Fragen und Antworten Was tun bei Fluglärm?
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bleiben Nachtflüge am Frankfurter Flughafen verboten. Bundesweit einheitliche Regelungen gibt es aber in dieser Sache nicht. Doch welche Rechte haben Betroffene in puncto Lärmschutz? Und was müssen Flughafenbetreiber dafür tun. tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Gibt es eine einheitliche Regelung zum Schutz gegen Fluglärm?
Zwar ist der Flugverkehr nicht im Bundesemmissionsgesetz geregelt, dafür gibt es aber ein eigenes, bundesweit gültiges "Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm". Darin sind unter anderem die zulässigen Lärmpegel für die Lärmschutzbereiche rund um Flughäfen festgelegt. Hier finden sich Werte für verschiedene Schutzzonen: Für Schutzzone 1, den engeren und lautesten Bereich um den Flughafen, gilt für bestehende zivile Flugplätze ein zulässiger Dauerschallpegel von 65 dB(A). Für die Schutzzone 2, einen entfernteren Bereich, gilt ein Wert von 60 dB(A). In der Nachtschutzzone sind es 55dB(A).
Bei diesen Werten handelt es sich aber keineswegs um Grenzwerte, die nicht überschritten werden dürfen. Es sind vielmehr "Auslösewerte" für die Rechtsfolgen des Gesetzes. Wenn die Werte in der jeweiligen Schutzzone höher liegen, folgt daraus erstmal eine Verpflichtung für die Menschen, die in dieses Gebiet ziehen: Sie müssen an ihren Häusern selbst für passiven Lärmschutz sorgen, das heißt, sie brauchen beispielsweise eine Lärmschutzdämmung und schalldichtere Fenster. Wer bereits in der Zone 1 wohnt, dem erstattet der Flughafenbetreiber die Kosten dafür. Für die bereits ansässigen Bewohner der Zone 2 ändert sich nichts.
Eine weitere Regelung im Gesetz: In der Schutzzone 1 und der Nachtschutzzone dürfen grundsätzlich keine neuen Wohnungen errichtet werden. In allen Schutzzonen dürfen unter anderem keine neuen Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser entstehen.
Warum sind die Regelungen für die einzelnen Flughäfen so unterschiedlich?
Zahlreiche Entscheidungen rund um einen Flughafen, zum Beispiel Betriebszeiten (Nachtflugverbot) oder die Festlegung von Lärmschutzbereichen, trifft die so genannte Genehmigungsbehörde, das Verkehrsministerium des jeweiligen Bundeslandes. Dadurch sind die Regelungen sehr unterschiedlich. Außerdem hängen sie von der jeweiligen Funktion eines Flughafens ab.
Der Frankfurter Flughafen beispielsweise ist ein internationales Drehkreuz: Hier landen Zubringerflüge, die Passagiere werden gesammelt und starten dann ihre Interkontinentalflüge. Hier ist beispielsweise ein anderes Verkehrsaufkommen notwendig als an einem kleineren Flughafen. Am Flughafen Köln/Bonn und Leipzig sind verschiedene Transportunternehmen wie UPS und DHL ansässig. Hier ist beispielsweise Nachtflugbetrieb sehr wichtig, um Logistikketten gewährleisten zu können.
Was müssen die Flughafenbetreiber zum Lärmschutz beitragen?
Im Luftverkehrsgesetz ist das Ziel festgehalten, Flughäfen so zu bauen und zu betreiben, dass sie mit möglichst wenig Lärmbelastung einhergehen. Allerdings stehen dem andere Interessen, wie Sicherheit und Effizienz entgegen, die gegeneinander abgewogen werden müssen. In Deutschland fehlt ein Gesetz zum aktiven Lärmschutz, also dem Lärmschutz, der den Lärm an der Quelle mindert und nicht etwa - wie beim passiven Lärmschutz - erst beim Empfänger. Im bestehenden Fluglärmgesetz ist nur der passive Lärmschutz geregelt. Dies ist das gängigste und am schnellsten wirksame Mittel, Anwohner zu schützen.
Können die Anwohner von Flughäfen Entschädigungen für Lärmbelastung bekommen?
Die Erstattung von Kosten für Lärmschutzdämmung beispielsweise ist eine Form der finanziellen Entschädigung. Allerdings gilt die nur für den Innenbereich eines Hauses. Für den Außenwohnbereich, beispielsweise Balkone oder Terrassen, kann eine "angemessene Entschädigung (...) in Geld verlangt werden". So steht es im Fluglärmgesetz, § 9 Abs. 5. Einzelheiten dazu soll künftig eine Verordnung regeln, die das Bundesumweltministerium derzeit vorbereitet. Allerdings gelten die Entschädigungsansprüche nur für Bewohner der Zone 1 an Ausbauflughäfen, nicht der bereits bestehenden Flughäfen. In Deutschland betrifft das derzeit lediglich die Flughäfen Frankfurt und Berlin.
Wie könnte man den Fluglärm aktiv verringern?
