Datenbank für NS-Raubkunst Kunstsammler scheitert mit Löschungsklage vor BGH
Ein Kunstsammler wollte den Eintrag eines seiner Gemälde in einer Datenbank für NS-Raubkunst löschen lassen. Er klagte sich durch die Instanzen bis vor den Bundesgerichtshof - ohne Erfolg.
Das bewegte Meer vor Kalabrien ist auf dem Gemälde "Kalabrische Küste" zu sehen. Und genauso bewegt ist die Geschichte des Bildes. Der jüdische Kunsthändler Max Stern verkaufte das Bild 1937 - kurz bevor er seine Galerie in Düsseldorf aufgeben musste und noch rechtzeitig vor der Verfolgung durch die Nazis nach Kanada fliehen konnte.
Heute verwaltet ein kanadischer Trust den Nachlass von Max Stern. Der musste das Bild "Kalabrische Küste" verfolgungsbedingt - also unter Zwang - verkaufen, so der Trust. Deshalb wird das Gemälde des Künstlers Andreas Achenbach aus dem 19. Jahrhundert seit 2016 in einer Datenbank für NS-Raubkunst gelistet.
1999 ersteigerte ein Kunstsammler aus Baden-Baden die "Kalabrische Küste" in London. Er möchte, dass das Bild aus der "Lost Art-Datenbank" gelöscht wird und klagte gegen die Listung. Mit der Eintragung in die Datenbank wird dem Bild "ein Makel angeheftet", infolgedessen es praktisch unverkäuflich sei, sagte Rechtsanwalt Dr. Wendt Nassall, der den Sammler vor dem Bundesgerichtshof (BGH) vertreten hat.
Viele Kunstwerke aus der NS-Zeit in Privatbesitz
Viele Tausend Kunstwerke wurden in der NS-Zeit ihren jüdischen Eigentümern geraubt oder mussten von ihnen unter Zwang verkauft werden. Viele von diesen Kunstwerken sind heute noch in Deutschland in Privatbesitz.
Ansprüche auf Rückgabe sind jedoch regelmäßig verjährt. Und private Eigentümer sind auch nicht an die sogenannten Washingtoner Prinzipien gebunden. Diese wollen für die NS-Opfer oder ihre Erben eine gerechte und faire Lösung finden. Öffentliche Museen müssen deshalb die Herkunft von NS-Raubkunst klären. Bei Privatsammlern gibt es nur Prüfpflichten, wenn sie ein Werk verkaufen wollen.
"Lost Art-Datenbank" soll faire Lösungen ermöglichen
Hilfe für die Erben der NS-Opfer bietet die "Lost Art-Datenbank". Diese Datenbank wird von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste mit Sitz in Magdeburg betrieben. Hier werden Kunstwerke gelistet, bei denen die plausible Vermutung besteht, dass sie den meist jüdischen Eigentümern in der NS-Zeit entzogen wurden. Um die 180.000 Kunstwerke enthält die Datenbank.
"Die 'Lost Art-Datenbank' will heutige Besitzer von Kunstwerken und frühere Eigentümer oder deren Nachfahren zusammenbringen", erklärt Professor Gilbert Lupfer, Vorstand des Zentrums Kulturgutverluste. "Die 'Lost Art-Datenbank' geht auf die Washingtoner Prinzipien von 1998 zurück. Dort haben sich eine ganze Reihe von Ländern unter anderem die Bundesrepublik verpflichtet, die Suche nach dem sogenannten NS-Raubgut zu intensivieren und dafür auch Datenbanken zur Verfügung zu stellen."
Datenbank nennt historische Fakten
Der Sammler habe keinen Anspruch gegen den Trust, der den Nachlass von Max Stern verwaltet. So das heutige Urteil des BGH. Sein Eigentum sei nicht beeinträchtigt. Weder die Suchmeldung in der Datenbank noch die Interpol-Fahndung nach dem Bild seien eine Eigentumsanmaßung durch den Trust, so die Vorsitzende des Fünften Zivilsenats Dr. Bettina Brückner. Der Eintrag in der Datenbank sage nur aus, dass Max Stern in der NS-Zeit Eigentümer des Bildes war. Außerdem, dass er als Jude verfolgt wurde, als er das Bild verkaufte. Die Datenbank mache keine Aussage darüber, wem das Bild heute rechtmäßig gehöre.
Nur falsche Aussagen in der Datenbank könnten zu Ansprüchen des heutigen Eigentümers auf Löschung führen. Der Trust habe aber über das Gemälde "wahre Tatsachenbehauptungen" gemacht, sagte Richterin Bettina Brückner. Der frühere Besitzer Max Stern sei als früherer Eigentümer anzusehen. "Seine individuelle NS-Verfolgung ist offensichtlich und werde von dem klagenden Sammler auch nicht in Frage gestellt", sagte die BGH-Richterin bei der Urteilsverkündung.
Wegen der historischen Umstände des Verkaufs im Jahr 1937 werden auf der Grundlage des Kulturgutschutzgesetzes vermutet, dass ihm das Gemälde NS-verfolgungsbedingt entzogen wurde. Es gebe bislang keinen Nachweis dafür, dass der Verkauf des Bildes nicht unter dem Druck der Verfolgung stattgefunden hat.
Das Interesse an der Geschichte des Bildes überwiegt
Der BGH sagt: Die "Lost Art-Datenbank" mache nur öffentlich, was man bisher über den Verkauf des Bildes in der NS-Zeit wisse. Das Bild sei zwar wegen des Eintrags in die Datenbank praktisch nicht mehr verkäuflich. Der jetzige Eigentümer müsse die Verbreitung nachteiliger Tatsachen aber hinnehmen, weil es sich um "wahre Tatsachen" über die NS-Geschichte handelt. Das Interesse der Nachfahren von NS-Opfern und der Öffentlichkeit genau zu wissen, ob ein Kunstwerk verfolgungsbedingt entzogen wurde, überwiegen hier mögliche Verkaufsinteressen, so das oberste deutsche Zivilgericht.
Mit seinem Urteil stärkt der Bundesgerichtshof die Rechte von Nachfahren von NS-Opfern bei der Suche nach NS-Raubkunst. Ausdrücklich nicht entschieden hat der BGH aber, ob Privatsammler möglicherweise Löschungsansprüche gegen die "Lost Art-Datenbank" selbst haben. Verklagt war nämlich nur der Trust von Max Stern in Kanada und nicht die Datenbank der Stiftung Kulturgutverluste in Magdeburg.
Aktenzeichen: V ZR 112/22