mehr gewesen. Auch der öffentliche Nahverkehr sei streckenweise durch die Menschenmassen zum Erliegen gekommen.
Endgültige Teilnehmerzahlen liegen noch nicht vor, nach Angaben der Polizei waren aber mindestens 50.000 Menschen auf der Straße. Der DGB Hamburg, der zu den Organisatoren der Kundgebung gehört, meldete 80.000 Menschen. Und der SPD-Politiker Kazim Abaci vom Verein Unternehmer ohne Grenzen, der die Demo ebenfalls mitorganisiert hatte, sprach sogar von 130.000 Demonstrierenden.
"Wir sind stark, weil wir entschlossen sind"
An dem Hamburger Protest nahmen auch zahlreiche Prominente und Politiker teil. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher griff in seiner Rede die AfD scharf an: "Die Botschaft an die AfD und ihre rechten Netzwerke ist: Wir sind die Mehrheit und wir sind stark, weil wir geschlossen sind und weil wir entschlossen sind, unser Land und unsere Demokratie nach 1945 nicht ein zweites Mal zerstören zu lassen." Es gehe in diesen Tagen nicht nur um politische oder rechtliche Strategien gegen Verfassungsfeinde. "Es geht auch um menschliche Solidarität und Zusammenhalt". so der SPD-Politiker.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, erklärte, mit Forderungen nach einer massenhaften Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund sei eine Grenze überschritten. Wenn Vertreibungsfantasien die Runde machten, breite sich im Land "ein kriechender, nasser Frost" aus. "Wir wollen nicht, dass das gesellschaftliche Klima kälter wird. Auch das ist ein Klimawandel, den wir aufhalten müssen", unterstrich Fehrs. Der christliche Glaube und völkisches Denken passten nicht zusammen, genauso wenig wie Kreuz und Hakenkreuz.
Grund für die zahlreichen Demos gegen rechts ist ein Bericht über ein Geheimtreffen Rechtsextremer Ende November, den das Medienhaus Correctiv öffentlich gemacht hatte. An dem Treffen in Potsdam, an unter anderem der bekannte Neonazi Martin Sellner über die massenhafte Vertreibung von Menschen mit MIgrationshintergrund referierte, hatten auch AfD-Politiker teilgenommen - darunter der Referent von AfD-Co-Chefin Alice Weidel, Roland Hartwig. Weidel hat sich inzwischen von ihrem Mitarbeiter getrennt.
Weitere Großdemos am Wochenende
Auch am Wochenende werden deutschlandweit Zehntausende Menschen bei Demonstrationen gegen rechts und für die Demokratie erwartet. In Frankfurt am Main werden bis zu 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet. Auch in Kassel, Gießen, Limburg und in weiteren hessischen Städten wollen Menschen gegen rechts auf die Straße gehen.
Auch bei einer Kundgebung in Hannover am Samstag gehen die Veranstalter von deutlich mehr als 10.000 Teilnehmern aus. Weitere größere Demos sind unter anderem in Dortmund, Erfurt und Heidelberg geplant. In Karlsruhe soll ein Demonstrationszug am Bundesverfassungsgericht vorbeiführen.
Am Sonntag werden allein in München 10.000 bis 20.000 Teilnehmer bei einer Demo gegen rechts erwartet. Auch in Dresden und Berlin sind Kundgebungen angemeldet, ebenso wie in Bremen. Bereits in den vergangenen Tagen gab es viele Kundgebungen gegen Rechtsextremismus, oft mit deutlich mehr Teilnehmern als erwartet.
Scholz warnt: Demokratie jetzt verteidigen
Viel Zuspruch bekommen die Demonstrierenden aus der Politik - unter anderem von Kanzler Olaf Scholz. In seinem Videopodcast forderte Scholz alle Bürgerinnen und Bürger auf, die Demokratie jetzt zu verteidigen. "Ich sage es in aller Deutlichkeit und Härte: Rechtsextremisten greifen unsere Demokratie an. Sie wollen unseren Zusammenhalt zerstören." Deshalb seien nun "alle gefordert, klar und deutlich Stellung zu beziehen: Für Zusammenhalt, für Toleranz, für unser demokratisches Deutschland."
Von den in Potsdam unter Rechtsextremen diskutierten Vertreibungsplänen wären "Millionen von Menschen" betroffen. "Bei diesem Gedanken läuft es einem eiskalt den Rücken herunter", so Scholz. Dass sich Menschen nun fragten, ob sie in Deutschland noch eine Zukunft hätten, sei "fürchterlich". "Deshalb möchte ich Ihnen allen sagen: Sie gehören zu uns! Unser Land braucht Sie!", betonte der Kanzler.
Ausdrücklich begrüßte Scholz die Demonstrationen gegen rechts - er hatte selbst an einer Kundgebung in Potsdam teilgenommen. "Denn das, was wir gerade hier in unserem Land erleben, geht uns wirklich alle an - jede und jeden von uns." Wenn etwas in Deutschland "nie wieder Platz haben" dürfe, sei es "die völkische Rassenideologie der Nationalsozialisten", mahnte Scholz.