ARD-DeutschlandTrend September 2007 Auf in den Wahlkampf!
Kanzlerin Angela Merkel erfreut sich weiterhin größter Beliebtheit – das ist ein Ergebnis des ARD-DeutschlandTrends. Doch die CDU in den Ländern kann von der Popularität der Parteichefin nicht profitieren. Nach den Landtagswahlen in Hessen und Hamburg muss die CDU wohl nach Koalitionspartnern Ausschau halten.
So richtig gemerkt hat man davon in den letzten Tagen noch nichts. Union und SPD kuscheln in Berlin weiter miteinander, es gibt nur hin und wieder unter dem Tisch einen Tritt vors Schienbein. Dabei stehen wir am Anfang eines langen Wahlkampfs: Die Hessen und Niedersachsen wählen im Januar neue Landtage, die Hamburger folgen im Februar. Dreimal müssen CDU-Länderchefs ihre Posten verteidigen. Und zweimal - in Hamburg und Hessen - stehen für die Union absolute Mehrheiten auf dem Spiel. Infratest dimap hat für die ARD-Tagesthemen die Wähler in allen drei Ländern gefragt. Ergebnis: Christian Wulff, Roland Koch und Ole von Beust haben gute Chancen weiterzuregieren, aber die CDU fällt hinter ihren Ergebnissen vom letzten Mal überall deutlich zurück. In Hessen und Hamburg muss sie sich wohl Koalitionspartner suchen.
Welche Koalition wird in Hamburg regieren?
Am spannendsten wird das in Hamburg. Hier liegt die CDU bei 42 Prozent, die SPD bei 32 Prozent und die Grünen (GAL) bei 13 Prozent. Die Linke würde mit sieben Prozent neu in die Bürgerschaft einziehen, während die FDP mit vier Prozent erneut zu scheitern droht. Rechnerisch hätte Rot-Rot-Grün zwar eine Mehrheit - SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann hat aber ein solches Bündnis ausgeschlossen. Deutliche Anbahnungsversuche waren hingegen in den letzten Wochen in Richtung Schwarz-Grün zu beobachten, und die Voraussetzungen wären zumindest aus Sicht der Union ideal: Gelb gibt es nicht, Rot-Rot-Grün könnte damit verhindert werden, und von Beust hat keine andere Chance, Bürgermeister zu bleiben. Das kann man den Anhängern sicher verkaufen. Allerdings fällt an der Umfrage Ungewöhnliches auf: Obwohl die CDU mit Abstand stärkste Partei ist, gibt es eine leichte Wechselstimmung: 43 Prozent der Befragten wollen lieber einen SPD-geführten Senat, 42 Prozent wie bisher eine CDU-Führung.
Auch in Hessen verliert die CDU
Auch in Hessen hat die CDU wenig Chancen, ihre absolute Mehrheit zu behaupten. In der Sonntagsfrage steht sie nur noch bei 42 Prozent - fast sieben Punkte weniger als bei der letzten Wahl. Die SPD erreicht 32 Prozent, Grüne 10 Prozent, FDP 8 Prozent. Die Linke steht gegenwärtig bei vier Prozent - sie muss also noch mächtig kämpfen, wenn Hessen tatsächlich das Flächenland im Westen sein soll, in dem sie die Fünf-Prozent-Hürde überspringt. Klar ist allerdings auch: Union und FDP hätten zur Zeit eine Mehrheit. Und das könnte sich nur bei einem deutlichen Erstarken der Linken ändern.
Schwarz-Gelb in Niedersachsen ungefährdet
Auch in Niedersachsen stehen der Union verglichen mit 2003 Einbußen bevor. Aber damals wie heute ist Schwarz-Gelb mit komfortabler Mehrheit ausgestattet. Die CDU kommt gegenwärtig auf 44 Prozent, die SPD auf 34 Prozent, Grüne auf neun Prozent und die FDP auf sieben Prozent. Die Linke ist mit drei Prozent weit von Parlamentssitzen entfernt.
