Neues Staatsangehörigkeitsgesetz Für den deutschen Pass braucht es viel Geduld
Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz sollen Einbürgerungen künftig schneller gehen. Doch schon jetzt sind viele Behörden überfordert. Das Kölner Ausländeramt etwa nimmt vorerst keine Anträge mehr an.
Wer auf eine Einbürgerung in Köln wartet, braucht aktuell besonders viel Durchhaltevermögen. Seit Dezember 2023 haben Jhojen Carbonell und sein Mann Alexander Moog regelmäßig E-Mails an die Stadt Köln geschrieben. Denn Carbonell möchte sich einbürgern lassen. Alle notwendigen Unterlagen für die Einbürgerung hat er bereits zusammengestellt.
Er stammt von den Philippinen und ist Filialleiter einer Modekette in Köln. "Mein Mann kann spontan reisen. Ich nicht, weil ich keinen deutschen Pass habe", sagt Carbonell.
Auch telefonisch hat das Paar versucht, einen Termin für die Einbürgerung zu bekommen. "Bei der zuständigen Stelle war aber immer besetzt oder es lief eine Bandansage", sagt Ehemann Moog. Dann folgt nach monatelanger Wartezeit eine Antwort der Stadt per E-Mail Anfang Mai. Das Paar wird informiert, dass "aktuell alle Termine für 2024 zur Antragsabgabe ausgebucht sind. Termine für 2025 vergeben wir anlässlich des zu langen Vorlaufs noch nicht."
Spontan verreisen - das geht bei Jhojen Carbonell und seinem Mann Alexander Moog nicht problemlos ohne den deutschen Pass.
Köln verzeichnet hohe Nachfrage bei Einbürgerungen
In Köln ist die Zahl der Anträge auf die deutsche Staatsbürgerschaft nach Angaben der Stadt stark angestiegen. 2022 waren es noch rund 3.000 Anträge im Jahr und im vergangenen Jahr bereits 3.800. In diesem Jahr erwartet die Stadt eine Verdreifachung der Anträge auf etwa 10.000. Ein Grund dafür ist das neue Gesetz, das Einbürgerung erleichtert.
Das neue Staatsangehörigkeitsgesetz tritt heute in Kraft, und danach sollen sich Ausländer schon nach fünf Jahren statt acht Jahren um einen deutschen Pass bewerben dürfen. Bei besonderen Integrationsleistungen wie guten Sprachkenntnissen und ehrenamtlichem Engagement kann eine Einbürgerung schon nach drei Jahren erfolgen. Außerdem soll grundsätzlich eine Mehrstaatigkeit möglich sein.
Mit mehr Nachfrage aufgrund der neuen Rechtslage rechnen laut einer dpa-Umfrage auch Einbürgerungsbehörden in den anderen Bundesländern. So melden die Ämter in Hamburg und Bremen etwa eine deutlich gestiegene Nachfrage. Hamburg erwartet laut dem zuständigen Amt für Migration "erneut erheblich steigende Zahlen bei den Einbürgerungsanträgen und den Einbürgerungen." In der Hansestadt waren im vergangenen Jahr 7.537 Menschen Deutsche geworden. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres gab es in Hamburg 3.128 Einbürgerungen.
In Bayern wurden 2023 mehr als 36.000 Menschen eingebürgert. In den ersten vier Monaten dieses Jahres gab es im Freistaat rund 14.500 Einbürgerungen.
Eine Sprecherin der Stadt Magdeburg sagte, die Stadt habe aufgrund der steigenden Einbürgerungszahlen das Personal erheblich aufgestockt. Aktuell werde in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts daran gearbeitet, Prozesse zu digitalisieren, um damit das vorhandene Personal zu entlasten.
