Reaktionen auf Entlastungspaket "Hier ist man mit der Gießkanne unterwegs"
Für das geplante Entlastungspaket der Bundesregierung gibt es Lob, aber auch Kritik. Industrie und Sozialverbänden sind viele Maßnahmen zu unkonkret. Die Opposition kritisierte die Pläne als "enttäuschend".
Das angekündigte dritte Entlastungspaket der Bundesregierung stößt auf gemischte Reaktionen. Von Wirtschafts- und Sozialverbänden gab es Lob. Viele Beschlüsse wurden aber auch als zu wenig zielgenau kritisiert. Die Opposition bezeichnete das Paket als "enttäuschend".
Unionsfraktionsvize Jens Spahn sagte dem Nachrichtenportal t-online: "Das ist mehr ein Arbeitsprogramm für die Regierung als ein sofort wirkendes Entlastungspaket für die Bürger." Bei vielen wichtigen Punkten gebe es neben Überschriften nichts Konkretes.
Linke: Paket "vielfach enttäuschend"
Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken, bezeichnete das Paket als "vielfach enttäuschend". Deutschland sei damit nicht gut gerüstet für den Winter, sagte Bartsch t-online. "Die Pläne werden die Verarmungslawine, die im Winter über Deutschland rollen könnte, nicht verhindern."
AfD-Parteichef Tino Chrupalla kritisierte die geplanten Maßnahmen als "kostspielige Symptombekämpfung". Alle Entlastungsmaßnahmen seien nur kurzfristige Lösungen, solange die Ursachen der Preisexplosion nicht angegangen würden. "Statt staatlicher Umverteilung und planwirtschaftlichen Eingriffen braucht es gezielte Entlastung bei den Verbrauchssteuern auf Lebensmittel und Energie sowie die Abschaffung der CO2-Abgabe", so Chrupalla.
Wirtschaftsweise Grimm lobt Maßnahmen
Lob gab es dagegen von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm. Die Regierung trage mit den Maßnahmen der Tatsache Rechnung, dass die Belastungen durch die aktuelle Krise insbesondere aufgrund der hohen Energiekosten immens sein werden. "Das ist richtig so."
Zuschüsse bekämen nun "im wesentlichen Menschen, die die Härten besonders weniger selbst abfedern können", sagte Grimm. Die Maßnahmen am Strommarkt und zur Abfederung der besonderen Belastungen der Gaskunden bleiben nach Ansicht der Volkswirtin, die Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist, aber "noch unkonkret".
Ifo-Chef Fuest kritisiert "Gießkannen"-Prinzip
Ifo-Präsident Clemens Fuest sagte der "Bild"-Zeitung, das Paket habe Licht und Schatten. Die Regierung sei zwar erkennbar bemüht, Preise und damit Anreize zum Energiesparen wirken zu lassen. Die Unterstützungen seien aber zu wenig zielgenau, so der Ökonom. "Hier ist man teils mit der Gießkanne unterwegs." Die Entlastung bei den Strompreisen komme zudem auch Haushalten mit höheren Einkommen zu Gute, die die Strompreise selbst tragen könnten.
Eine Steuer- und Abgabenfreiheit für Zusatzzahlungen an Beschäftigte bezeichnete er als "nicht sinnvoll". Der Staat sollte die Lohnsetzung den Tarifpartnern überlassen.
DIW: "Katastrophales Signal" für Klimaschutz
Auch der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, kritisierte ein "Gießkannen-Prinzip". Die versprochenen 65 Milliarden Euro an Entlastungen seien zwar eine gute Größe, von der jedoch Besserverdiener den größten Teil erhalten würden. Alleine 70 Prozent der zehn Milliarden Euro an Entlastung bei der sogenannten kalten Steuer-Progression komme den oberen 30 Prozent zugute. "Es gibt zu viele vergessene Gruppen im Entlastungspaket", kritisierte Fratscher.
Zudem kritisierte Fratzscher das Aussetzen der Anpassung des CO2-Preises als "katastrophales Signal für den Klimaschutz". Die Bundesregierung müsse bei einem Entlastungspaket "die langfristige Transformation mitdenken". Dies fehle "völlig im Entlastungspaket". Ähnlich äußerten sich auch Umweltverbände wie der WWF.
