ARD-DeutschlandTrend Oktober 2007 Wo viel Licht ist, ist auch Schatten
Auch im Oktober gibt es für Kanzlerin Merkel und die Union gute Noten im ARD-DeutschlandTrend. Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Unzufriedenheit im Lande wächst. Und das könnte für die im Stimmungstief sitzende SPD die Rettung sein.
Vielleicht ist das ja die wichtigste unter vielen spannenden Erkenntnissen dieses DeutschlandTrends: 78 Prozent der Deutschen haben das Gefühl, dass der Aufschwung an ihnen persönlich vorbeigeht - dass sie vom Wachstum nichts abbekommen. Die Wirtschaft boomt, und die meisten merken nichts davon. Nur 21 Prozent haben das Gefühl, "ein Stück vom Kuchen" abzubekommen.
Merkel baut Vorsprung auf Beck aus
Da treten andere Zahlen unserer monatlichen Politik-Umfrage etwas in den Hintergrund. Etwa, dass die CDU/CSU mit 40 Prozent in der Sonntagsfrage so gut dasteht wie schon seit anderthalb Jahren nicht mehr. Oder dass die Bundeskanzlerin weiter auf einer Sympathiewelle schwimmt - vor allem im direkten Vergleich mit ihrem möglichen Herausforderer Kurt Beck. Wenn man den Bundeskanzler direkt wählen könnte, würden sich lediglich 19 Prozent für den Pfälzer entscheiden. 67 Prozent hingegen würden Angela Merkel wählen - so viele wie noch nie.
Wie passt das zusammen: Rekordwerte für die Kanzlerin und gleichzeitig breite Unzufriedenheit mit der eigenen persönlichen Situation? Der DeutschlandTrend Oktober taucht Angela Merkel zwar wieder einmal in helles, warmes Licht. Aber wo viel Licht ist, ist eben auch Schatten. Die Leistungsbilanz der Bundeskanzlerin ist unter dem Strich gut, aber ihre Arbeit wird von den Wählerinnen und Wählern viel differenzierter wahrgenommen, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Außen hui, Innen naja
Zunächst das Lob: 77 Prozent geben für die Arbeit der Kanzlerin die Gesamtnote "zufrieden" oder "sehr zufrieden". Das ist ein Spitzenwert, nur übertroffen von Joschka Fischer in guten Tagen und von Angela Merkel selbst, gleich zu Beginn ihrer Kanzlerschaft, als sie auch mal die 80-Prozent-Marke kratzte. Nichts macht Merkel erfolgreicher als die Außenpolitik. 81 Prozent loben, dass sie die Interessen unseres Landes in der Welt erfolgreich vertritt. Dicht gefolgt von ihrem Thema schlechthin, dem Klimaschutz. 76 Prozent finden ihren Kampf gegen die Erderwärmung überzeugend und glauben, dass sie damit weltweit etwas bewirkt hat. Und immerhin 68 Prozent rechnen es sogar ihr persönlich an, dass es in Deutschland wirtschaftlich bergauf geht.
Aber Merkel zeigt in den Augen der Wähler auch Schwächen: Weniger als die Hälfte (45 Prozent) glauben, dass sie für einen wirksamen Schutz gegen Kriminalität und Terror sorgt. 55 Prozent mahnen an, sie sage nicht klar genug, wo es in der Koalition lang gehen soll. Und mehr als zwei Drittel (68 Prozent) kritisieren, dass sich Merkel mehr um die Wirtschaft kümmert als um die Interessen der kleinen Leute. Und genau da schließt sich der Kreis. Nach dem Empfinden der meisten Bundesbürger geht es ungerecht zu in Deutschland, und die Politik, vor allem die Union, tut zu wenig dagegen.
Die Schwäche der Anderen
Dass CDU/CSU in der aktuellen Sonntagsfrage trotzdem mit 40 Prozent (+1) glänzen, hat eher mit den Schwächen der anderen Parteien zu tun. Die FDP ist auf 8 Prozent (-1) zurückgefallen. Und die SPD bleibt mit 27 Prozent im Kellergeschoss. Dass die Linke mit 11 Prozent (+1) und die Grünen mit 10 Prozent (-1) die Plätze getauscht haben, hat allenfalls statistische Bedeutung. Unter dem Strich hat das bürgerliche Lager mit 48 Prozent weiterhin keine auch halbwegs stabile Mehrheit gegenüber SPD, Grünen und Linken mit zusammen ebenfalls 48 Prozent.
Während die Kanzlerin als Person demoskopische Jubelstürme auslöst, ist für die Union als Partei bei 40 Prozent im Moment die Decke erreicht. Und diese Marke erreicht sie auch nur wegen einer schwächelnden FDP. Bei allem Respekt für die Wirtschaftskompetenz der Union ist sie eben nicht die Partei, die für sozialen Ausgleich, für mehr Gerechtigkeit sorgt. Die soziale Flanke ist nach zwei Regierungsjahren sogar noch schwächer geworden.
Großes Vertrauen in soziale Kompetenz der SPD
"Welcher Partei trauen Sie am ehesten zu, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen?", fragen wir regelmäßig. Gegen alle Unkenrufe liegt die SPD in dieser Frage unangefochten vorn, aktuell mit 40 Prozent und damit nur unwesentlich schlechter als vor der Bundestagswahl (damals 42 Prozent). Die Linkspartei spielt hier - ebenfalls allen anderslautenden Behauptungen zum Trotz - keine nennenswerte Rolle. Heute so wenig wie vor zwei Jahren. Ganze 10 Prozent halten sie für die Partei der sozialen Gerechtigkeit. Spannend ist es allein bei der Union. Sie ist von damals 28 Prozent auf nur noch 18 Prozent abgerutscht. Das mag zwischen den Wahlen nicht so schlimm sein - im Wahlkampf gerät man bei solchen Werten in Erklärungsnot.
Natürlich ist die vorherrschende Stellung der SPD auf diesem Feld nur ein schwacher Trost für die politische Schwindsucht, unter der sie leidet. Aber sie ist eben auch eine Basis, auf der man aufbauen kann. Verschiedene Sozialdemokraten haben das in den letzten Monaten mit verschiedenen Themen getan. Und der aktuelle DeutschlandTrend zeigt: Mit keinem Thema wird die SPD mehr Zustimmung erhalten als mit der Forderung nach längerer Zahlung des Arbeitslosengeldes I (ALG I).
"Wie könnte man in Deutschland für mehr Gerechtigkeit sorgen?", wollten wir wissen. Längere Zahlungen für die, die länger gearbeitet und deshalb mehr Beiträge geleistet haben, halten 85 Prozent (!) für einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit. Gefolgt von der Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns mit 71 Prozent und einer generellen Steuern- und Abgabensenkung mit 68 Prozent. Themen wie die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze (48 Prozent) oder die Vermögenssteuer (43 Prozent) spielen da eine untergeordnete Rolle.
Fazit: Mit dem Mindestlohn, vor allem aber mit dem ALG I sind zwei Themen von hoher symbolischer Bedeutung auf dem Markt. Egal, was ihre Umsetzung wirklich auslösen und bedeuten würde - es sind Projekte, aus denen eine Partei wie die SPD politisch Kapital schlagen kann.
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews
Fallzahl: 1000 Befragte
Sonntagsfrage: 1500 Befragte
Erhebungszeitraum: 01. bis 02. Oktober 2007
Sonntagsfrage: 01. bis 02. Oktober 2007
Fehlertoleranz: 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50%