Abstimmung im Bundestag 515 Ja-Stimmen für EU-Reformvertrag
Der Bundestag hat dem EU-Reformvertrag von Lissabon mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit zugestimmt. Von den fünf Fraktionen hatte zuvor nur die Linkspartei angekündigt, mit Nein zu votieren. Am 23. Mai muss nun noch der Bundesrat den Vertrag billigen.
Der Bundestag hat mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit dem EU-Reformvertrag zugestimmt. Von 574 Abgeordneten votierten 515 für den Vertrag und 58 dagegen. Es gab eine Enthaltung. Um das Reformwerk anzunehmen, waren Ja-Stimmen von zwei Dritteln der Abgeordneten, also 408 Stimmen erforderlich. Von den fünf Fraktionen hatte zuvor nur die Linkspartei angekündigt, mit Nein zu stimmen.
Die Bestätigung durch den Bundesrat steht noch aus. Die Länderkammer wird sich am 23. Mai mit dem Reformvertrag befassen. Damit die Vereinbarung wie geplant zum 1. Januar 2009 in Kraft treten kann, müssen sie alle 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifizieren.
"Der Vertrag ist gut für Europa"
Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Vertrag als ein "fundamentales Bekenntnis" zu einem europäischen Wirtschafts- und Sozialmodell gewürdigt. Ab 2009 werde so eine neue und gute Grundlage für Europa geschaffen, sagte Merkel. Sie betonte: "Ich bin mir sicher, es ist eine Grundlage, die solide und von Bestand ist."
Die Kanzlerin verwies auf wichtige Neuregelungen des Vertrags, in den wesentliche Elemente der gescheiterten EU-Verfassung übernommen wurden. Dazu gehört neben der verlängerten Amtszeit des EU-Ratspräsidenten und dem "Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik" auch ein demokratischeres Abstimmungsverhältnis in den Räten. Zusätzlich erhalten die nationalen Parlamente mehr Rechte und die Abstimmung in der Justiz- und Sicherheitsstruktur soll verbessert werden. Zudem ist eine engere Zusammenarbeit in den "großen Zukunftsfragen" wie Umwelt- und Klimaschutz geplant. Merkels Fazit im Bundestag lautete: "Der neue Vertrag ist gut für Europa."
Beck betont Europas "soziale Dimension"
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck warnte davor, die "soziale Dimension Europas" zu vergessen. Europa fehle damit ein entscheidender Teil. Im Bundestag mahnte er, in Europa dürfe es keinen "Wettbewerb um die schnellere soziale Abwärtsspirale" geben. Vielmehr müsse der neue EU-Vertrag dazu genutzt werden, soziale Standards in allen Mitgliedsländern durchzusetzen.
Der Parteichef der Linkspartei, Lothar Bisky, forderte eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag. Derzeit sei es ein Vertrag der Regierenden und nicht der Bürger. Über das Ergebnis dürften die Bürger nicht entscheiden, sie dürften lediglich "die Zeche" bezahlen.
Zustimmung von Grünen und FDP
Der Grünen-Vorsitzende Jürgen Trittin lobte den Vertrag. Dieser werde die Europäische Union demokratischer und transparenter machen. Zugleich kritisierte Trittin die Europapolitik der schwarz-roten Bundesregierung. Die deutsche Regierung stelle sich immer wieder gegen europäische Beschlüsse, wenn deutsche Industrieinteressen betroffen seien.
Die FDP sieht den Reformvertrag als zweitbeste Lösung nach der gescheiterten EU-Verfassung. Der Parteivorsitzende Guido Westerwelle sagte, das jetzt Erreichte sei besser, als gar nichts zu Stande zu bringen. Ausdrücklich lobte er die Leistungen Merkels und des Außenministers Frank-Walter Steinmeier bei der Erarbeitung des Vertrags.
Mehr Macht für kleine Staaten
Laut dem EU-Reformvertrag kann jedes nationale Parlament - ob das deutsche mit mehr als 600 Abgeordneten oder das luxemburgische mit 60 - gegen EU-Vorgaben Einspruch erheben. Das stärkt die kleinen Staaten. Andererseits wird im Rat der Europäischen Union künftig nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit entschieden. Die ist erreicht, wenn mindestens 55 Prozent der Mitgliedsstaaten (derzeit 15) Ja gesagt haben, und die zustimmenden Minister mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Das stärkt die großen Mitgliedsländer - allerdings erst ab 2014.
Vertrag von Lissabon
Das Reformwerk heißt Vertrag von Lissabon, weil es im Dezember vergangenen Jahres in der portugiesischen Hauptstadt von den 27 EU-Staats- und Regierungschefs unterzeichnet worden ist. Die EU soll nun demokratischer werden und möglichst mit einer Stimme sprechen. Daher gibt es einen EU-Außenminister, der so aber nicht heißt, sondern sich "Hoher Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik" nennt.
Auch in Großbritannien, Schweden, Belgien, Spanien, Italien und Zypern stehen die Zustimmungen noch aus. Nach dem Nein der irischen Volksabstimmung ist aber vieles offen.