
Elektronische Patientenakte Technikprobleme und kostenpflichtige Hotlines
Die elektronische Patientenakte wird in Hamburg, Teilen Nordrhein-Westfalens und an rund 60 Standorten in Franken getestet. Schon wenige Wochen Pilotphase zeigen: An der technischen Umsetzung hapert es noch.
Marc Metzmacher scheint skeptisch: "Wenn das plötzlich 100.000 sind, frage ich mich, ob das dann überhaupt so funktioniert." Der 56-Jährige ist als Inhaber einer Hausarztpraxis einer von deutschlandweit rund 260 Teilnehmern, die den Einsatz der elektronischen Patientenakte (ePA) testen.
"Manche Praxisverwaltungssysteme haben noch Probleme, manche haben noch gar kein Update bekommen", fasst der Mediziner aus dem mittelfränkischen Gunzenhausen den Status Quo der Testteilnehmer zusammen. Er hat offensichtlich Zweifel daran, dass das System irgendwann bei allen Arztpraxen in Deutschland einmal funktionieren könnte.
Praxen müssen kostenpflichtige Hotline anrufen
"Die Aufwände, die wir in den Praxen haben - von technischen bis zu logistischen - die sind so groß. Das wird einfach nirgends gesehen", sagt Metzmacher im Gespräch mit dem BR über das "offensichtlich nicht ausgereifte System". Die technische Zuverlässigkeit des Systems unterscheide sich von Praxis zu Praxis, denn jede von ihnen habe unterschiedliche Schnittstellen zu lösen.
Bei Problemen geht es "über unterschiedliche Hotlines, wo immer die, die man gerade anruft, nicht zuständig ist". Zusätzlich seien diese Hotlines auch alle kostenpflichtig. Das heißt: Metzmacher und seine Arztkollegen zahlen Geld für ein System, das nicht funktioniere. "Dafür sind wir verpflichtet. Die Hersteller verdienen sich damit eine goldene Nase."
Ein weiterer Kritikpunkt: Die ePA sei zum aktuellen Zeitpunkt "nicht zuverlässig". Metzmacher schätzt, dass im Moment etwa zehn Prozent der Zugriffe, die funktionieren sollten, nicht funktionieren.
Forderung nach längerer Testphase
Neben technischen Hürden gab es bereits in den vergangenen Wochen immer wieder Kritik an der Dauer der ePA-Testphase, deren Ende derzeit für April geplant ist. Kassenärzte fordern weiter eine Verschiebung. Und auch Metzmacher schlägt vor, die Testversionen noch bis Ende des Jahres auf allen einzelnen Praxisverwaltungssystemen zu testen.
Wenn dann klar sei, dass es überall funktioniert, könne man die ePA ausweiten. "Und dann muss es auch eher langsam sein. Weil wenn plötzlich die Telematik von 240 Leistungserbringern auf 100.000 geht, dann ist die Gefahr groß, dass etwas passiert", befürchtet Metzmacher.
Notärzte haben keinen Zugriff
Grundsätzlich hält der Notfallmediziner die elektronische Patientenakte für eine gute Idee. Aber: "Die Problematik ist, dass man sehr viele Ziele, die man erreichen wollte, zurückgesteckt hat." Es sei jetzt eigentlich ein viel weniger ambitioniertes Produkt auf dem Markt - den Patienten würde aber immer noch verkauft werden, wie toll das sei, erklärt Metzmacher.
Als Beispiel nennt er die Notfallbehandlung: Da nutze man gar keine elektronische Patientenakte. Notärzte vor Ort hätten mangels technischer Voraussetzungen keinen Zugriff auf die ePA. Im Notfall habe man also nicht gleich die Unterlagen vor Ort, sagt Metzmacher.
Wenig Interesse von Patienten während der Testphase
Welche Rolle spielt die elektronische Patientenakte bei den Patienten selbst? In der gesamten Testphase sei Metzmacher nur ein einziges Mal darauf angesprochen worden. "Und das mit überzogenen Wünschen und Hoffnungen. Aber ansonsten ist die ePA bei uns kein relevantes Thema."
Das fehlende Interesse der Patienten führt der Hausarzt darauf zurück, dass die elektronische Patientenakte niemandem erklärt werde. "Und weil die ePA ins Volk gebracht wird, dass sie wunderbar toll wäre und alles lösen könnte. Aber das geht ja offensichtlich gar nicht."