ARD-DeutschlandTrend Warum Schwarz-Gelb so gut abschneidet
Noch nie in 16 Jahren ARD-DeutschlandTrend waren die Deutschen so zufrieden mit einer Bundesregierung wie jetzt - und das trotz Drohnenaffäre und Geheimdienstskandals. Warum das so ist? Ein Experiment liefert die Antwort.
Nein, leicht zu begreifen ist das wirklich nicht. Da stolpert die Bundesregierung in diesem Sommer nur so durch Krisen und Probleme, Schwarz-Gelb ist seit über drei Jahren das Synonym für Streit - aber im ARD-DeutschlandTrend eilen Regierung und Kanzlerin von Rekord zu Rekord. Auch diese Woche wieder: Noch nie in 16 Jahren DeutschlandTrend ist eine Bundesregierung so positiv bewertet worden. 52 Prozent sind mit ihrer Arbeit zufrieden - das ist Rekord. Und weil die FDP so gerade eben die Mandatsschwelle von fünf Prozent erreicht, kann sich Schwarz-Gelb zum ersten Mal seit dem November 2009 im DeutschlandTrend wieder über eine rechnerische Mehrheit freuen. Man kann es sich lebhaft vorstellen, so macht der Urlaub der Kanzlerin sicher Spaß.
Miserable Noten im Konkreten ...
Dabei führt der ARD-DeutschlandTrend bei genauer Betrachtung regelrecht in Parallelwelten. Im Konkreten bekommt die Bundesregierung miserable Noten. Beispiel Familienpolitik: 77 Prozent der Befragten wünschen sich, die Mittel für das Betreuungsgeld lieber für den Ausbau von Kitas und Krippen zu verwenden, nur 20 Prozent sind der Ansicht, das Betreuungsgeld sollte auch künftig gezahlt werden. Selbst bei den Unionsanhängern ist die Unterstützung mit 30 Prozent eher mäßig.
Beispiel Geheimdienstaffäre: Dass Angela Merkel von der flächendeckenden Überwachung in Deutschland tatsächlich erst durch die Medien erfahren hat, kann sich kaum jemand vorstellen. 19 Prozent halten Merkel in dieser Frage für glaubwürdig, 78 Prozent für nicht glaubwürdig.
Und auch die Drohnenaffäre hinterlässt Spuren. Verteidigungsminister de Maizière, der bis ins Frühjahr hinein zur Spitzengruppe der beliebtesten Politiker gehörte (im Mai 56 Prozent Zustimmung) stürzt weiter ab, aktuell auf nur noch 34 Prozent. Damit wird er schlechter bewertet als Gregor Gysi und Peer Steinbrück (je 35 Prozent) und rangiert nur knapp vor FDP-Spitzenkandidat Brüderle (32 Prozent).
... doch Schwarz-Gelb hat die Mehrheit
Die politische Stimmung ist aber von all diesen Ereignissen völlig unberührt. Sind die Probleme im Detail zu kompliziert? Oder sind es Probleme, für die die Wählerinnen und Wähler alle Parteien gleichermaßen für verantwortlich halten? Fest steht: Die Bundesregierung hat Rückenwind. In der Sonntagsfrage bleibt die Union stabil bei 42 Prozent. Das ist der Höchstwert dieser Legislaturperiode, den sie in den vergangenen Monaten allerdings mehrfach erreicht hat.
Die SPD gewinnt leicht auf 26 Prozent (+ 1) hinzu, im Gegenzug verlieren die Grünen auf 13 Prozent (- 1). Die Linkspartei ist stabil bei sieben Prozent. Die FDP legt auf fünf Prozent zu (+ 1), und die übrigen Parteien kommen zusammen auf sieben Prozent.
Zusammengenommen verfügen die Parteien der jetzigen Bundesregierung über 47, die der jetzigen Opposition über 46 Prozent. Klar, das ist nur eine rechnerische Mehrheit. 16 Prozent der Befragten erklären, sie hätten sich noch nicht entschieden. Und weitere 27 Prozent geben zwar eine Partei an, aber halten diese Entscheidung auch noch nicht für sicher.