Den meisten Lärm beim Flugverkehr verursachen Start und Landung. Beim Start sind es vor allem die Triebwerke, die sehr laut sind, weil sie vollen Schub geben. Die Triebwerke sind in den vergangenen 30 bis 40 Jahren bereits sehr viel leiser geworden. "Hier ist allerdings nicht mehr viel zu holen, denn die Triebwerke sind gleichzeitig immer größer geworden und das lässt sich ja nicht unbegrenzt steigern", sagt Jörn Lindmaier vom Umweltbundesamt im Gespräch mit tagesschau.de. Außerdem müsse man auch bedenken, dass die Triebwerke zudem möglichst wenig Treibstoff verbrauchen sollen. "Wenn man Triebwerke entwickelt, die das derzeit maximal Mögliche an Treibstoffeinsparung herausholen, sind diese wieder lauter. Man muss sich also für einen Mittelweg entscheiden."
Bei der Landung sorgen vor allem die Luftumströmungswirbel für Lärm, die beim Ausfahren der Landeklappen und des Fahrwerks entstehen. Wenn man also das Fahrwerk sehr spät ausfährt, erzeugt es weniger Lärm. Dieses Verfahren nennt man "low drag, low power".
Bei Start und Landung verursachen Flugzeuge am meisten Lärm.
Eine andere Möglichkeit, Lärm zu mindern, ist der Continuous Descent Approach (CDA). Dabei soll das Flugzeug im Anflug zum Flughafen mit möglichst wenig Triebwerkleistung fliegen, also quasi im Leerlauf. Das spart Treibstoff und ist leiser. Dieser optimale Sinkflug ist aber nur möglich, wenn sich nicht zu viele Flugzeuge im gleichen Luftraum bewegen.
Das sei vergleichbar mit dem Straßenverkehr, sagt Ute Otterbein von der Deutschen Flugsicherung (DFS). "Wenn ein Autofahrer im Leerlauf bis zu seinem Wohnhaus rollen will, ohne zwischendurch Gas geben zu müssen, funktioniert das nur, wenn keine anderen Autos auf der Straße sind und er freie Bahn hat." Bei Flughäfen mit hohem Verkehrsaufkommen ist das also kaum durchsetzbar. Deshalb wird dieses Verfahren vor allem in der Nachtzeit angewendet, zum Beispiel am Flughafen Köln.
Ebenfalls in der Diskussion ist eine stärkere Neigung des Anflugwinkels bei der Landung. Denn je flacher die Flugzeuge den Flughafen anfliegen, desto länger sind sie für Anwohner hörbar. Der derzeit vorgeschriebene Anflugwinkel liegt bei 3 Grad. In Frankfurt hat man ihn für die neue Landebahn gerade auf 3,2 Grad - also unwesentlich - angehoben. Eine Neigung von bis zu 5 oder 6 Grad wird bereits vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt erprobt und an einzelnen Flughäfen, zum Beispiel dem London City Airport bereits eingesetzt. Die internationale Zivilluftfahrtbehörde ICAO erlaubt dies jedoch für Flughäfen wie Frankfurt oder München nicht. Wie effizient dies für die Lärmminderung ist, ist allerdings umstritten.
Welche Auswirkungen hat Fluglärm auf die Gesundheit?
Fluglärm findet punktuell statt: Der Pegel steigt rasant an und wieder ab. Dies wird in der Regel als störender empfunden als ein gleich bleibender Lärmteppich. Generell wird die Belästigung durch Lärm von Menschen sehr unterschiedlich empfunden. Fakt ist, dass Lärm zur Ausschüttung von Stresshormonen führt. Wenn der Körper die nicht mehr richtig regulieren kann (negativer Stress), dann kann das zu gesundheitlichen Schäden führen.
Vor allem nachts hat dies zur Folge, dass die Menschen durch den Lärm aufwachen können, wodurch der für die körperliche Gesundheit wichtige Schlaf gestört wird. Das kann zu Bluthochdruck und Herzinfarkt führen. Tagsüber wirkt Fluglärm vor allem störend auf die Kommunikation und die Konzentration. Bei einer Dauerbelastung kann es hier zusätzlich zu den oben beschriebenen Risiken auch zu dauerhaften Konzentrationsstörungen kommen. In einer Studie im Umfeld des Flughafens London Heathrow wurden bei Grundschulkindern, die direkt in einer Einflugschneise wohnen, beispielsweise Lernverzögerungen beim Lesen festgestellt.
Es deutet außerdem vieles darauf hin, dass Fluglärm auch Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat. Er kann beispielsweise das Depressionsrisiko erhöhen. Eine Studie mit Anwohnern des Flughafens Köln/Bonn ergab, dass Belastung durch Fluglärm zu einem erhöhten Medikamentengebrauch führt. Außerdem gibt es deutliche Indizien für ein erhöhtes Krebsrisiko.
Die WHO empfiehlt in ihren "Night Noise Guidelines" (NNGL) für Nachtlärm einen Richtwert für Außenlärm von 40dB(A). Alles, was darüber liegt, kann zu Gesundheitsschäden führen. Ab 55 dB(A) sollte gehandelt werden, wegen eines deutlich erhöhten Risikos für Bluthochdruck und Herzinfarkt.