Gedenken an Loveparade-Katastrophe "Duisburg hat alles verändert"
Zum 13. Mal jährt sich heute die Tragödie bei der Loveparade in Duisburg. Viele Fehler bei Planung und Durchführung haben zum tödlichen Ausgang geführt. Welche Lehren wurden daraus gezogen?
Die Katastrophe mag 13 Jahre zurückliegen, das Gedenken in Duisburg geht weiter. Jahr für Jahr, auch gestern Abend. Dutzende Grableuchten bilden das Datum der Loveparade-Katastrophe: 24. Juli 2010. Immer am Vorabend des Jahrestages organisiert der Verein "Bürger für Bürger" die "Nacht der 1000 Lichter". Es ist eine Einladung zum Innehalten an dem Ort, wo 21 Menschen gestorben und mehr als 650 verletzt worden sind.
"Die Loveparade wurde zum Totentanz", hieß es bei der Trauerfeier nach dem Unglück. Der Druck der Menschenmassen war unerträglich geworden an der Rampe, die gleichzeitig Ein- und Ausgang für das Loveparade-Gelände war. Vieles war schiefgegangen - an diesem 24. Juli, aber auch vorher bei der Planung.
Einschnitt für Organisation von Großveranstaltungen
Es ist eine Tragödie, aus der Lehren gezogen wurden, gezogen werden mussten. Jürgen Gerlach, Professor an der Bergischen Universität in Wuppertal, hat für den mittlerweile eingestellten Strafprozess am Landgericht Duisburg ein Gutachten von 3800 Seiten erstellt und Schlussfolgerungen veröffentlicht. Aus seiner Sicht, so schreibt er, hätte "nur eine Absage im Vorfeld der Veranstaltung Todesfälle und/oder Verletzungen verhindern können".
Die Katastrophe vor 13 Jahren markierte einen Einschnitt für alle, die solche Großveranstaltungen genehmigen oder organisieren. "Duisburg hat alles verändert", sagt Timm Zeiss im Gespräch mit dem WDR. "Es gab eine Zeit davor und eine Zeit danach."
Zeiss ist Geschäftsführer von "Rave The Planet". Die Techno-Parade in Berlin ist eine angemeldete Demonstration, an der in diesem und im vergangenen Jahr jeweils Hunderttausende Menschen teilnahmen. Zu den Machern gehört auch der DJ Dr. Motte, Initiator der ersten Loveparade.
Kreuze erinnern an die Opfer des Loveparade-Unglücks - 21 Menschen im Alter von 17 bis 38 Jahren starben, Hunderte wurden verletzt.
"Über manche Engstelle hätte man früher hinweggesehen"
Duisburg habe auf schreckliche Weise gezeigt, wie Probleme bei einer solchen Massenveranstaltung eskalieren können, so Organisator Zeiss. Nach seiner Einschätzung seien vorher "wesentlich höhere Risiken" eingegangen worden: "Über manche Engstelle hätte man früher hinweggesehen."
Jetzt nicht mehr. Bei "Rave The Planet" 2022 äußerte die Polizei gegen Ende der Veranstaltung Bedenken, dass Personen gegen Bauzäune gedrückt werden könnten. Die Musik wurde erst einmal abgestellt. Schließlich entschieden die Organisatoren, etwas früher als geplant Schluss zu machen.
Auch beim Festival Parookaville in Weeze am Niederrhein gingen die Veranstalter im vergangenen Jahr auf Nummer sicher. Bereits nach wenigen Liedern musste die Kölner Band Kasalla ihren Auftritt vorzeitig beenden. Der Andrang vor der Bühne war zum Sicherheitsrisiko geworden. Die Band schrieb später bei Instagram: "Sorry, Parookaville, dass wir abbrechen mussten, aber Sicherheit geht vor. Ihr wart einfach zu viele." Unmittelbar nach den Geschehnissen in Duisburg hatte beispielsweise das Verkehrsministerium von Mecklenburg-Vorpommern einer Technoparty in einem Tunnel die Genehmigung wieder entzogen.
Prozess ohne Verurteilungen eingestellt
Bei der Loveparade in Duisburg war es nicht eine einzelne Ursache, die am 24. Juli 2010 tödliche Folgen hatte. Viele Fehler kamen zusammen. Die juristische Aufarbeitung dauerte Jahre. Am Ende wurde der aufwendigste Prozess der Nachkriegsgeschichte ohne Verurteilungen eingestellt. Dennoch ist sich das Landgericht Duisburg sehr sicher, dass grundsätzlich klar ans Licht kam, was zur Katastrophe geführt hatte.
Der Befund: Das Party-Gelände am alten Güterbahnhof war ungeeignet. Zum ersten Mal hatte die Loveparade auf einem abgeschlossenen Areal stattgefunden. "Die Vereinzelungsanlagen und Schleusen waren nicht auf die erwartete Personenmenge ausgerichtet. Zäune führten zu zusätzlichen Engstellen", sagte Richter Mario Plein am letzten Verhandlungstag.
Von einem "kollektiven Versagen" bei der Durchführung war die Rede. Es gab auf dem Festivalgelände keine funktionierende Lautsprecher-Anlage für Durchsagen. Funk- und Handyverbindungen waren gestört. In Planung und Durchführung sammelte sich eine Kette von Fehlern an.
"Als wäre es gestern gewesen"
Was lässt sich daraus lernen? Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen hat 2022 ein umfangreiches Regelwerk mit Vorgaben, Standards und Empfehlungen für solche Großveranstaltungen erarbeitet. Auch Loveparade-Gutachter Jürgen Gerlach war daran beteiligt. Und doch - auch wenn es nach Binsenweisheit klingt: 100-prozentige Sicherheit kann es nicht geben, wenn so viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen.
Die Loveparade-Katastrophe hatte Folgen. Sie ist nicht vergessen. Auch im kommenden Jahr dürften in Duisburg wohl wieder Menschen am Jahrestag zu Gedenkfeiern zusammenkommen. Und in Genehmigungsbehörden und bei Veranstaltern behalten die schrecklichen Bilder ihre mahnende Wirkung.
Timm Zeiss von "Rave The Planet" in Berlin sagt, es finde kein Gespräch mit Stadt, Polizei oder Feuerwehr statt, ohne dass das Unglück von Duisburg mehrfach erwähnt werde: "Es ist völlig präsent - als wäre es gestern gewesen."