ARD-DeutschlandTrend Ein Minister im Sinkflug
Das Desaster um den "Euro Hawk" wirkt sich deutlich auf das Ansehen von Thomas de Maizière aus. Im ARD-DeutschlandTrend verliert der Minister massiv an Popularität. Am Kräfteverhältnis zwischen Koalition und Opposition ändert das aber wenig.
Das Wetter in Deutschland mag in diesem Frühjahr wechselhaft, meist zu kühl und zu nass gewesen sein - Angela Merkel und ihre Union erfreuen sich weiterhin an einem stabilen Frühsommerhoch. Die Drohnen-Affäre kann am Image der Kanzlerin nicht kratzen, ihre Popularitätswerte liegen auf Höchstniveau.
Und die Werte der Union in der Sonntagsfrage sind nun schon seit Anfang April nicht mehr unter 40 Prozent gefallen. Die Themen des Wahlkampfs scheinen fast ohne Einfluss auf das Kräfteverhältnis der Parteien. Zu dieser Stabilität gehört allerdings auch, dass eine Mehrheit für Schwarz-Gelb außer Sicht und für Rot-Grün in noch weiterer Ferne ist.
Gegenüber der Vorwoche verlieren CDU/CSU einen Punkt auf 41 Prozent, die SPD gewinnt im Gegenzug einen Punkt auf 27 Prozent. Die anderen Parteien sind stabil: Die Grünen mit 14 Prozent, die Linke mit 6 Prozent und die FDP mit 4 Prozent. Auch bei der AfD mit 3 Prozent gibt es keinerlei Bewegung. Die übrigen Parteien kommen zusammen auf 5 Prozent.
Absturz vom Spitzenrang
Das politische Thema der letzten Tage, die Affäre um die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" hat durchaus eingeschlagen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist seit drei Jahren einer der populärsten deutschen Politiker, fünf Mal hat er im DeutschlandTrend sogar den Spitzenrang belegt. Nun stürzt er innerhalb eines Monats von 56 Prozent Zustimmung auf nur noch 40 Prozent ab.
Die Bewertung seiner Arbeit ist eindeutig. 83 Prozent werten sein Verhalten entweder als "falsch" oder sind zumindest der Meinung "er habe keine gute Figur gemacht". Ganze elf Prozent geben an, dem Verteidigungsminister sei aus ihrer Sicht "nichts vorzuwerfen".
Zu einer demoskopischen Rücktrittsforderung führt das allerdings nicht. 61 Prozent urteilen, de Maizière möge weiterhin im Amt bleiben, nur 33 Prozent wollen, dass er den Stuhl räumt. Auch wenn die Kritiker im Lager der SPD etwas zahlreicher sind, selbst hier fordert mit 46 Prozent nur eine Minderheit den Rücktritt des Ministers.
Untypisch ist das übrigens nicht, jedenfalls nicht am Anfang einer Affäre. Egal ob bei Wulffs privatem Darlehen, Guttenbergs Doktorarbeit, Ulla Schmidts Dienstwagen-Affäre oder den Urlaubsflügen von Rudolf Scharping mit der Flugbereitschaft nach Mallorca, in allen Fällen war es anfangs allenfalls ein Drittel der Befragten, das persönliche Konsequenzen forderte.
Kanzlerin obenauf
Abgesehen von de Maizière haben Anfang Juni alle abgefragten Spitzenpolitiker an Popularität gewonnen. Angela Merkel führt mit weitem Abstand und 70 Prozent (+ 5) Zustimmung die Tabelle an, knapp gefolgt von Finanzminister Wolfgang Schäuble 67 Prozent (+ 7), NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit 55 Prozent (+ 1) und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier mit 53 Prozent (+ 4) und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ebenfalls 53 Prozent (+ 8). Weiter unten erzielt Guido Westerwelle mit 48 Prozent den höchsten Zustimmungswert seit fünf Jahren und Gregor Gysi mit 35 Prozent seinen besten je gemessenen Wert. Da scheint der Wahlkampf ein bisschen wie eine Höhensonne zu wirken.
Klare Haltung zu Kompetenzen
Die deutschen Wahlbürgerinnen und Wahlbürger haben eine sehr klare Vorstellung davon, was sie welcher Partei zutrauen. Wenn es um sichere und bezahlbare Energie geht, haben die Grünen die besten Kompetenzwerte. In der Familien- und Sozialpolitik gilt das für die SPD. Bei den Wahlkampfthemen Gesundheit und Steuern liegen Union und SPD gleichauf.
Auf dem wichtigsten und am Ende vielleicht wahlentscheidenden Feld aber hat die Union einen klaren Vorsprung. Wenn es darum geht, die Eurokrise in den Griff zu bekommen, für sichere Arbeitsplätze und eine funktionierende Wirtschaft und damit am Ende für die Sicherung des Wohlstands zu sorgen, dann blickt eine Mehrheit auf die Union und ihre Kanzlerin. So messen der CDU/CSU beim Thema Eurokrise 45 Prozent die höchste Kompetenz bei, der SPD - trotz ihres auf diesem Gebiet erfahrenen Spitzenkandidaten Peer Steinbrück - nur 14 Prozent.
