Debatte um "Containern" Ein Griff in die Mülltonne?
Noch ist es strafbar, Lebensmittel aus den Mülltonnen von Supermärkten zu holen. Die Politik will das Containern erlauben - der Handel ist dagegen. Die Lebensmitteltafeln sprechen von Symbolpolitik.
"Ich möchte Lebensmittel davor retten, weggeschmissen zu werden", sagt Jonas aus Köln. Der Student zieht regelmäßig abends los, um genießbare Lebensmittel aus dem Müll von Supermärkten zu retten. Ob Fenchel, Scheibenkäse oder Kekse - Jonas findet eigentlich alles in den großen Tonnen.
Noch ist das sogenannte Containern illegal, schon bald könnte es aber erlaubt sein. "Ich habe nicht so viel Geld zur Verfügung, außerdem bin ich überzeugter Gegner der Wegwerf-Kultur", sagt Jonas. Es sei umweltfreundlich und ethisch richtig. Er sei noch nie erwischt worden, wenn er abends über die Absperrungen klettere, erzählt er. Viele Supermärkte würden ihre Mülltonnen mittlerweile abschließen. Verständnis dafür hat er nicht.
Strafen für Containern abschaffen
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) wollen die Strafen für das sogenannte Containern abschaffen. Wer noch ess- oder trinkbare Lebensmittel aus Müllcontainern heraussuche, solle dafür nicht mehr belangt werden, wenn die Umstände im Einzelfall dies zuließen.
"Wenn sich Menschen weggeworfene Lebensmittel mit nach Hause nehmen, ohne dabei eine Sachbeschädigung oder einen Hausfriedensbruch zu begehen, dann muss das nach meiner Meinung nicht weiter strafrechtlich verfolgt werden", sagt Buschmann.
Kritik vom Handel
Dieser Vorschlag der Bundesregierung stößt beim Handel auf Kritik. "Aus rechtlicher Perspektive brauchen wir diesen Änderungsvorschlag überhaupt nicht", erklärt der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Lebensmittelhandel, Christian Böttcher. Lebensmittel-Abfalltonnen im Handel seien in der Regel verschlossen oder stünden hinter abgeschlossenen Bereichen. Wer dort eindringe, begehe Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung, so Böttcher.
"Außerdem stellen zur Entsorgung bestimmte Lebensmittel in Abfallbehältern eine potenzielle Gesundheitsgefahr dar", sagt er - wenn etwa verdorbene Lebensmittel im Mülleimer aussortiert und dann wieder von Menschen gegessen würden. Elf Millionen Tonnen weggeworfene Lebensmittel pro Jahr in Deutschland seien "viel zu viel", betont auch Böttcher. Das Containern aber durch eine Änderung der strafrechtlichen Verfolgung regelrecht anzubieten, setze den falschen Anreiz.
Jonas versteht nicht, warum einige Supermärkte ihre Tonnen überhaupt ab- und wegschließen. "Wenn die Nahrungsmittel doch noch gut sind, sollten sie allen Menschen angeboten und nicht eingeschlossen werden", sagt der Student. "Man könnte doch einfach eine Tonne auf dem Parkplatz offen stehen lassen für Menschen in Not mit wenig Kleingeld."
Keine Konkurrenz mit den Tafeln
Bedürftige Menschen können in Deutschland das Angebot der Tafeln nutzen. Das Containern mache den Tafeln nicht das Leben schwer, es bestehe keine Konkurrenz, heißt es vom Bundesverband der Tafeln.
"Wir finden es grundsätzlich gut, wenn weniger Lebensmittel verschwendet werden - auch wenn es natürlich viel zu spät ist, wenn das durch Wühlen im Müll geschieht", sagt der Vorsitzende der Tafeln, Jochen Brühl. "Für uns ist das eine Symbolpolitik, die am Kern vorbeigeht und die niemand braucht. Eine Strafbefreiung für das Containern hilft weder gegen Armut noch ist das eine hilfreiche Lösung auf dem Weg zu weniger Lebensmittelverschwendung."
Es sei zynisch, wenn es Menschen erlaubt werde, im Müll zu wühlen, um sich ernähren zu können, so Brühl. Viel wichtiger sei es, dass Supermärkte nicht immer bis Ladenschluss ein übervolles Angebot präsentierten, weil dadurch am Ende zu viele Lebensmittel weggeschmissen würden. Außerdem sollten vor allem Lebensmittelspenden vereinfacht werden.
Jonas will weitermachen - auch wenn er dafür über Zäune klettern muss, um, wie er sagt, Lebensmittel zu retten. Er fühlt sich moralisch im Recht. Der Student hofft, dass die Politik ihm und anderen Menschen den Zugang zu alten Lebensmitteln irgendwann erleichtert. Aus seiner Sicht ist Containern ein Gewinn für alle Seiten.