Erste Beschlüsse Der November-Lockdown hält vor Gericht
Die Gesetzesgrundlage der Corona-Maßnahmen soll präzisiert werden. Doch die erste Woche der neuen Einschränkungen zeigt: Die Gerichte stützen die Beschränkungen.
Seit Beginn der Pandemie werden die Corona-Maßnahmen vor allem auf Landesebene festgesetzt. Das gilt auch für den sogenannten November-Lockdown. Aber: Bei den verschärften Maßnahmen im November haben sich Bund und Länder abgestimmt. Darum gibt es hier deutschlandweit eine große gemeinsame "Marschroute" - einzelne Unterschiede bestehen aber trotzdem.
Bürgerinnen und Bürger, die sich in ihren Rechten verletzt sehen, können gegen diese Vorschriften vorgehen. Meistens ist für solche Verfahren das oberste Verwaltungsgericht des jeweiligen Bundeslandes zuständig. Weil dabei in der Regel "die Uhr tickt", werden viele Entscheidungen im Eilverfahren getroffen. Die Gerichte prüfen jeweils, ob sie vorläufig eingreifen müssen, oder nicht.
Knackpunkt Verhältnismäßigkeit
Gerade, weil es schnell gehen muss, können die Gerichte dann aber einen Fall meist nur vorläufig begutachten und nicht endgültig entscheiden. Klar ist: Die Maßnahmen greifen in Grundrechte der Menschen ein. Das ist aber per se nichts Außergewöhnliches - das Grundgesetz erlaubt solche Eingriffe.
Voraussetzung ist jedoch, dass sie verhältnismäßig sind. Das bedeutet konkret: Sie müssen geeignet sein, ein legitimes Ziel zu erreichen, etwa dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung dienen. Die Maßnahmen dürfen aber auch nicht über das Ziel hinausschießen: Es darf also kein milderes Mittel geben, das genauso gut geeignet wäre. An diesem Punkt prüfen die Gerichte besonders intensiv: Sie betrachten etwa das gesamte Infektionsgeschehen, vergleichen verschiedene Maßnahmen miteinander und wägen ab, was Bürgerinnen und Bürger möglicherweise insgesamt hinnehmen müssen.
Bislang klare Linie der Gerichte
In den allermeisten Fällen haben die Gerichte dabei bislang die November-Maßnahmen bestätigt: So etwa der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim. Er hat den Eilantrag eines Mannes abgelehnt, der in Heidelberg ein Hotelzimmer gebucht hatte. Wegen der Corona-Verordnung muss er seinen Urlaub nun ausfallen lassen.
Der Mann habe Nachteile erlitten, weil er auf die Reise verzichten müsse und auch nicht umbuchen könne. Größeres Gewicht hätten in diesem Fall aber die "gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener". Auch mit Blick auf die Hoteliers, die potenzielle Kunden nicht aufnehmen dürften, teilte der VGH mit: Die Maßnahmen sei "mit Blick auf die (…) Umsatzkompensation voraussichtlich verhältnismäßig".
Der bayerische Verwaltungsgerichtshof in München hat Eilanträge gegen die Einschränkungen im Übernachtungsgewerbe und die vorübergehende Schließung von Gaststätten abgelehnt. Auch hier spielte für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eine große Rolle, dass die betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmer Ausgleichszahlungen für die Zeit der Schließung erhalten sollen. Außerdem sei die Maßnahme im Lichte der steigenden Corona-Infektionszahlen zu bewerten.
Tattoo-Studio scheitert vor Gericht
In Brandenburg ist der Betreiber eines Tattoo-Studios vor Gericht gescheitert. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg entschied, dass es "voraussichtlich rechtmäßig" sei, wenn er seiner Arbeit aktuell nicht nachgehen dürfe. Der Eingriff in seine Berufsfreiheit sei angesichts der drohenden Folgen der Pandemie gerechtfertigt. Sein Betrieb sei nicht mit Friseursalons vergleichbar, die ja geöffnet bleiben dürfen. Denn letztere dienten, anders als ein Tattoo-Studio, der Grundversorgung der Bevölkerung..
Das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht in Koblenz hat entschieden: Das Verbot, eine größere Baumesse abzuhalten, sei rechtmäßig. Der Antrag der Veranstalterin auf Eilrechtsschutz hatte keinen Erfolg. Die Schließungsanordnung "füge sich in das Gesamtkonzept (…) schlüssig ein". Das gelte, auch wenn großflächiger Verkauf im Einzelhandel gestattet sei.
Nach den Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte könnten die unterlegenen Betroffenen in einem nächsten Schritt noch Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht einreichen. So wie das auch in den vergangenen Monaten immer wieder der Fall war. Es ist also denkbar, dass sich schon bald auch Karlsruhe mit den neuen Einschränkungen beschäftigen wird.
Offene Frage: Parlamentsbeteiligung
Es gibt einen weiteren rechtlichen Punkt, den die Gerichte im Eilverfahren zunächst noch offengelassen haben: Die Corona-Verordnungen werden von den Landesregierungen, also von der Exekutive erlassen. Das bundesweit geltende Infektionsschutzgesetz ermächtigt sie auch dazu.
Aber: Wesentliche Fragen der Demokratie in Deutschland sind eigentlich ein Fall für die gewählten Volksvertreter, also für die Parlamentarier. Diese können (und sollen) solche Themen debattieren und dann Gesetze erlassen, die das Zusammenleben regeln sollen. Kritiker bezweifeln, dass die aktuelle Vorgehensweise diesem Prinzip gerecht wird. Die Gerichte haben in ihren Beschlüssen diese Problematik zumindest angesprochen, sich aber noch nicht abschließend dazu verhalten.