DeutschlandTrend

ARD-DeutschlandTrend Mehrheit hält Gauck für eine gute Wahl

Stand: 01.03.2012 22:26 Uhr

Das Image der Kanzlerin bleibt glänzend - ungeachtet heftiger politischer Niederlagen. Mehr noch: Merkels Popularität überträgt sich sogar auf die Union. Die FDP dagegen bleibt eine Drei-Prozent-Partei, der Gauck-Schachzug hat die Mehrheit der Deutschen nicht beeindruckt. Gauck selbst halten viele inzwischen für eine gute Wahl.

Von Jörg Schönenborn, WDR

Wenn die FDP gehofft haben sollte, dass für sie nach dem rigorosen Einsatz für den Kandidaten Joachim Gauck nun der politische Frühling ausbricht, hat sie sich gründlich verrechnet. Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler ist von diesem politischen Schachzug ziemlich unbeeindruckt.

In der Sonntagsfrage klebt die FDP weiterhin bei drei Prozent und für Parteichef Philipp Rösler haben sich die Zustimmungswerte nur minimal nach oben bewegt: von 18 auf 21 Prozent. Unter den 14 abgefragten Spitzenpolitikern bleibt er aber mit deutlichem Abstand letzter.

Abgewirtschaftete Koalition wird durchhalten

Nach dem Streit um den Kandidaten fürs Bundespräsidentenamt und der fehlenden Kanzlermehrheit bei der Griechenland-Abstimmung Anfang der Woche wirkt die Koalition zerstritten und zerrüttet. Ganze 22 Prozent der Befragten bezeichnen ihren Zustand noch als "gut". 75 Prozent hingegen sehen die Regierung in einer schlechten oder sehr schlechten Verfassung. Selbst unter den Unions-Anhängern teilen fast zwei Drittel dieses negative Urteil. Und trotzdem ist die große Mehrheit von 82 Prozent der Überzeugung, dass die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode halten wird. Für das Vertrauen in Politik und Parteien ist das eine dramatische Situation: Die Regierung, so der Eindruck der großen Mehrheit, hat abgewirtschaftet, muss aber noch anderthalb Jahre durchhalten.

Merkels Image bleibt glänzend

Geradezu phänomenal ist, wie wenig das - trotz zweier heftiger politischer Niederlagen in den vergangenen Wochen - das gute Image von Kanzlerin Angela Merkel beeinträchtigt. Immerhin 81 Prozent halten es für "vernünftig", dass sie in der Bundespräsidentenfrage nachgegeben hat. Und auch, wenn eine Mehrheit von 57 Prozent die Ansicht teilt, Merkel habe "ihre Regierungskoalition nicht mehr richtig im Griff", so war dieser Wert vor anderthalb Jahren zu Beginn der Griechenland-Krise mit 77 Prozent doch weitaus höher. Merkel scheint über den Niederungen des politischen Alltags zu schweben.

Und sie zieht die Unionsparteien mit nach oben. Zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode erreichen CDU/CSU in der Sonntagsfrage 37 Prozent. Diesen Wert hatten sie zuletzt im August 2009 ‑ vor der Bundestagswahl. SPD und Grüne hingegen, die die verspätete Nominierung von Gauck als ihren großen Triumph gefeiert hatten, verlieren jeweils einen Punkt. Die SPD steht nur noch bei 28 Prozent und die Grünen sind nun bei 14 Prozent. Unverändert erreicht die Linkspartei sieben Prozent, die Piraten gewinnen zum ersten Mal seit November wieder einen Punkt hinzu und stehen nun ebenfalls bei sieben Prozent.

Große Koalition ist populärstes Bündnis

Die Debatte über mögliche politische Bündnisse nach der Bundestagswahl ist längst eröffnet. Mit einer FDP, die sich bei gegenwärtig drei Prozent nicht von der Stelle bewegt, kann die Union als Partner nicht mehr rechnen. Auf der anderen Seite ist die rechnerische Mehrheit für SPD und Grüne dahin - seit die Piraten in den Umfragen oberhalb der Fünf-Prozent-Marke liegen. Wenn man von der großen Koalition absieht, gibt es nur ein Zwei-Fraktionenbündnis, das gegenwärtig eine stabile Mehrheit aufweisen kann: Union und Grüne. Seit mittlerweile einem Vierteljahr erreichen sie in allen DeutschlandTrends Werte von 50 Prozent oder mehr - das hat Schwarz-Gelb bei der vergangenen Bundestagswahl nicht auf die Waage gebracht. Aus Sicht der Befragten ist die große Koalition mit 53 Prozent Zustimmung übrigens das populärste Bündnis, gefolgt von Rot-Grün mit 44 und Schwarz-Grün mit 25 Prozent. Dahinter rangieren Schwarz-Gelb mit 23 und die Ampel mit 16 Prozent.

