Gabriel kritisiert Schäuble "Zehn zu null für Frankreich"
Finanzminister Schäuble hatte einen eigenen Haushalt der Eurozone nach Vorstellungen des französischen Präsidenten Macron abgelehnt. Außenminister Gabriel kritisiert das und greift in einem Schreiben, das dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt, Schäuble massiv an.
Außenminister Sigmar Gabriel übt massive Kritik an Finanzminister Wolfgang Schäuble und dessen Vorstellungen zur Stabilisierung der Eurozone. In einem fünfseitigen Positionspapier, das dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt, stellt sich Gabriel hinter die Pläne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. "Wenn dies das Abschiedsgeschenk des scheidenden Finanzministers wäre, dann könnte man darüber hinweg sehen. Vermutlich ist es aber eine Ankündigung für die kommende Legislaturperiode."
"Wenig Bereitschaft im BMF"
Derzeit stehe es "im deutsch-französischen Verhältnis mit Blick auf die Zukunft der Europäischen Union zehn zu null für Frankreich", so Gabriel. Schäubles Ideen zeigten "in bedrückender Weise, wie wenig Bereitschaft im Bundesfinanzministerium" bestehe, "im deutschen Interesse in die Idee der europäischen Einigung insgesamt zu investieren und das bestehende Legitimationsdefizit für europäisches Handeln zu beseitigen".
Stattdessen habe das Finanzministerium "unabgestimmt in der noch amtierenden Bundesregierung Vorschläge zur europäischen Entwicklung im ECOFIN vorgelegt, die als klare Absage an ein neues Europa", wie es Macron vorschwebt, verstanden werden könnten. "Das sollte nicht unwidersprochen bleiben", so Gabriel.
Statt die französischen Vorschläge nun als "Chance für einen Neuanfang" zu nutzen, klängen die Vorschläge "nach noch härterer Gangart mit den europäischen Mitgliedsstaaten mit Blick auf Strukturreformen". Damit riskiere Deutschland "die weitere Erosion der Europäischen Union und den Rückzug weiterer Staaten aus der europäischen Zusammenarbeit", heißt es in Gabriels Papier.
Nicht vereinbar mit der derzeitigen EU-Vertragslage
Bundesfinanzminister Schäuble hält eine Übertragung von Kompetenzen auf einen europäischen Finanzminister für nicht vereinbar mit der derzeitigen EU-Vertragslage und lehnt einen eigenen Haushalt der Eurozone nach Macrons Vorstellungen ab.
Die Stärkung des ESM und der Ausbau zu einem Europäischen Währungsfonds seien zwar "ein richtiger Ansatz", schreibt Gabriel. "Die Ablehnung eines europäischen Finanz-Instrumentariums" - insbesondere eines Budgets - sei hingegen "falsch".
Diskussionsbedarf vorhanden
Vorschläge für ein Budget für die Eurozone und die Schaffung eines europäischen Finanzministers bedürften "mindestens einer Diskussion". Sie dürften nicht von vornherein von der Tagesordnung fallen. Außerdem verschweige das Bundesfinanzministerium, dass man eine Lösung für die Altschuldenproblematik bräuchte, so Gabriel.
Schäubles Vorschläge liefen Gefahr, als "typisch deutsch" wahrgenommen und kritisiert zu werden. "Gerade dieser Weg aber hat in den letzten Jahren zur politischen Isolierung Deutschlands beigetragen und auch zur Unwilligkeit vieler anderer EU-Mitgliedsstaaten, Deutschland bei der Bewältigung in der Flüchtlingskrise zu helfen."