Nach Urteil zum Nachtragshaushalt Was kann jetzt noch finanziert werden?
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat im politischen Berlin Schockwellen ausgelöst: Der Ampel-Koalition fehlen von heute auf morgen 60 Milliarden Euro. Das wirkt sich auch auf zahlreiche Förderprogramme aus.
Als unmittelbare Reaktion auf das Karlsruher Urteil hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine Haushaltssperre für den konkret betroffenen Klima- und Transformationsfonds (kurz: KTF) verordnet. Ein Fonds, über den zahlreiche Förderprogramme laufen - für die Verbraucher, aber auch für die Wirtschaft. Viele sind verunsichert und fragen sich, was die Haushaltssperre bedeutet.
Der Grundsatz sei klar, antwortet Lindners Staatssekretär Florian Toncar: Die Haushaltssperre führe dazu, dass ab sofort keine neuen Förderzusagen für die Jahre ab 2024 gemacht werden können. Zunächst müsse einfach geklärt werden, wie die verschiedenen Aufgaben, die im KTF bislang vorgesehen sind, finanziert werden können.
Kindler: Lösung für Kommunen muss gefunden werden
Bislang sind im Wirtschaftsplan für den KTF für 2024 fast 58 Milliarden vorgesehen - von der Förderung für effiziente Gebäude über den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft bis zur Förderung der Elektromobilität. Nur ein Bereich ist von der Haushaltssperre ausgenommen: Der Bereich der energetischen Gebäudesanierung inklusive der Förderungen, die mit dem sogenannten "Heizungsgesetz" verbunden sind. Das betreffe Millionen Menschen, sagt FDP-Staatssekretär Toncar, und müsse Vorrang haben vor anderen Dingen.
Andere Programme zum Beispiel zum Ausbau der E-Mobilität bleiben zwar auf dem Papier stehen, neue Förderbescheide gibt es aber vorerst nicht. Das gilt ebenso für geplante Investitionen in die Bahn, in die Wasserstofftechnologie oder die kommunale Wärmeplanung. Ein Problem, gibt der grüne Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler zu, gerade für die Kommunen müsse schnell eine Lösung gefunden werden.
Politisch brisante Zusagen vor Überprüfung?
Auch politisch brisante Zusagen, so die angekündigte Unterstützung großer Chipkonzerne, stehen vorläufig auf wackeligen Beinen. So wirbt die grüne Umweltministerin Steffi Lemke im Bundestag bereits dafür, dass die zehn Milliarden Euro, die für die Ansiedlung einer Chipfabrik von Intel in Magdeburg geplant sind, trotz der Haushaltssperre weiter gültig bleiben. Dies sei von entscheidender Bedeutung für den Industriestandort Deutschland.
Rein formal gibt es bei den versprochenen Milliarden für Intel aber noch keine rechtliche Verpflichtung. Und das ist der entscheidende Faktor, wenn es juristisch um die Folgen einer Haushaltssperre geht. Nur Bewilligungen, die vor Gericht Bestand hätten, bleiben auf alle Fälle unangetastet. Über alles andere kann politisch neu entschieden werden.
Nervöse Stimmen aus der Wirtschaft
Das macht auch die Wirtschaft nervös. So fordert der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, von der Politik, schnellstmöglich die Finanzierung wichtiger energie- und klimapolitischer Vorhaben sicherzustellen, "insbesondere die Entlastung bei der EEG-Umlage sowie die versprochene Strompreiskompensation". Angesichts der hohen Energiekosten für die Unternehmen sei das dringender denn je.
Dass die neue Situation sowohl in der Wirtschaft als auch bei Verbrauchern für Verunsicherung sorgt, gesteht der CDU-Haushaltspolitiker Christian Haase ein. Die Ampel habe dem Klima- und Transformationsfonds einfach zu viel zugemutet. Jetzt müsse man grundsätzlich neu denken - "und die guten Förderprogramme möglicherweise aus dem Gesamthaushalt finanzieren".
Blicke richten sich auf Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Dabei richten sich die Blicke nach der Entscheidung in Karlsruhe inzwischen auch auf ein weiteres schuldenfinanziertes Sondervermögen des Bundes: den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Aus diesem Fonds werden derzeit insbesondere die Energiepreisbremsen bezahlt, die erst vor kurzem über das Jahresende hinaus verlängert wurden.
Auch hier ist an eine Haushaltssperre gedacht, sagen Haushaltspolitiker der Ampel wie Dennis Rohde. Der SPD-Politiker bittet zugleich um Verständnis, dass viele Fragen, wie es mit einzelnen Programmen weitergehen könnte, noch nicht beantwortet werden können: Man könne nicht einfach binnen 24 Stunden Verhandlungen über eine Neupriorisierung von Aufgaben führen - das brauche mehr Zeit, so Rohde.
Für das Klimageld sieht es düster aus
Das aber deutet schon an: Es könnte ein Hauen und Stechen um die verschiedenen Programme geben, die bislang aus dem Klima- und Transformationsfonds bezahlt werden sollen. Denn eine Lücke von 60 Milliarden Euro lässt sich nicht ohne Weiteres stopfen.
Für ein Projekt, das es bislang noch nicht einmal in den mittelfristigen Finanzplan des KTF geschafft hat, schaut es ganz besonders düster aus: Das Projekt Klimageld, mit dem die Ampel eigentlich einen sozialen Ausgleich für die CO2-Bepreisung schaffen wollte. Wo dafür Mittel herkommen sollten, heißt es in den Gängen des Bundestags, sei nun völlig unklar.