Streik bei der Bahn Vorbereitungen auf sechs Tage Stillstand
In der kommenden Nacht beginnt der sechstägige Lokführerstreik. Die Industrie warnt vor massiven Einschränkungen. Welche Züge noch fahren, zeigt ein Notfahrplan der Bahn.
Leergefegte Bahnhöfe, genervte Passagiere: Die Deutsche Bahn und ihre Fahrgäste bereiten sich auf den nächsten Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) vor. Für den Fernverkehr können Kundinnen und Kunden den Notfahrplan der Bahn inzwischen online einsehen, wie das Unternehmen mitteilte. Über die üblichen Fahrplanauskünfte im Internet wird dabei angezeigt, ob ein Zug fährt oder nicht.
Bei vorigen Streiks war lediglich rund jeder fünfte Fernzug unterwegs, alle anderen fielen aus. Auch im Regionalverkehr rechnet die Bahn für die nächsten Tage mit erheblichen Einschränkungen, die regional aber unterschiedlich stark ausfallen sollen.
Bisher längster Streik bei der Bahn
Rund sechs Tage lang will die GDL unter ihrem Chef Claus Weselsky weite Teile des Bahnverkehrs zum Erliegen bringen. Es ist der vierte und bisher längste Streik der Gewerkschaft. Im Güterverkehr soll es bereits am Dienstagabend um 18 Uhr losgehen, im Personenverkehr startet der Streik um 2 Uhr am Mittwochmorgen.
Bis Montagabend soll der Arbeitskampf andauern und damit erstmals im laufenden Tarifkonflikt ein komplettes Wochenende umfassen. Die Bahn rief die Gewerkschaft am Dienstagmorgen erneut dazu auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Es ist jetzt an der Zeit, zusammenzukommen, zu verhandeln, Kompromisse zu finden", sagte eine Sprecherin. "Wir sind bereit, zu jeder Zeit an jedem Ort zu Verhandlungen und zu Gesprächen zusammenzukommen."
Streitpunkt Absenkung der Wochenarbeitszeit
Neben finanziellen Forderungen dreht sich der Tarifstreit vor allem um das Thema Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter. Die GDL will diese von 38 auf 35 Stunden bei gleichbleibendem Gehalt reduzieren. Die Bahn hat bisher ein Wahlmodell angeboten, das eine Absenkung um eine Stunde bei vollem Lohn vorsieht. Wer sich dagegen entscheidet, erhält stattdessen 2,7 Prozent mehr Geld.
Gewerkschaftschef Weselsky sieht in der Offerte keine Grundlage für weitere Verhandlungen. Die Bahn sei nicht verhandlungsbereit, der Ausstand daher "rechtmäßig, verhältnismäßig und zulässig", sagte Weselsky.
Massive Auswirkungen auch auf die Industrie
Nicht nur für Fahrgäste, auch für die deutsche Industrie wird es erhebliche Einschränkungen geben. Vor allem Branchen mit hohem Schienengüter-Anteil müssen umdisponieren. "Der angekündigte sechstägige Bahnstreik belastet die Transportlogistik in Deutschland und Europa und damit auch Unternehmen der deutschen Automobilindustrie", teilte etwa der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit.
Ähnlich äußerte sich die Chemieindustrie, die ebenfalls viele Verkehre über die Schiene abwickelt. "Mit ihren Kunden und Logistikdienstleistern haben die Unternehmen umgehend flexible Lösungen entwickelt", hieß es vom Verband der Chemischen Industrie. "Diese können die Einschränkungen und Verzögerungen in der Bahnlogistik aber nur teilweise kompensieren."
Der Streik kommt die Wirtschaft teuer zu stehen: "Ein eintägiger bundesweiter Bahnstreik kostet etwa 100 Millionen Euro am Tag an Wirtschaftsleistung", sagte der Konjunkturchef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), Michael Grömling. Bei der nun angekündigten Streikdauer von sechs Tagen stiegen die Kosten nicht mehr linear, sondern multiplizierten sich teils. "Wir sind da schnell bei einer Milliarde Euro Schaden", sagte Grömling.