Arbeitgeberpräsident fordert größeres Stromangebot
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulge bezeichnete die Ergebnisse in der Summe als enttäuschend. Es sei richtig, dass die Bundesregierung soziale Härten auffange. Eine der wesentlichen Ursachen für die Inflation - die Energiepolitik - werde jedoch nicht konsequent angepackt. "Diese Ampel-Regierung hat offensichtlich nicht den Mut zu einer neuen Energiepolitik", sagte Dulge.
"Die Ausweitung des Sozialstaates kann keine Antwort auf eine Kosten-Steigerung der Energiepreise auf dem Weltmarkt sein." Notwendig sei eine möglichst umfassende Verbreiterung des Stromangebotes, wozu auch die ehrliche Diskussion über eine Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken gehöre. "Eine Politik, die gerade einmal den Mut aufbringt, Poolheizungen abzustellen, aber bei der Kernenergie Tausende Gigawatt sausen lässt, überzeugt nicht", sagte Dulger.
Caritas: Soziale Folgen werden spürbar abgefedert
Der Deutsche Caritasverband lobte die Einigung der Ampelkoalition: "Die sozialen Folgen der politisch verursachten Gasknappheit werden spürbar abgefedert", erklärte der Verband in Berlin. Solidarität sei das Gebot der Stunde.
Genau hinsehen werde die Caritas indes bei der Strompreisbremse, die die Koalition für den Grundbedarf angekündigt hat. "Wie das gelingen soll, ist noch nicht überzeugend dargestellt", sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.
Dennoch brauche es noch zielgenauere Maßnahmen: "Wir können bei Grundsicherungsbeziehenden nicht bis zum 1. Januar auf erste Entlastungen warten. Es muss klar sein: Bei niemandem darf das Licht ausgehen oder die Heizung abgestellt werden", so Diakonie-Präsident Ulrich Lilie.
Diakonie: Entlastungspaket stellt richtige Weichen
Die Diakonie mahnte eine schnelle Umsetzung an. Die Regierung stelle "richtige und wichtige Weichen", erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie in Berlin. Das Papier leiste einen wichtigen Baustein für sozialen Frieden. Die Menschen erwarteten, dass die Beschlüsse nun zügig umgesetzt werden.
Der Diakonie-Präsident begrüßte insbesondere, dass nach der Einigung von SPD, Grünen und FDP diesmal auch Rentner und Studierende Einmalzahlungen erhalten und das Bürgergeld höher ausfallen soll als das derzeitige Hartz IV.
Paritätischer Wohlfahrtsverband fordert Nachbesserungen
Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagte indes eine anhaltende soziale Schieflage. "In diesem Entlastungspaket werden Fehler korrigiert, in dem nun auch Rentner und Studierende berücksichtigt werden", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. So sei die geplante Wohngeldreform zum 1. Januar ein "überfälliger Schritt".
Allerdings kritisierte Schneider, dass der Hartz-IV-Regelsatz erst zum Jahresbeginn auf voraussichtlich 500 Euro angehoben werden soll. Zudem sei die Erhöhung "nicht einmal ein Inflationsausgleich und deshalb überhaupt nicht akzeptabel". "Da werden wir Nachbesserungen einfordern müssen."
Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, nannte das Ergebnis hingegen "beeindruckend". Eine Explosion der Strompreise werde durch die Maßnahmen verhindert. Es fehle allerdings ein Gaspreisdeckel.
Gemischte Reaktionen der Gewerkschaften
Lob gab es auch von der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi: "Insgesamt ist der Maßnahmenkatalog geeignet, die Belastungen der Menschen und der Unternehmen tatsächlich spürbar zu verringern". Ver.di-Chef Frank Werneke bezeichnete das Entlastungspaket dagegen als "nur halben Schritt". Nötig sei insbesondere eine wirksame Preisbremse für Strom und Gas. Daran werde seine Gewerkschaft die Koalition messen", erklärte Werneke. Auch fehlten weitere direkte Zahlungen für Menschen mit mittleren und eher niedrigen Einkommen.