Ausbreitung von Corona-Variante Inzidenz sinkt, Delta-Anteil steigt
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen sinkt stetig, Deutschland macht sich locker und startet in die Sommerferien. Doch Gesundheitsexperten warnen vor Sorglosigkeit: Denn die offenbar hochansteckende Delta-Variante breitet sich aus.
Trotz insgesamt sinkender Corona-Zahlen ist die Delta-Variante des Virus auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Mehrere Bundesländer haben gemeldet, dass der Anteil der Variante an den Neuinfektionen zuletzt spürbar gestiegen sei. Am Abend wird dazu auch der neue Virusvariantenbericht des Robert Koch-Instituts erwartet.
Delta-Ausbreitung in Hessen und Bayern
In Hessen macht die Delta-Variante nach Angaben von Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) bereits mehr als ein Fünftel der Neuansteckungen aus. In Bayern hat sich die Zahl der bestätigten Infektionen mit der Delta-Variante im Verlauf einer Woche fast verdoppelt - von 132 auf 229 Fälle, wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) mitteilte.
Auch die "Apotheken Umschau" berichtet, die Mutation komme in Bayern immer häufiger vor. Die Laborgemeinschaft Becker & Kollegen mit verschiedenen Standorten im Freistaat habe dafür deutliche Hinweise: So konnte sie von den SARS-CoV-2-positiven Abstrichen, die das Labor zwischen dem 8. und 13. Juni hatte, elf Prozent der Delta-Variante zuordnen. Im Zeitraum vom 14. bis 20. Juni lag der Anteil der Mutation bereits bei 24,6 Prozent. Das Robert Koch-Institut veröffentlicht in der Regel einmal pro Woche für Deutschland Zahlen zu den Virusvarianten. Die bislang aktuellsten verfügbaren Angaben stammen vom 16. Juni und beziehen sich auf die Woche zwischen dem 31. Mai und 6. Juni: Da lag der Anteil der Delta-Variante bei 6,2 Prozent.
"Unsere aktuellen Befunde deuten an, dass sich nun die Delta-Variante ausbreitet. Dabei verdrängt sie ganz im Sinne einer Evolution im Zeitraffer offenbar andere Virusvarianten", erklärt Professor Jürgen Durner, Facharzt für Labormedizin und Chief Medical Officer von Becker & Kollegen, der Zeitschrift. So sei die Alpha-Variante (ehemals britische Variante), die in den vergangenen Monaten meist mehr als 90 Prozent der SARS-CoV-2-Erreger ausmachte, mittlerweile rückläufig und werde zunehmend von der Delta-Variante ersetzt.
Ausgangslage in Deutschland günstig
Der Virologe Christian Drosten plädiert angesichts der Entwicklung für noch mehr Tempo beim Impfen. Im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" legte sich der Experte der Berliner Charité nicht fest, ob es wegen der Ausbreitung der Delta-Variante bereits im Sommer oder erst im Herbst zu einer Trendumkehr bei der Zahl der Neuinfektionen kommen könnte. Im Herbst werde die Inzidenz aber auf jeden Fall wieder steigen, sagte Drosten und betonte die Wichtigkeit der Impfung bei Eltern von Schulkindern.
"Wir müssen einfach schnell impfen", lautet der Appell des Virologen. Eine vollständige Impfung schützt nach Einschätzung des Virologen Drosten auch bei der Delta-Variante gut gegen schwere Krankheitsverläufe. Der Schutz nur durch die Erstimpfung gilt aber als schwächer verglichen mit der Wirkung gegen frühere Virusformen. Davon geht auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach aus. Nötig seien dringend weitere Impfkampagnen.
Inzidenz weiter gesunken
Drosten sagte, wenn die Impfkampagne nicht ausreiche, müsste erneut mit Kontaktbeschränkungen gegengesteuert werden. "Aber es gibt auch gute Gründe zu denken, dass das in Deutschland nicht notwendig wird." In England, wo sich die Corona-Lage wegen der Delta-Variante wieder verschlechtert hat, sei die Sieben-Tage-Inzidenz ausgehend von einem Niveau von 25 wieder angestiegen. "Man hatte nicht so weit runtergebremst, wie wir das jetzt in Deutschland schon gemacht haben."
Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut am Mittwoch 1016 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Zum Vergleich: Vor einer Woche hatte der Wert bei 1455 Ansteckungen gelegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut RKI bundesweit bei 7,2 (Vortag: 8,0; Vorwoche: 13,2). Der Wert gibt die Infektionen innerhalb einer Woche Woche und 100 000 Einwohnern an.
"Wer sich nicht impfen lässt, wird sich infizieren"
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt erklärt, es sei nicht die Frage, ob, sondern wann Delta das Infektionsgeschehen in Deutschland bestimmen werde. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zu der Variante: "Wer sich nicht impfen lässt, wird sich früher oder später mit dem Coronavirus infizieren." Er forderte, stärker auf "Impfskeptiker und Impfleugner" zuzugehen: "Wenn wir nicht auch einen Teil dieser Gruppe vom Sinn der Impfung überzeugen, werden wir die Herdenimmunität nicht erreichen."
Wachsamkeit in den Sommerferien
Mit Blick auf die weiter um sich greifende Mutante ruft die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, zu besonderer Corona-Wachsamkeit in den Sommerferien auf. Es müsse unbedingt verhindert werden, "dass das Infektionsgeschehen auch bei uns erneut aufflammt".
"Wir alle haben uns einen Urlaub verdient, allerdings rate ich davon ab, in Hochinzidenz- und Virusvariantengebiete zu reisen", sagte Dittmar. Wer dennoch dorthin reise, müsse sich der Risiken für sich und andere bewusst sein. "Schließlich können wir es nur gemeinsam verhindern, dass im Herbst eine neue Infektionswelle auf uns zu rollt."