Brandanschlag auf Flüchtlingsheim Mordprozess nach drei Jahrzehnten
Vor mehr als 30 Jahren starb Samuel Yeboah bei einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Saarlouis. Auch wegen Fehlern bei den Ermittlungen blieb der Fall so lange unaufgeklärt. Nun beginnt das Verfahren.
Die Handschrift der Tat - ein mit Benzin gelegtes Feuer in einer Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis am 19. September 1991, einen Tag nach Beginn der rassistischen Ausschreitungen im sächsischen Hoyerswerda. Für ihn sei ein rechtsextremer Hintergrund von Anfang klar gewesen, sagt der saarländische Aktivist Roland Röder von der Aktion 3. Welt Saar im SR-Gespräch.
Er erinnert deshalb seit 30 Jahren mit Demos und Plakaten an den Anschlag. "Wir wollten uns nicht damit zufrieden geben, dass diese Tat immer wieder vertuscht wird, dass jahrelang überhaupt nicht von Mord die Rede war, von offizieller Seite."
Ein Facebook-Post brachte die Wende
Polizei und Staatsanwaltschaft im Saarland hatten die Akten schon nach knapp einem Jahr geschlossen. Die Angehörigen des 27 Jahre alten Opfers und die 20 Bewohner, die gerettet werden konnten, blieben jahrzehntelang im Ungewissen. Erst ein Post auf Facebook über den Fall als "cold case" bringt 2019 die Wende.
Eine Saarländerin meldet sich bei der Polizei und gibt an, ein Bekannter habe ihr auf einem Grillfest gestanden, das Feuer gelegt zu haben. Der Bekannte ist der 51-jährige Peter S. aus Saarlouis, angeblich ein ehemaliger Skinhead.
Diesmal wird umfassend ermittelt - wegen des rechtsradikalen Hintergrunds schon bald unter Federführung der Bundesanwaltschaft. Im Januar 2021 werden Wohnung und Arbeitsplatz von S. durchsucht, Anfang April dieses Jahres wird er festgenommen, seither sitzt er in Untersuchungshaft. Kurz nach der Festnahme entschuldigt sich der saarländische Polizei Norbert Rupp für Fehler, die vor 30 Jahren gemacht worden seien.
Röder erinnert seit 30 Jahren an den Anschlag von Saarlouis.
Angeklagter bestreitet die Vorwürfe
Peter S. bestreitet die Vorwürfe. Sein Verteidiger Guido Britz sagt über ihn: "Dass er eine schwierige Person war, er eine schwierige Kindheit mit entsprechenden Nachteilen hatte, ist klar. Ob er jetzt rechtsradikal war, das wird man klären müssen, aber selbst wenn diese Frage in irgendeiner Form beantwortbar ist, ist da nicht unmittelbar ableitbar, dass er für den Brand verantwortlich wäre." Britz bezweifelt, dass es überhaupt eine rechtsradikale Szene in Saarlouis gegeben habe.
Röder kontert: "Es war an der Kleidung zu sehen, an der Symbolik, an den Codes, die verwendet wurden, es wurde in den Medien immer wieder berichtet, wenn es verschiedene Auseinandersetzungen gab. Die rechte Szene machte öffentliche Veranstaltungen. Es war sichtbar."
Aus einem Protokoll des Innenausschusses des saarländischen Landtags von September 1992 hervor, dass der Verfassungsschutz die Szene auf dem Schirm hatte: "Es gibt durchaus Vermutungen, dass sich die Täter aus dem rechtsextremen Feld und hier auch aus dem Umfeld rechtsextremer Parteien und auch aus der Skinheadszene zusammensetzen. (…) Wie Sie wissen, unterliegt die Gruppe der Skinheads der Beobachtung des Landesamtes für Verfassungsschutz."
Samuel Yeboah starb noch am selben Tag
Laut Anklage soll sich S. am 18. September 1991 in einer Saarlouiser Kneipe mit Gesinnungsgenossen getroffen und über die Angriffe auf Flüchtlingsheime in Hoyerswerda gesprochen haben. Der Anführer der Gruppe soll gesagt haben: "Hier müsste auch mal so was brennen". Peter S. soll daraufhin um 3.30 Uhr in der Flüchtlingsunterkunft das Feuer gelegt haben, aus rassistischer Gesinnung heraus, so die Anklage. Samuel Yeboah wohnte im Dachgeschoss, erlitt schwerste Verbrennungen und eine Rauchgasvergiftung, starb noch am selben Tag. Die übrigen 18 Bewohner konnten sich retten, zwei davon erlitten durch Sprünge aus dem Fenster Knochenbrüche.
Peter S. bestreitet, der Brandstifter zu sein, sein Verteidiger sagt, der 51-Jährige werde sich im Prozess zu den Vorwürfen äußern. Die Beweiskraft der Aussage der Zeugin zieht er in Zweifel. "Im Ergebnis habe ich erhebliche Bedenken bei dieser Aussage, die ja viel später getroffen worden ist und nochmal viel später mitgeteilt worden ist, insofern habe ich ernste Bedenken, ob man überhaupt eine Verurteilung auf diese Aussage stützen kann." Objektive Beweise wie DNA-Spuren gibt es offenbar nicht.
Mehr als 70 Zeugen
Zum Prozess sind mehr als 70 Zeugen geladen - vor allem aus Polizeikreisen und aus dem damaligen Umfeld des Angeklagten. Drei der 21 Betroffenen treten als Nebenkläger auf. Für sie wecke der Prozess auch traumatische Erfahrungen, so Röder. "Die haben alle diese Bilder in Erinnerung, auch diese Bilder der Schutzlosigkeit, nachts aufgeschreckt zu werden durch einen Brandanschlag."
Er erwartet sich vom Prozess vor allem die juristische Aufarbeitung des Anschlags. In einem zweiten Schritt müsse dann die politische Aufarbeitung mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss folgen - denn, so Röder: "In meinen Augen ist das immer noch saarländisches Staatsversagen".
Derzeit sind neun Verhandlungstermine bis zum 20. Dezember vorgesehen. Der Verteidiger rechnet damit, dass der Prozess deutlich länger dauert.