Gaucks Pluspunkt: Überparteilichkeit

Nach seinen mäßigen Umfragewerten zum Zeitpunkt der Nominierung hat der mutmaßliche künftige Bundespräsident Gauck ein wenig an Popularität gewonnen. Mittlerweile halten ihn 67 Prozent für eine "gute Wahl" für das Amt. Am Tag des Rücktritts von Christian Wulff waren es nur 43 Prozent gewesen. Und anders als viele das offenbar in Erinnerung haben, hatte es ja auch im Sommer 2010 in der breiten Öffentlichkeit keine klare Mehrheit für Gauck und gegen Wulff gegeben. Im Gegenteil: Im Juli 2010, nachdem Wulff gewählt worden war, erklärten im DeutschlandTrend nur ein Minderheit von 35 Prozent, "Gauck wäre der bessere Bundespräsident gewesen".

Was ihn jetzt deutlich populärer macht, ist seine Überparteilichkeit. 75 Prozent erklären, Gauck sei eine gute Wahl, "weil er keiner Partei angehört". Und 71 Prozent glauben, er werde den "Parteien in Berlin deutlich seine Meinung sagen".

Griechenland-Kurs überzeugt nicht

Beim Dauerthema Griechenland haben die meisten Deutschen längst den Überblick über die Details verloren. Um so spannender ist die Grundstimmung, die wir in dieser Woche gemessen haben. Da ist auf der einen Seite eine große Angst vor Wohlstandsverlust bei etwa Dreiviertel der Deutschen. So glauben 76 Prozent, dass die Griechenland-Hilfe für Steuererhöhungen sorgen wird und ebenfalls 76 Prozent rechnen wegen der Hilfe mit stärker steigenden Preisen. 71 Prozent sind überzeugt, dass ihre Altersversorgung geringer ausfallen wird.

Rund zwei Drittel der Befragten sind vom gegenwärtigen Kurs der Griechenland-Hilfe überhaupt nicht überzeugt. Sie glauben, dass das Land nicht gerettet werden kann und besser freiwillig den Weg heraus aus dem Euro ansteuern sollte. Völlig losgelöst davon scheint die generelle Einschätzung der Deutschen zum europäischen Einigungsprozess zu sein. Genau wie im vergangenen Herbst sind unverändert 58 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass die europäischen Länder "in den nächsten Jahren enger zusammenrücken und noch mehr gemeinsame Politik machen" sollten. Nur rund ein Drittel (36 Prozent) plädiert dafür, dass die Länder "wieder stärker allein handeln und weniger gemeinsame Politik machen".

Russland - keine "lupenreine" Demokratie

Bleibt noch - ganz anderes Thema - der Blick auf den kommenden Sonntag, den Wahltag in Russland. 84 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass das Ergebnis manipuliert sein wird. Nur elf Prozent rechnen mit einer fairen Wahl. Der fast schon feststehende Sieger Putin hatte weiter Vertrauen eingebüßt. Hatten Anfang Dezember vor der Parlamentswahl noch 18 Prozent großes oder sehr großes Vertrauen zu ihm, so ist dieser Wert nun auf sieben Prozent geschrumpft. 87 Prozent hingegen haben wenig oder gar kein Vertrauen in den künftigen Präsidenten eines Landes, das die allermeisten Deutschen nicht nur für keine "lupenreine", sondern für überhaupt keine funktionierende Demokratie halten.

Untersuchungsanlage DeutschlandTrend
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Fallzahl: 1004 Befragte
Erhebungszeitraum: 27. bis 28. Februar 2012
Fallzahl Fragen zu Russland: 500 Befragte am 27. Februar 2012
Fallzahl Fragen zu Griechenland: 504 Befragte am 28. Februar 2012
Fallzahl Sonntagsfrage: 1504 Befragte
Erhebungszeitraum: 27. bis 29. Februar 2012
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 5%, ** bei einem Anteilswert von 50%
Zusatzfragen "Ehrensold für Wulff" und "Streikverbot in Frankfurt am Main": 500 Befragte am 29. Februar
Fehlertoleranz: 1,9* bis 4,4** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 5%, ** bei einem Anteilswert von 50%