Generalbundesanwalt Anklage wegen Hamas-Waffendepots erhoben
Lange schien Deutschland für die Hamas nur ein Rückzugsraum zu sein. Das änderte sich nach dem Überfall auf Israel. Nun hat der Generalbundesanwalt vier Männer angeklagt, die offenbar Anschlagspläne hatten.
"Mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland" heißt der Vorwurf gegen die vier Männer juristisch. Hinter diesem Vorwurf sollen allerdings konkrete Handlungen stehen, die die deutschen Sicherheitsbehörden zu einem Umdenken über die Terrororganisation Hamas gebracht haben. Denn dass von der Hamas Anschläge in Deutschland geplant werden könnten, hielten Polizei und Verfassungsschutz lange Zeit nicht für denkbar. Deutschland schien für die Hamas nur ein Land zu sein, in dem Spenden geworben und Anhänger gefunden werden können. Diese Sichtweise hat sich nun geändert.
Waffen hätten aus eigens angelegten Erddepots geholt und dann Anschläge vorbereitet werden sollen. Mögliche Ziele hätten demnach die Botschaft Israels in Berlin, die US-Airbase Ramstein in Rheinland-Pfalz und das Tempelhofer Feld in Berlin sein können. Allerdings sieht die Bundesanwaltschaft diese Planungen noch in einem frühen Stadium und wertet sie juristisch als Betätigungen für die Hamas - und nicht als eigenständige Anschlagsvorbereitungen.
Mehr als 100 Seiten lang ist die Anklage, mit der Generalbundesanwalt Jens Rommel den vier Angeklagten ihre Terroraktivitäten zu beweisen versucht. Sie liegt SWR und ARD-Hauptstadtstudio vor. Rommel beschreibt darin nicht nur den jahrelangen Aufbau der terroristischen Strukturen der Hamas, er wirft den vier Männern auch Vorbereitungshandlungen für Anschläge in Deutschland vor.
Angeschuldigte schweigen
Die vier Angeschuldigten sitzen in Untersuchungshaft und schweigen seit ihrer Festnahme im Dezember 2023 zu den Vorwürfen. Allerdings bestätigen Zeugen aus dem Umfeld der Männer, was die Ermittler unter anderem aus der Auswertung von Mobiltelefonen und durch die Observation der Beschuldigten vermuten: Die Männer hätten Waffendepots der Hamas in Polen und Ungarn gesucht. Ziel sei es dann gewesen, diese Waffen nach Berlin zu bringen.
Das Waffendepot in Ungarn konnten die Ermittler finden und mehrere Schusswaffen sicherstellen. Das mögliche Depot in Polen haben weder die mutmaßlichen Terroristen noch die Ermittler gefunden.
Depot in Dänemark
Ein weiteres Depot der Hamas soll es bis 2019 in Dänemark gegeben haben, vermuten Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt. Einer der vier Angeschuldigten, Ibrahim El-R., soll dieses Depot damals gesucht, gefunden und aufgelöst haben. Wohin die Waffen gekommen sind, ist unklar. Eine frühere Freundin von El-R. berichtete dem BKA allerdings von einer Reise nach Dänemark und beschrieb auch den Ort, an dem die Ermittler das damalige Waffendepot vermuten.
Wenn das Kammergericht Berlin die Anklage des Generalbundesanwalts zulässt und das Hauptverfahren gegen die vier Männer eröffnet, steht dem Gericht wohl ein kleinteiliger Indizienprozess bevor. Aus Handydaten, Observationsergebnissen und Social-Media-Profilen leitet die Bundesanwaltschaft ihre Argumentation ab: Alle vier Männer sind wichtige Mitglieder einer Kampfeinheit der Hamas - einer unter ihnen sei sogar so wichtig, dass er die laufende Depotsuche abgebrochen habe, um als Sargträger ein Führungsmitglied der Hamas beerdigen zu können.
Kontrolle bei der Einreise aus Polen
Einmal hatte die Bundespolizei die Männer nach Recherchen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio bei der Einreise aus Polen kontrolliert, als sie kurz zuvor das Depot gesucht haben sollen. Den Beamten fiel verschmutze Kleidung und ein Spaten im Kofferraum auf. Auf Frage nach dem Reisegrund sagten die Männer, sie seien zum Tanken in Polen gewesen - und tankten dann unmittelbar im Anschluss an die Kontrolle.
Die Verteidiger der vier Männer haben sich auf Anfrage von SWR und ARD-Hauptstadtstudio bislang überwiegend nicht zu den erhobenen Vorwürfen geäußert. Der Bonner Strafverteidiger Mutlu Günal erklärte für seinen Mandanten, dieser weise die Anschuldigungen "mit Nachdruck" zurück, die "Behauptungen des Generalbundesanwalts" seien unwahr.
Die Bundesanwaltschaft wollte sich auf Anfrage nicht zum aktuellen Verfahrensstand äußern.