Union etwas sozialer
Und zu allem Überfluss ist es der Union gelungen, ihren weiten Rückstand auf dem Feld der sozialen Gerechtigkeit wenigstens ein bisschen aufzuholen. Hier gilt für 38 Prozent (- 1 im Vergleich zu März) die SPD als kompetenteste Partei, die Union nur 22 Prozent. Sie hat aber immerhin in den letzten drei Monaten sieben Punkte wettgemacht.
Natürlich tragen dazu Forderungen der Kanzlerin nach einer Mietpreisbremse und nach höheren Rentenansprüchen für Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben, bei. Vor allem die letzte Forderung trifft auf breite Zustimmung: 56 Prozent der Befragten halten diesen Schritt für sinnvoll und fordern, dass er sofort umgesetzt wird. Weitere 35 Prozent halten ihn zwar für sinnvoll, aber auch für gegenwärtig nicht finanzierbar. Nur sieben Prozent lehnen den Vorschlag grundsätzlich ab.
Die Mütter-Renten scheinen in mehrfacher Hinsicht ein Symbol-Thema zu sein. Zum einen geht es da um Gerechtigkeit: Warum sollten Mütter schlechter gestellt sein, nur weil sie ihre Kinder etwas früher geboren haben? Zum anderen ist die Altersversorgung gegenwärtig eines der sensibelsten Themen für die Deutschen.
Die Sorge um den Wohlstand wächst
Denn trotz nach wie vor guter Wirtschaftslage und bester Noten für die Regierung macht der DeutschlandTrend auch klar: Die Eurokrise ist in eine neue Phase getreten. Die allererste Sorge gilt nicht mehr der Zukunft des Euro selbst, sondern seinem Wert, genauer dem Wert von Ersparnissen und Altersvorsorge - und damit dem eigenen Wohlstand. Und das ist eine Entwicklung der letzten Wochen.
Machten sich Anfang April nur 44 Prozent "Sorgen um meine Ersparnisse", so springt dieser Wert jetzt auf 61 Prozent. Anhaltend niedrige Zinsen, Inflationsraten, die das Vermögen ganz langsam auffressen, und immer wieder schlechte Nachrichten über die eigene Lebensversicherung tragen dazu bei. 76 Prozent der Befragten haben Sorge, dass "meine Altersversorgung geringer ausfallen wird". Und 46 Prozent der Menschen, die noch nicht in Rente sind, befürchten, "später ein mal von Altersarmut betroffen zu sein". 53 Prozent haben diese Sorge nicht.
SPD wartet auf die Dividende
Bemerkenswert bleibt, dass trotz dieser Sorge um die eigene Zukunft die SPD kaum an Boden gewinnen kann. Der Kanzlerkandidat liegt in der Direktwahlfrage weiterhin mit deutlichem Abstand hinter der Amtsinhaberin. Wenn man die Kanzlerin oder den Kanzler direkt wählen könnte, würden sich 57 Prozent (-2) für Angela Merkel entscheiden und 30 Prozent (+2) für Peer Steinbrück.
Fast das gesamte vergangene Jahr hindurch gab es in der Bundesrepublik zumindest einen Hauch von Wechselstimmung. Seit dem Jahreswechsel wünscht eine Mehrheit, dass die Union auch die nächste Bundesregierung führen möge: Aktuell sind das 47 Prozent, während sich 44 Prozent eine SPD-geführte Regierung wünschen.
Ist diese Wahl schon entschieden? Natürlich nicht. Erfahrungsgemäß trifft etwa die Hälfte der Wählerinnen und Wähler die letzte Entscheidung erst in der Phase unmittelbar vor der Wahl, also vermutlich erst Anfang September. Und auch der Blick ins Archiv ist ganz interessant: 2005 verlor die Union im Zeitraum von Anfang Juni bis zur Wahl im September 13 Punkte von 48 auf rund 35 Prozent. Die SPD legte im Gegenzug von 28 auf gut 34 Prozent zu. Aber Auslöser war ein SPD-Kanzler, der den Bundestag auflösen ließ. 2009 gibt es ein deutlich anderes Bild: Im gleichen Zeitraum verlor damals die Union nur etwa zwei Punkte von 36 auf knapp 34 Prozent - genau wie die SPD von 25 auf 23 Prozent.
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Dual Frame
(Relation Festnetz-/Mobilfunknummern 70:30)
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Fallzahl: 1003 Befragte
Zusatzfragen "Euro Hawk" und "Rücktritt de Maizière": 1503 Befragte
"Wechselstimmung" und "Regierungswechsel: jeweils rund 500 Befragte
Erhebungszeitraum: 03. bis 04. Juni 2013
Erhebungszeitraum "Euro Hawk" und "Rücktritt de Maizière": 03. bis 05. Juni 2013
Sonntagsfrage: 1503 Befragte
Erhebungszeitraum: 03. bis 05. Juni 2013
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
Fehlertoleranz bei 500 Befragten: 1,9* bis 4,4** Prozentpunkte
*bei einem Anteilswert von 5 Prozent **bei einem Anteilswert von 50 Prozent