Leitlinien für feministische Politik "Eine Selbstverständlichkeit, keine Revolution"
Außenministerin Baerbock und Entwicklungsministerin Schulze haben dem Kabinett gemeinsam ihre Leitlinien für eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik vorgelegt. Sie sollen sich durch alle Bereiche ziehen, betonten sie.
Im Außen- und im Entwicklungsministerium gelten künftig Konzepte für eine Politik, mit der die Gleichberechtigung von Frauen gestärkt werden soll. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze stellten ihre Leitlinien gemeinsam im Bundeskabinett vor.
"Wir rufen nicht eine Revolution aus, sondern wir tun eine Selbstverständlichkeit", sagte Baerbock im Anschluss an die Sitzung. Es werde umgesetzt, was im Grundgesetz und der Erklärung der Menschenrechte stehe. Feministische Außen- und Entwicklungspolitik solle sich "künftig durch alle Bereiche" außenpolitischen Handelns ziehen, sagte Baerbock.
Sie sprach auch von einem "Realfeminismus". Es gehe um einen pragmatischen Ansatz. Wenn die Hälfte der Gesellschaft weltweit aus Frauen besteht, müssten sie auch berücksichtigt werden. Die Strategie solle auch nach innen wirken.
Schulze: Nicht auf Potenzial verzichten
"Wir wollen Gesellschaften gerechter machen. Und da kann man nicht auf die Hälfte des Potenzials, nämlich auf die Frauen, verzichten, sondern sie müssen mitgedacht werden", ergänzte Entwicklungsministerin Schulze.
Wenn Frauen selber entscheiden könnten, wann sie mit wem Kinder bekommen, bedeute dies, dass junge Mädchen die Schule abschließen könnten, sagte Schulze. Sie erhielten die Chance auf einen Arbeitsplatz, um für sich selbst zu sorgen.
Gleichstellung als Bedingung
Das Entwicklungsministerium hatte bereits am Morgen seine Eckpunkte vorgelegt. Das Konzept soll in der Zusammenarbeit mit den Partnerländern verankert werden. Bis 2025 sollen demnach über 90 Prozent der neu zugesagten Projektmittel des Entwicklungsministeriums in Vorhaben fließen, die die Gleichstellung voranbringen. 2021 waren es etwa 64 Prozent.
Mindestens 50 Prozent der Führungspositionen im Entwicklungsressort sollen mit Frauen besetzt werden. In internationalen Organisationen wie den UN, der Weltbank und der EU will das Ministerium die feministische Entwicklungspolitik auf die Tagesordnung setzen.
Kritik an den Konzepten kommt aus der Opposition von Union und Linksfraktion - aber auch aus den Reihen des Koalitionspartners FDP. Deren stellvertretender Parteichef Wolfgang Kubicki sagte dem digitalen Medienhaus "Table.Media": "Ich halte wenig vom Konzept der feministischen Außenpolitik, weil es weniger darauf abzielt, diplomatische Verbesserungen zu erwirken als auf die emotionale Befriedigung innenpolitischer Akteure."
"Konzepte schreiben sich leichter"
Der Außenexperte Jürgen Hardt von der CDU hielt Baerbock angesichts ihrer neuen Leitlinien zu zögerliches Verhalten gegenüber dem Iran vor. "Mit einer umgehenden und unmissverständlichen Positionierung an der Seite der protestierenden Frauen im Iran hätte die Bundesregierung zeigen können, was feministische Außenpolitik in der Praxis bedeutet", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Konzepte schreiben sich leichter, als tatsächlich Mut oder auch nur politisches Kapital aufzubringen, um Frauen tatkräftig zu unterstützen."
Linken-Chefin Janine Wissler sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, Waffenexporte nach Saudi-Arabien oder Flüssiggasgeschäfte mit Katar seien kein Ausdruck feministischer oder wertebasierter Außenpolitik. "Wer Waffen in Länder exportieren lässt, wo Frauen- und Menschenrechte mit Füßen getreten werden, kann diesem Anspruch nicht glaubhaft gerecht werden."