Infrastruktur Weniger Informationen ins Internet?
Wer deutsche Digital-, Strom- und Gasnetze sabotieren will, der kann schon auf legalem Weg viel erfahren. Der Verfassungsschutz mahnt Behörden und Wirtschaft zu mehr Vorsicht - anders als die Bundesnetzagentur.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) fordert einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge Unternehmen, Behörden und Industrieverbände dazu auf, weniger Informationen im Internet zu veröffentlichen. Aktuell seien dort zu viele Daten, Karten und Baupläne verfügbar, die Hinweise auf etwaige Anschlagsziele liefern. Die Zeitung stützt sich in ihrem Bericht auf einen ihr vorliegenden "Sicherheitshinweis für die Wirtschaft" der Behörde.
Ausländische Geheimdienste und andere mögliche Saboteure suchten Erkenntnissen des BfV zufolge das Internet systematisch nach Information über die deutschen Digital-, Strom- und Gasnetze ab.
Notfallpläne hätten im Internet nichts zu suchen
Veröffentlichungen, die frei im Internet abrufbar seien, böten häufig sehr detaillierte Informationen, heißt es dem Bericht zufolge in dem Hinweis. Dies gelte zum Beispiel für Präsentationen, die sich ursprünglich an Behörden und Marktteilnehmer richteten, aber auch für Kartenmaterial, das Standorte von Anlagen oder Trassenverläufe abbilde.
Auf diese Weise ließen sich "Schwachstellen und damit Ansatzpunkte identifizieren, um physische und cybergestützte Sabotagehandlungen durchzuführen", warnen die Verfassungsschützer dem Bericht zufolge. Schlimmer noch sei, dass Firmen auch detaillierte Handlungsanweisungen für Krisenfälle ins Internet stellten, wodurch Geheimdienste und Terrorgruppen die Möglichkeit erhielten, nach einem Anschlag auch die "Notfallabläufe zu unterbrechen oder zumindest zu stören".
Telekom will Informationsfluss bereits einschränken
Kritik gibt es in diesem Zusammenhang auch an den gesetzlichen Transparenzpflichten für Unternehmen, die angesichts des Ukraine-Kriegs und anderer neuer Bedrohungen komplett überdacht werden müssten. So will etwa die Deutsche Telekom einen Teil der verlangten Daten für den sogenannten Infrastrukturatlas - eine Art digitale Landkarte Deutschlands mit Informationen zum Breitbandausbau - nicht mehr liefern.
Zwischenfall bei der Bahn als Auslöser
Die zuständige Bundesnetzagentur wies die Kritik zurück und erklärte, das "Spannungsfeld" zwischen dem Informationsbedarf der Marktakteure und der Öffentlichkeit sowie dem notwendigen Geheimhaltungsbedarf werde regelmäßig geprüft und neu bewertet.
Hintergrund der Debatte ist nicht zuletzt der Anschlag auf zwei Glasfaserkabelschächte der Deutschen Bahn im Oktober, mit denen bislang unbekannte Täter den Zugverkehr in ganz Norddeutschland für Stunden weitgehend lahmgelegt hatten. Der Fall sorgte in Sicherheitskreisen vor allem deshalb für Aufregung, weil nicht nur ein Kabel in Berlin, sondern auch die Ersatzleitung im 500 Kilometer entfernten Herne durchtrennt worden war. Der oder die Täter mussten also über Insiderwissen verfügen.