Fans halten beim Gottesdienst in der Gründungskirche des BVB ihre Fanschals in die Höhe
reportage

Dortmund rund um den Borsigplatz Einstimmen auf den entscheidenden Spieltag

Stand: 27.05.2023 09:08 Uhr

Schafft es der BVB? Rund um den Borsigplatz in Dortmund ist man da zuversichtlich - und dort gibt es sogar geistlichen Beistand für die Borussia vor dem entscheidenden Bundesliga-Spieltag.

Es dröhnt durch die Dreifaltigkeitskirche im Dortmunder Norden - laut und voller Überzeugung: "Wer wird Deutscher Meister - BVB Borussia." Gut Hundert Fans singen - aber nicht in irgendeiner Kirche. Die Dreifaltigkeitskirche ist einer der Gründungsorte des BVB, damals vor 114 Jahren.

Und heute stimmen sie sich hier ein, alle gekleidet in schwarz-gelben Trikots, Schals oder Kappen. Vorsänger Kasche Kartner tanzt um das Taufbecken, BVB-Seelsorger Carsten Haug klatscht und singt im Hintergrund mit. Er ist auch offiziell zuständig für das Seelenheil der Borussen-Fans. Gekleidet in seiner beige-grauen Kutte, aber natürlich hat er auch den schwarz-gelben Dortmund-Schal. Er hat eingeladen: Zum letzten Gebet, zum letzten Einstimmen vor dem alles entscheidenden Spieltag. Schafft es der BVB oder schafft er es nicht?

#mittendrin: Eine Stadt im Ausnahmezustand – Wie Dortmund auf die Meisterschale hinfiebert

Jan Koch, WDR, tagesthemen, 26.05.2023 21:45 Uhr

Wohl 100.000 Liter Bier nach Dortmund gebracht

Haug beginnt seine Predigt mit einer klaren Botschaft: "Es wird Zeit, dass wir einen neuen deutschen Meister haben. Es ist alles vorbereitet. Ich habe sogar gelesen, dass zusätzlich 100.000 Liter Bier nach Dortmund gebracht wurden. Alles ist hier bereit für den großen Tag." Nur noch ein Sieg gegen Mainz, dann kann in Dortmund die große Party starten. Auch im Profanen ist offenbar etwas Heiliges - zumindest in Dortmund.

Gemeindereferent Karsten Haug hält beim Gottesdienst in der Gründungskirche des BVB seinen BVB-Fanschal in die Höhe

In Kirchenkleidung aber natürlich mit Fan-Schal: BVB-Seelsorger Carsten Haug.

Schwarz-gelbe Fahnen überall

Vor allem hier im Dortmunder Norden, im Borsigplatz-Viertel, fiebern sie mit. 2012, zur letzten Meisterfeier, kamen hier gut 400.000 Fans hin. Sie jubelten der Mannschaft zu, die auf dem Mannschaftsbus ihre Tour durch das Quartier zog. Genau das wollen sie am Sonntag wieder erleben.

Überall hängen schon schwarz-gelbe Fahnen - und auch die ersten Fans kommen auf den Platz. Für einen ruhigen Moment, wo an einem Haus das Banner mit einem klaren Auftrag hängt: "Holt das Ding nach Hause!"

"Das ist wie vor einer Abiprüfung"

Marco Mächler fordert das genauso. Er steigt aus einem kleinen Reisebus, gemeinsam mit 30 weiteren Fans. Sie alle kommen aber nicht aus der Nähe oder Umgebung, sondern aus der Schweiz extra angereist zum letzten Spiel. "Wir sind mit dem Flieger von Zürich nach Düsseldorf geflogen und dann mit einem Reisebus hierher gekommen", erzählt er. Seit dem letztem Spiel sei es Anspannung pur. "Nach elf Jahren muss die Schale wieder zurück in den Pott", erzählt er im reinsten Schwyzerdütsch.

Nicht nur sie sind von weit her nach Dortmund gekommen, auch Jan Freitag. Der junge Familienvater ist mit seinem Sohn auf Erkundungstour. Der Zehnjährige soll erfahren, wo und wie der BVB gegründet wurde. Dafür hat sich die Familie extra Urlaub genommen und ist aus Brandenburg in seine Dortmunder Heimat gekommen: "Das ist gerade eine Situation wie vor einer Abiprüfung. Man traut sich fast schon nicht zu sagen, dass wir Meister werden. Wir hoffen einfach darauf." Vor allem hofft er es für seinen Sohn, der noch keine der bisherigen Meisterschaften miterleben konnte.

Blick in die BVB-Fankneipe

Die Kneipe heißt heute "Pommes Rot-Weiss", die Deko ist aber selbstverständlich schwarz-gelb.

Currywurst-Pommes unter Wimpeln

Er ist in den ehemaligen Wildschütz gekommen. Die frühere altdeutsche Gaststätte ist heute eine Pommesbude. Der Ort, wo 1909 die Gründungsurkunde unterzeichnet wurde, heißt heute "Pommes Rot-Weiss". Mahir Ünlü, geboren und aufgewachsen rund um den Borsigplatz, hat den Laden vor wenigen Jahren übernommen.

"Es ist eine Ehre, ihn zu leiten", erzählt er und schaut gerührt in den Gastraum. Dort hängen überall Trikots, Fotos von damals, von vergangenen Erfolgen. Wimpel, Schals und sonstige Fan-Utensilien sind an der Decke über die Tische gespannt. Wer will, speist hier seine Currywurst-Pommes unter einem schwarz-gelben Stoffmeer.

"Hier wird am Wochenende hoffentlich die Hölle los sein", sagt Ünlü. Vorbereitet seien sie. Genauso wie vor elf Jahren. "Das war unbeschreiblich damals. Und das muss auch dieses Jahr wieder klappen." Sein Blick verweilt lange auf einem Kalenderblatt mit Bildern von damals und einem vollen Borsigplatz. "Wir haben es ja jetzt selber in der Hand, das hinzubekommen."

Blick in die Dreifaltigkeitskirche in Dortmund

In der Dreifaltigkeitskirche im Dortmunder Norden kümmert man sich Seelenheil der Borussen-Fans.

Etwas entfernt vom Borsigplatz liegt das Stadion. Da stehen sie am Tag vor dem großen Spiel Schlange. Denn es gibt etwas Neues: das Trikot der kommenden Saison. Da wollen sich eingefleischte Fans nicht zweimal bitte lassen. Manche hoffen vielleicht sogar doch noch auf ein letztes Ticket. Doch da hat wohl niemand Erfolg. Das Spiel ist schon lange ausverkauft. Der BVB hätte theoretisch 300.000 Tickets verkaufen können.

Wer nicht ins Stadion kommt, kommt vielleicht trotzdem mach Dortmund und hofft auf eine schwarz-gelbe Party. Auch Carsten Haug, der BVB-Seelsorger hofft darauf. "Es wird wieder Zeit", betont er am Ende seiner Predigt noch einmal, bevor sich alle dann in den Armen liegen und wieder singen: "You’ll never walk alone" - eine der Fußballhymnen, die sie auch im Stadion singen werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 26. Mai 2023 um 21:45 Uhr und tagesschau24 am 27. Mai 2023 um 09:00 Uhr.