Behälter für gebrauchte Spritzen stehen an den Plätzen im Drogenkonsumraum "Birkenstube" in Berlin-Moabit.

Konsum illegaler Rauschmittel Warum die Zahl der Drogentoten steigt

Stand: 29.05.2024 20:31 Uhr

Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist erneut gestiegen - und liegt so hoch wie nie. Nicht nur die stärkeren Substanzen machen den Konsum gefährlicher.

Von Susanna Zdrzalek, ARD-Hauptstadtstudio

Saubere Spritzen, sterile Heroin-Pfännchen, unbenutzte Crackpfeifen - in der Berliner Birkenstube bekommen Abhängige alle Utensilien, die sie für den Drogenkonsum brauchen. Nur ihre Drogen bringen die Menschen selbst mit.

Die Birkenstube ist einer von zwei sogenannten Drogenkonsumräumen in der Bundeshauptstadt. Gestorben ist hier noch nie jemand, erklären die Mitarbeiter, weil die Abhängigen medizinisch betreut und zu ihrem Konsum beraten werden. Insgesamt 31 solcher Drogenkonsumräume gibt es in Deutschland, zu wenige, um alle Betroffenen erreichen. Das zeigen auch die aktuellen Zahlen zu Drogentoten in Deutschland.

Bundeskriminalamt: Mehr als 2200 Tote durch Konsum illegaler Drogen im Jahr 2023

Susanna Zdrzalek, ARD Berlin, tagesthemen, 29.05.2024 22:15 Uhr

Zahl der Drogentoten weiter angestiegen

2023 hat das Bundeskriminalamt 2.227 drogenbedingte Todesfälle registriert, ein Rekordwert. Und die Dunkelziffer, so der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert, könnte noch höher liegen, denn nicht jeder Tote werde toxikologisch untersucht und obduziert.

Im Schnitt waren die Verstorbenen im vergangenen Jahr 41 Jahre alt, ein Wert, der im Vergleich zu den Vorjahren etwas angestiegen ist. Männer waren deutlich häufiger betroffen und die Substanz, die am häufigsten zum Tod führte, war, wie auch in früheren Jahren, Heroin.

Kartelle überschwemmen EU-Markt mit Kokain

Allerdings haben die Landeskriminalämter 2023 einen deutlichen Anstieg bei Todesfällen im Zusammenhang mit Kokain und Crack sowie mit Metamphetaminen wie Crystal Meth festgestellt. Das, so der Bundesdrogenbeauftragte, hänge auch mit Entwicklungen auf dem globalen Markt zusammen. Denn seit mehreren Jahren überschwemmen globale Kartelle europäische Häfen mit Kokain, aus dem dann Crack hergestellt werden kann.

Sorgen macht Blienert auch, dass immer neue, immer stärker wirkende Substanzen auf den Markt kommen. "Viele dieser Substanzen sind billiger als ein Glas Bier. Es ist vieles erhältlich, was tödlich wirkt und beim Mischkonsum dann ganz schnell zu Todesfällen führen kann." Überhaupt ist der Mischkonsum ein Hauptgrund dafür, warum Menschen 2023 durch Drogen gestorben sind. Bei 1.479 der Drogentoten wurden verschiedene illegale Substanzen im Blut festgestellt, ein Zuwachs von 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Gefahr durch synthetische Opioide

Den Suchtforscher Daniel Daimel überrascht der erneute Anstieg bei den Drogentoten nicht. "Wir sehen aktuell, dass die Taliban den Anbau von Schlafmohn verboten haben, das ist der Grundstoff für die Heroin-Produktion. Wenn dieses Heroin durch synthetische Opioide substituiert wird, hätte das fatale Folgen für die Konsumentinnen und Konsumenten."

Schon jetzt beobachten Drogenberatungsstellen, dass Konsumenten mit Heroin zu ihnen kommen, das mit Fentanyl gestreckt wurde, einem synthetisch hergestelltes Opioid, das viel stärker wirkt. "Solche synthetischen Opioide sind für die Konsumenten kaum kalkulierbar und können deshalb leicht überdosiert werden", sagt Daimel.

Großer Handlungsbedarf

Angesichts der hohen Todeszahlen und der immer neuen Drogen, die den Markt fluten, sei der Handlungsbedarf in den Kommunen, in den Ländern und beim Bund riesengroß, betonen diejenigen, die tagtäglich mit Drogensüchtigen arbeiten.

Nina Pritzens ist Geschäftsführerin der vista gGmbh, die in Berlin mehrere Suchtberatungsstellen, aber auch die zwei Drogenkonsumräume betreibt. Sie fordert mehr niedrigschwellige Angebote wie zum Beispiel das sogenannte Drug-Checking, wo Menschen Substanzen vor dem Konsum kostenlos überprüfen lassen können.

Warnung vor Unterfinanzierung

Der Bund hatte dafür vor einem Jahr den Weg frei gemacht, nun müssten sich die Länder an die Umsetzung machen. Christina Rummel, Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen wiederum warnt vor einer Unterfinanzierung der Drogen- und Suchtarbeit in Deutschland. "Suchthilfe rettet Leben und ist wichtiger denn je. Doch insbesondere die Suchtberatung steht finanziell mit dem Rücken zur Wand."

Hier dürfe seitens der Bundesregierung nicht gespart werden, denn jeder Euro, der hier investiert werde, zahle sich für die Gesellschaft insgesamt aus.