Merkel ist beliebt – wenig Unterstützung für Beck
Klar, die Union hat Sorgen auf hohem Niveau. Aber interessant ist schon, dass von der Sonne, die gegenwärtig so hell über Bundeskanzlerin Angela Merkel strahlt, doch recht wenig Licht auf die Länderfürsten fällt. Im ARD-DeutschlandTrend eilt die Kanzlerin gegenwärtig von Rekord zu Rekord. Wenn die Deutschen den Kanzler oder die Kanzlerin direkt wählen könnten, würden 60 Prozent Merkel ihre Stimme geben. SPD-Chef Kurt Beck hingegen käme nur auf magere 19 Prozent. Schön für Merkel, soviel Zustimmung hatte sie noch nie. Nicht so schön für Beck, so wenig Unterstützung hatte er noch nie.
Wenig Bewegung bei der Sonntagsfrage
Aber auch bei den bundesweiten Zahlen fällt auf: Merkel schwebt über ihrer eigenen Partei, die zwar besser da steht als die anderen, aber selbst in der gegenwärtigen für sie wirklich idealen politischen Wetterlage nicht die gewünschten 40 Prozent erreicht, sondern nur bei 39 Prozent steht. Die SPD hängt bei 27 Prozent, so schlecht war sie in den letzten zwei Jahren sonst nicht. Und die drei Oppositionsparteien pendeln weiterhin zwischen neun und elf Prozent – diesmal bei knapper Führung der Grünen.
Dass sich in der Sonntagsfrage seit Monaten so wenig bewegt, hat sicher auch damit zu tun, dass die meisten politischen Themen in Berlin gegenwärtig nicht kontrovers zwischen den Parteien, sondern nicht selten kontrovers innerhalb der Parteien diskutiert werden.
Einigkeit und Zwiespalt bei der Pflege
Die Pflege ist ein gutes Beispiel. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt bekommt für ihren Vorschlag, analog zum Elternurlaub auch einen Pflegeurlaub einzuführen, viel Beifall. 61 Prozent finden richtig, dass sich pflegende Angehörige für sechs Monate beurlauben lassen können, ohne dass sie um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen. Nur 36 Prozent sind dagegen. Und diese breite Unterstützung gibt es quer durch alle politischen Lager. Kontroverser wird die Debatte, wenn es darum geht, wie in den nächsten Jahren die nötigen Milliarden für die Pflegekosten aufgebracht werden. 44 Prozent sind für höhere Beiträge, 43 Prozent für mehr finanzielle Eigenbeteiligung der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Erwartungsgemäß wollen die Anhänger auf dem linken Spektrum eher die Erhöhung der Versicherungsbeiträge, die im bürgerlichen Lager mehr Eigenverantwortung. Da gibt es also doch noch Unterschiede im Gesellschaftsbild.
Streit um Hartz IV geht weiter
Bleibt das Thema, mit dem zumindest die Linke ganz sicher in die kommenden Wahlkämpfe ziehen wird: Hartz IV. Wohl kaum ein politisches Projekt der letzten Jahre ist bei den Bürgern derart diskreditiert. Und wenn man mal von der Linken absieht, dann ist die Ablehnung ausgerechnet unter den Anhängern jener Partei am größten, die das Gesetz aus der Taufe gehoben hat: bei der SPD nämlich. Aber quer durch alle Lager gilt: Hartz IV hat das Image der "Stütze" nicht wie beabsichtigt verbessert, steht nicht für Hilfe und Wiedereingliederung, sondern ganz im Gegenteil für Ausgrenzung. Mit 41 Prozent ist denn auch eine relative Mehrheit der Ansicht, dass für die Betroffenen die alte Sozialhilfe besser war als Hartz IV. 38 Prozent sehen das umgekehrt. Beachtlich daran: Tatsächlich stehen sich finanziell gesehen viele Betroffene, gerade Familien, mit Hartz IV ja besser als mit der Sozialhilfe. Wahrnehmung und Wirklichkeit liegen hier also weit auseinander – viel Sprengstoff für die kommenden Wahlkämpfe.
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews
Fallzahl: 1000 Befragte
Sonntagsfrage: 1500 Befragte
Sonntagsfrage Länder: 1000 Befragte
Erhebungszeitraum: 03. bis 04. September 2007
Sonntagsfrage: 03. bis 05. September 2007
Sonntagsfrage Länder: 03. bis 05. September 2007
Fehlertoleranz: 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50%