Frage vom 22.03.2011 Welche Krisenszenarien gibt es für Deutschland?
Der Umgang der japanischen Behörden mit dem GAU steht in der Kritik. Wäre Deutschland besser auf einen Atomunfall vorbereitet? Im Umfeld von Atomkraftwerken gibt es regelmäßig Übungen, die sind aber eher selten wirklich realistisch.
Radio einschalten, Fenster und Türen schließen… das sind die ersten Empfehlungen in den Notfallbroschüren im Umkreis von Atomkraftwerken. Die „Rahmenempfehlung für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen“ kennt drei Zonen: einen inneren Kreis 1,5 km rund um das Kraftwerk, einen mittleren bis 10 Kilometer – für diesen Bereich sind maximal Evakuierungen vorgesehen – und die Außenzone von bis zu 25 km. Geregelt ist vor allem auch die Versorgung mit Jodtabletten. Die helfen aber nur gegen radioaktives Jod – und auch das nur begrenzt.
Die Organisation des Katastrophenschutzes
Zunächst ist der Betreiber für die Information und Warnung der Bevölkerung verantwortlich. Zuständig für alles Weitere sind die Länder – und deshalb ist der Katastrophenschutz auch nicht einheitlich geregelt. Es gibt aber trotzdem eine Strahlenschutzvorsorgebehörde beim Bundesumweltministerium. Die soll mit einheitlichen Empfehlungen sicher stellen, dass an alle Menschen gedacht wird – und nicht nur an die Bewohner eines Bundeslandes. Beim BMU gibt es auch Krisenstäbe, die entscheiden helfen sollen, was mit der Bevölkerung geschieht, was in dem „Katastrophen-Kraftwerk“ zu tun ist und wie die radioaktive Belastung so gering wie möglich gehalten werden kann.
Geheime Szenarien als Grundlage für Übungen
Atomunfälle werden in Deutschland im Umfeld jedes Atomkraftwerkes und über Ländergrenzen hinaus geübt. Im Schnitt alle vier Jahre. Aber: das sind weit überwiegend Stabs-Rahmenübungen. D.h.: da checken Top-Beamte die Einsatzpläne und die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit. Realistische Übungen an denen wirklich Hunderte von Helfern und Tausende von mutmaßlich betroffenen Menschen teilnehmen, die sind rare Ausnahmen. Die Katastrophenschützer vom THW, der Feuerwehr und der medizinischen Hilfsorganisationen üben davon unabhängig den Umgang mit Strahlenopfern.
Welche Szenarien überhaupt zu Grunde gelegt werden, das ist Geheimsache. Die Bundesregierung hat 2006 auf eine Anfrage von Abgeordneten der Grünen im Bundestag so geantwortet: „Die für kerntechnische Anlagen zu unterstellenden Szenarien wurden zwischen BMU, den atomrechtlichen Aufsicht- und Genehmigungsbehörden, den Innenbehörden des Bundes und der Länder, dem Bundesamt für Strahlenschutz, den Sicherheitsbehörden des Bundes sowie Sicherungsexperten abgestimmt und basieren auf den aktuellen Erkenntnissen. Diese 'Lastannahmen' werden nicht veröffentlicht, um den Schutz der Anlagen nicht zu gefährden. Sie sind Grundlage der Sicherungs- und Schutzmaßnahmen bei den kerntechnischen Anlagen.“
Kritiker sagen: die Szenarien sind alle zu langsam und zu kleinräumig gedacht. Im Ernstfall müssten sehr viel mehr Menschen sehr viel schneller evakuiert werden. Die wahren Folgen eines Atomunfalls seien sehr viel dramatischer und anhaltender als sich das in Übungen abbilden lässt.