Connemann fordert strengere Regeln
Um solche Ausstände künftig zu verhindern, hat die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann eine Gesetzesverschärfung gefordert. "In kritischer Infrastruktur muss zuerst ein Schlichtungsverfahren abgeschlossen werden, bevor gestreikt wird", sagte die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), im Deutschlandfunk. Dies müsse künftig gesetzlich festgeschrieben werden.
Zweitens müsse es eine gesetzliche Verpflichtung für einen Notdienst und drittens einen Streikvorlauf geben. Ein Streik etwa um Feiertage herum müsse verhindert werden. Im Bahnstreik werde seit dem 24. November nicht mehr verhandelt, die GDL habe "Maß und Mitte" verloren, kritisierte Connemann. "Eindeutig liegt das Problem bei der GDL." GDL-Chef Weselsky nehme "sozusagen das ganze Land in Geiselhaft".
In anderen EU-Ländern gebe es längst schärfere gesetzliche Regelungen für Streiks in kritischer Infrastruktur, sagte Connemann. "Niemand will Streiks verbieten, in keinem Bereich. Aber bei Energieversorgung, Rettungsdiensten, Bahnen oder eben Flughäfen muss ein Streik das letzte Mittel sein." Die Politikerin verwies darauf, dass die GDL auch die europäischen Nachbarländer mittreffe und die ohnehin schlechte Konjunktur in Deutschland weiter abwürge. "Sechs der zehn europäischen Frachtkorridore verlaufen durch Deutschland. Das heißt, auch andere Länder werden in Mitleidenschaft gezogen", kritisierte sie.
Autovermieter verzeichnen hohe Nachfrage
Über den erneuten Ausstand freuen dürften sich Airlines, Autovermieter und Busbetreiber. Sie verzeichnen aktuell mehr Buchungen als sonst. "Aktuell beobachten wir für diese Woche bundesweit eine deutlich erhöhte Nachfrage", sagte ein Sprecher des börsennotierten Autovermieters Sixt der Nachrichtenagentur Reuters. Zu dessen Netzwerk in Deutschland zählen knapp 350 Stationen.
Europcar betonte, grundsätzlich noch viele freie Fahrzeuge zu haben. "Bis einschließlich Mittwoch könnte es allerdings knapp werden, da wir bereits zahlreiche Buchungen erhalten haben", sagte der Geschäftsführer der Europcar Mobility Group Germany, Tobias Zisik. Europcar verfügt über mehr als 300 Stationen in Deutschland.
Hohe Nachfrage bei Eurowings
Auch Lufthansa-Tochter Eurowings verzeichnet ein erhöhtes Buchungsaufkommen. Es seien "die höchsten Buchungseingänge seit mehr als vier Jahren", sagte ein Sprecher. "Dabei stellen wir eine sprunghaft steigende Nachfrage insbesondere auf innerdeutschen Strecken fest." An Flughäfen wie Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Köln/Bonn oder Stuttgart verfüge Eurowings aber noch über freie Kapazitäten.
Die Lufthansa meldet für den Streikzeitraum "einige zusätzliche Buchungen für ihre innerdeutschen Flugverbindungen und setzt auf verschiedenen Strecken größere Flugzeuge ein, um möglichst vielen Gästen eine Reisemöglichkeit zu bieten", wie ein Unternehmenssprecher sagte.
Das Unternehmen FlixBus, das mit FlixTrain auch einen direkten Bahn-Konkurrenten auf der Schiene hat, berichtete ähnliches. "Wir sehen wie meistens, wenn Wettbewerber bestreikt werden, eine deutlich gestiegene Nachfrage", betonte eine Sprecherin. "So hat sich auch dieses Mal die Nachfrage mehr als verdoppelt." Aktuell seien noch ausreichend Tickets verfügbar. "Sofern notwendig, planen wir in enger Zusammenarbeit mit unseren Buspartnern nach Möglichkeit zusätzliche Busse ein", hieß es.