Methodisches Experiment hilft weiter
Dennoch ist es höchst ungewöhnlich, dass die Bundesregierung für ihre Arbeit ausgerechnet mitten im Wahlkampf einen Höchstwert erzielt. Seit Start des DeutschlandTrends im Jahr 1997 fragen wir regelmäßig danach, wie die Arbeit der jeweiligen Bundesregierung bewertet wird. Nur zwei Mal in dieser Zeit überwogen die positiven Urteile die negativen. Im August 2000 erklärten sich 51 Prozent zufrieden mit der Arbeit der damaligen rot-grünen Regierung. Die hatte kurz zuvor den Atomausstieg beschlossen. Und jetzt, im August 2013, sind sogar 52 Prozent zufrieden.
Wem die Regierung dieses positive Urteil verdankt, macht ein kleines methodisches Experiment deutlich. Unterschiedlichen Teilnehmern haben wir diese Woche die gleiche Frage in drei verschiedenen Formulierungen gestellt. Als wir ganz allgemein nach der Bundesregierung fragten, betrug der Zufriedenheitswert 52 Prozent. Als wir nach der "Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel" fragten, waren es sogar 56 Prozent. Und als wir nach der "Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP gefragt haben", betrug der Wert nur magere 38 Prozent.
Das macht klar: Die Deutschen wollen eine Kanzlerin Angela Merkel, aber sie wollen nicht unbedingt Schwarz-Gelb. Aktuell fänden es 39 Prozent der Befragten gut, "wenn die FDP an der nächsten Bundesregierung beteiligt wäre". 2009, kurz vor der Wahl, lag der vergleichbare Wert bei 51 Prozent. Überhaupt gibt die Bewertung verschiedener denkbarer Regierungskoalitionen Rätsel auf. Keine einzige denkbare Koalition wird von einer Mehrheit positiv bewertet. 46 Prozent geben an, sie fänden Schwarz-Gelb "gut für das Land". 44 Prozent sagen das über eine Große Koalition und 41 Prozent über Rot-Grün. Wenn es um Parteienkonstellationen geht, sind keine klaren Prioritäten erkennbar.
"It's the economy, stupid!"
Trotzdem bleibt die Schlüsselfrage: Warum arbeitet diese Regierung aus Sicht der Bürger im Konkreten schlecht oder ist unglaubwürdig, bekommt aber im Allgemeinen gute Noten und sogar eine rechnerische Mehrheit? Der DeutschlandTrend gibt darauf sehr wohl eine Antwort. Sie liegt in der Bewertung der wirtschaftlichen Lage. 66 Prozent der Befragten schätzen sie als gut oder sehr gut ein, das ist ein ordentlicher Wert. Noch deutlich positiver wird aber die eigene wirtschaftliche Situation bewertet. 76 Prozent erklären die für gut oder sehr gut. Das ist ein historischer Wert, der bislang nur ein einziges Mal, im Januar 1998, gemessen wurde.
Klar, den Deutschen ist bewusst, dass diese Krise nicht vorbei ist. Viele sorgen sich um mögliche Armut im Alter oder den Verlust ihrer Spareinlagen, wenn der Euro in konkretere Gefahr gerät. Aber das ändert nichts am fast uneingeschränkten positiven Urteil über die Gegenwart: 76 Prozent wirtschaftlich zufriedene Bürger - die sind der Schlüssel für die Unterstützung, die die Kanzlerin und ihre Regierung bekommt. Wie hieß es doch seinerzeit bei Bill Clinton? "It's the economy, stupid!"
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl/ Dual Frame
(Relation Festnetz-/Mobilfunknummern 70:30)
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Fallzahl: 1003 Befragte
Fragen zu "wirtschaftlicher Lage" und
"Wechselstimmung": jeweils rund 500 Befragte
Erhebungszeitraum: 29. bis 30. Juli 2013
Sonntagsfrage: 1503 Befragte
Erhebungszeitraum: 29. bis 31. Juli 2013
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
Fehlertoleranz bei 500 Befragten: 1,9* bis 4,4** Prozentpunkte
*bei einem Anteilswert von 5 Prozent **bei einem Anteilswert von 50 Prozent