Auschwitz-Überlebende Lasker-Wallfisch erhält Nationalpreis
Auszeichnung für die Holocaust-Überlebende Lasker-Wallfisch: Bundespräsident Steinmeier überreichte ihr den Deutschen Nationalpreis. Dabei warnte er eindringlich vor dem wiederauflebenden Antisemitismus in Deutschland.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat der Auschwitz-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch den Deutschen Nationalpreis in Berlin verliehen. Mit an seiner Seite: der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler.
Steinmeier sagte zu Lasker-Wallfisch, dass der vom früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt zusammen mit Gleichgesinnten begründete Deutsche Nationalpreis Verdienste um Deutschland würdigen wolle. "Ihr Bemühen um Verständigung, vor allem mit jungen Deutschen, Ihr Eintreten gegen Antisemitismus, gegen Ausgrenzung und für Toleranz, ist so ein Verdienst. Wir danken Ihnen dafür."
Zeugnis über Verbrechen
Die deutsche Gesellschaft habe die Verbrechen der Nationalsozialisten viel zu lange verschwiegen und verdrängt, sagte Steinmeier. "Dieses Schweigen war - im wörtlichen Sinn - ein Totschweigen, die Vollendung eines mörderischen Werks. Es erfüllt mich bis heute mit Scham."
Lasker-Wallfisch habe sich über Jahrzehnte gegen dieses Schweigen und Verdrängen gestemmt. "Dass es schließlich gelang, das Totschweigen in diesem Land zu brechen, verdanken wir Menschen wie Ihnen. Wir verdanken es den Überlebenden, die Zeugnis ablegten, die sprachen und schrieben."
Kampf gegen Antisemitismus
Steinmeier sagte den Überlebenden des Holocausts ein entschiedenes Eintreten Deutschlands gegen Antisemitismus zu. "Mit dem wiederauflebenden Antisemitismus werden wir uns niemals abfinden", sagte er. Und weiter: "Wir werden ihn bekämpfen - in unserem Land ebenso wie als Europäer in Europa." Er sei überzeugt, dass die Bürger die Kraft dazu haben.
Auch Alt-Bundespräsident Horst Köhler betonte, die Gesellschaft dürfe dem wieder aufkeimenden Antisemitismus nicht tatenlos zusehen. Beide forderten, die Erinnerung an die Judenverfolgung wachzuhalten.
Zunahme antisemitischer Straftaten
Antisemitische Straftaten nahmen in den vergangenen Jahren in Deutschland konstant zu. Die Preisträgerin äußerte sich dazu fast resigniert. Der heutige, moderne, neue Antisemitismus sei leider noch immer der alte, sagte Lasker-Wallfisch. Sie hätte nie geglaubt, dass Antisemitismus in diesen Jahren wieder in Schlagzeilen stehe. "Im Kampf gegen Antisemitismus fühlt man sich wie eine Ameise, die den Mount Everest besteigen will - einfach machtlos", sagte die 94-Jährige vor mehreren Hundert Gästen der Preisverleihung.
Gespräche mit Schülern über Nazi-Zeit
Lasker-Wallfisch wurde im Jahr 1925 geboren. Zusammen mit ihrer Schwester Renate war sie von den Nazis in die Vernichtungslager Auschwitz und Bergen-Belsen gebracht worden. Dank ihrer Mitarbeit im Frauen-Orchester überlebten sie die Konzentrationslager.
Kurz nach Kriegsende emigrierte Lasker-Wallfisch nach Großbritannien und lebt dort bis heute. Seit 1994 spricht die Überlebende mit Schülern und Jugendlichen in Deutschland über die Gräuel der Nazi-Zeit und die Folgen von Antisemitismus.
Der Deutsche Nationalpreis ist mit 30.000 Euro dotiert. Außerdem erhielt "JUMU Deutschland" einen Förderpreis von 20.000 Euro - die Initiative aus Düsseldorf setzt sich für ein gutes Zusammenleben von Juden und Muslimen ein.