Klimaschutz in Deutschland Bürgerrat Klima nimmt Arbeit auf
Der bundesweite Klima-Bürgerrat ist gestartet. Ihm soll gelingen, was die Politik bislang nicht schafft: einen breiten Konsens zur Klimapolitik herstellen - und das Pariser Klimaziel ernst nehmen.
Für gute Klimapolitik braucht es keine Superhelden oder Super-Nerds. Das könnte das Motto des neuen Bürgerrats fürs Klima sein. "Wir haben unter anderem einen Tramfahrer aus Berlin dabei, eine Rentnerin aus Hessen, Schüler und Studentinnen", sagt Rabea Koss, die Sprecherin des Bürgerrats.
160 Menschen, junge, alte, mit Migrationsgeschichte und ohne, mit viel Wissen zum Klimawandel und mit wenig - ein "Mini-Deutschland" soll im Bürgerrat miteinander diskutieren. Die Teilnehmenden wurden zufällig ausgelost, aber es wurde darauf geachtet, dass ein möglichst repräsentativer Querschnitt der Gesellschaft zusammenkommt.
Das "Was" steht fest, das "Wie" zur Diskussion
Fachleute aus der Wissenschaft sollen eine Faktengrundlage liefern. Das Pariser Klimaziel - deutlich weniger als zwei Grad Erderwärmung - ist gesetzt. Dazu hat Deutschland sich verpflichtet. Dann sollen die Bürgerinnen und Bürger selbst bewerten, welche Klimapolitik daraus ihrer Meinung nach folgen sollte. "Wichtig ist, dass wir ihnen diese Bewertungen nicht vorgeben. Im Gegenteil", sagt Nachhaltigkeitsforscher Ortwin Renn von der Universität Stuttgart. "Wir sind daran interessiert, wie Menschen, die vom Klimawandel betroffen sein werden, ihre Prioritäten selber setzen wollen."
Zwölf Online-Sitzungen soll es geben, Vorträge von Expertinnen und Experten, im Sommer dann erste Ergebnisse. Die Gretchenfrage natürlich: Muss die Politik sich an die Empfehlungen halten?
Muss sie nicht. Aber Nachhaltigkeitsforscher Renn schlägt vor, dass die künftige Bundesregierung öffentlich jeden Schritt begründen muss, mit dem sie von den Vorschlägen des Bürgerrats abweichen will.
Vorreiter Irland
Dass Bürgerräte überraschend viel bewegen können, zeigt das Beispiel Irland: Ein Bürgerrat hat dort dazu geführt, dass die Homo-Ehe legalisiert wurde.
Einen Fürsprecher mit großem Namen hat der deutsche Bürgerrat zur Klimapolitik schon mal auf seiner Seite: Horst Köhler, der ehemalige Bundespräsident, ist Schirmherr des Bürgerrats - und Fan. "Der Bürgerrat Klima kann und soll die parlamentarische Demokratie und ihre Entscheidungsprozesse nicht ersetzen", sagt Köhler. Er könne aber begleiten und ergänzen. "Er kann Veränderungsbereitschaft ausloten und damit vielleicht Entscheidungen ermöglichen, die sonst nicht zustande gekommen wären".
Horst Köhler (r.) und Ortwin Renn (l.) unterstützen den Bürgerrat Klima.
Distanz zwischen Politikern und Bürgern überwinden
Köhler erkennt aktuell eine Kluft zwischen der Regierungsebene und "dem was sich unten im Volk tut". Bürgerräte sieht er als Versuch, diese Kluft zu überbrücken - und als ein "doppeltes Zeichen des Zutrauens": Zutrauen in die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, Veränderungen mitzutragen oder sogar anzutreiben und "gesellschaftliche Konflikte in tragfähige Kompromisse zu verwandeln". Ganz schön hohe Erwartungen also an die zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger. Oder positiv formuliert: Ganz schön viel Hoffnung.
Die hat auch Nachhaltigkeitsforscher Renn. Er sieht im Bürgerrat eine Chance "vom Stammtisch zum Runden Tisch" zu kommen. Am Stammtisch sei es einfach, Politik zu machen. "Wir können die Komplexität der Materie sehr schnell vergessen, weil es dann nur darum geht, Stimmungen zu erzeugen." Im Bürgerrat sei das anders. Bürgerinnen und Bürger seien geradezu dazu berufen, im Rahmen eines Dialogs zu "sehr sinnvollen Einsichten" und "zum Teil auch schmerzhaften Erkenntnissen" zu kommen. Ende Juni soll der Bürgerrat Klima seine Empfehlungen vorlegen.