Hochrangige Delegation reist nach Washington Europa hat viele Fragen an die USA
Die EU-Staaten sind verunsichert über das Ausmaß der US-Spionage in Europa. Kommende Woche soll deshalb eine Delegation in die USA reisen. Mit an Bord sind dann auch die Chefs von BND und Verfassungsschutz. Unter anderem ist ein Treffen mit der NSA geplant.
Die Berichte über die Ausspähung eines Telefons der deutschen Kanzlerin haben auch die Tagesordnung des zweitägigen EU-Gipfels durcheinandergewirbelt. Die in Brüssel anwesenden Staats- und Regierungschefs schwankten dabei zwischen Empörung und nicht zu deutlicher Kritik an den Vereinigten Staaten. Ausdrücklich nicht unterstützt wurde eine Aussetzung der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA - wie vom EU-Parlament vorgeschlagen. Auch vom EU-Parlament geforderte Aussetzen des SWIFT-Abkommens zur Übermittlung von Bankkundendaten an die USA wird es nicht geben.
Deutsche Geheimdienstchefs reisen nach Washington
Allerdings wird eine hochrangige Delegation aus Deutschland und anderen europäischen Staaten nach Washington reisen, um die Umstände der mutmaßlichen US-Lauschangriffe auf EU-Bürger und Regierungsmitglieder aufzuklären.
Der deutschen Abordnung sollen nach Angaben eines Regierungssprechers hochrangige Mitglieder des Bundeskanzleramts und der Sicherheitsdienste angehören - dazu zählen auch die Chefs des Bundesnachrichtendienstes BND und des Verfassungsschutzes. Geplant seien Gespräche im Präsidialamt und mit Vertretern des Geheimdienstes NSA. Dabei soll unter anderem auf die vollständige Beantwortung der Fragenkataloge zur NSA-Affäre gedrängt werden, die deutsche Ministerien bereits vor Monaten an die US-Behörden gesandt hatten. Nach Angaben des Sprechers soll die Delegation in der kommenden Woche abreisen.
Neun Abgeordnete aus dem EU-Parlamentsausschuss für bürgerliche Freiheiten soll zudem nach Angaben eines britischen EU-Parlamentariers "mögliche Rechtsmittel für EU-Bürger" infolge der angeblichen Überwachung ausloten. Unklar blieb allerdings, worin diese bestehen könnten.
Partnerschaft in "Vertrauen und Respekt"
Trotz der jüngsten Spionage-Vorwürfe gegen die USA bauen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union aber weiter auf ein gutes Verhältnis zu Washington. Das Wichtigste sei, nun in die Zukunft zu blicken, machte etwa Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite deutlich. "Die transatlantische Partnerschaft war und ist wichtig."
Deutschland und Frankreich - die im Mittelpunkt der jüngsten Spionageenthüllungen standen - wollen bis zum EU-Gipfel im Dezember einen Kooperationsrahmen der Geheimdienste der drei Staaten ausarbeiten, kündigte die Bundeskanzlerin an. Das Allerwichtigste sei jetzt, mit den Vereinigten Staaten eine Basis für die Zukunft zu finden. Dafür müsse etwas verändert werden - "und zwar gravierend". Europa und die USA seien Partner. "Diese Partnerschaft muss sich aber auf Vertrauen und Respekt aufbauen", forderte sie.
Madrid bestellt Botschafter ein
Inzwischen bestellte auch Spanien den Botschafter der USA im Land ein. "Wir haben keine Erkenntnisse, dass Spanien ausspioniert wurde", sagte Regierungschef Mariano Rajoy in Brüssel nach dem EU-Gipfel. Aber um zu den enthüllten Vorfällen Informationen zu erhalten, werde der US-Botschafter in Madrid einberufen. Zuvor hatten dies bereits Deutschland und Frankreich getan.
Kommunikation über diplomatisch Kanäle
Öffentliche Reaktionen auf die neuesten Vorwürfe gegen die NSA blieben bisher aus. US-Präsident Barack Obama nahm dazu überhaupt keine Stellung. Sein Sprecher Jay Carney versicherte, dass inzwischen via "die höchsten diplomatischen Kanäle" über die angebliche Spionage kommuniziert werde.