Personalmangel in den Behörden
Zur erhöhten Nachfrage durch die Gesetzesänderung komme noch dazu, dass Menschen, die 2015/2016 nach Deutschland gekommen waren, ebenfalls jetzt Einbürgerungsansprüche erheben können, erklärt Helmut Dedy, Geschäftsführer des Deutschen Städtetags. "Das alles trifft auf Behörden, die natürlich mit den Geflüchteten aus der Ukraine und aus anderen Ländern eine Menge zu tun haben. Die Wartezeiten werden zunehmen, das lässt sich nicht vermeiden." Durchschnittlich würden die Wartezeiten in Nordrhein-Westfalen für die Einbürgerungen bei einem bis manchmal eineinhalb Jahren liegen, so Dedy.
Ähnlich sieht es in Dortmund aus: Die aktuelle Wartezeit für einen Termin zur Antragsstellung der Einbürgerung liegt bei sechs bis acht Monaten und die Bearbeitung und Entscheidungszeit beträgt zwischen sechs bis neun Monaten.
Ein großes Problem sei der Personalmangel, sagt Melanie Schmickler von der Ausländerbehörde Dortmund: "Auch im öffentlichen Dienst und in den Kommunalverwaltungen herrscht Arbeitskräftemangel und insbesondere, wenn man dann in einem hochbelasteten Bereich Stellen zu besetzen hat, wie der Einbürgerung, ist die Nachfrage nicht unbedingt sehr hoch."
Sie hätten es geschafft, dieses Jahr sechs Stellen ab dem Sommer zu besetzen, doch es gebe aktuell schon den Bedarf für zehn weitere Stellen im kommenden Jahr, so Schmickler. Eine Herausforderung für Bewerber sei, dass das Staatsangehörigkeitsrecht sehr komplex sei.
Lösungsansätze gegen die Wartezeit
In Dortmund hoffen sie auf engere Kooperation mit Migrantenselbstorganisationen für intensivere Beratungen, damit Antragssteller vorab bereits wissen, ob ihr Einbürgerungsantrag aussichtsreich sei oder nicht. Auch der Städtetag Nordrhein-Westfalen verweist auf die Möglichkeit, in vielen Städten online bereits vorab die Erfolgsaussichten eines Antrags zu prüfen.
Der nordrhein-westfälische Flüchtlingsrat schlägt auch kurzfristige Maßnahmen gegen den Personalmangel in den Ausländerbehörden vor. "Während Corona wurden viele Mitarbeitende von anderen Behörden in den Gesundheitsbereich abgeordnet", sagt Geschäftsführerin Birgit Naujoks. "Das könnte man jetzt übertragen und einfach die Menschen in die Ausländerbehörden abordnen, damit sie Aufgaben übernehmen, die nicht so komplex sind, damit sich die eigentlichen Fachkräfte auf ihre Aufgaben konzentrieren können."
Konsequenzen durch lange Wartezeiten
Die Konsequenzen für viele Bewerber seien langfristig oft unangenehm, sagt Naujoks. Es sei zu hören, dass Betroffene "ihren Arbeitsplatz verlieren, weil sie keine Beschäftigungserlaubnis kriegen und Ähnliches." Manchmal sei auch die Folge, dass andere Behörden gewisse Leistungen wie Kindergeld streichen würden.
Der Wunsch nach einer baldigen Lösung ist groß. Aufseiten der Betroffenen und aufseiten der zuständigen Kommunen. In Köln soll die Zahl der Beschäftigten in der Einbürgerungsabteilung auf 90 Mitarbeiter verdreifacht werden. Dafür wird dringend Personal gesucht. Und voraussichtlich ab September will die Stadt wieder Termine vergeben, an denen Menschen einen Antrag auf Einbürgerung stellen können.
Darauf kann auch das Ehepaar Jhojen Carbonell und Alexander Moog hoffen. Für sie ist die Gemengelage schwer nachvollziehbar. "Dass ein neues Gesetz kommt und wir 2015/2016 eine sehr starke Zuwanderung hatten, ist doch kein Geheimnis", sagt Moog. "Da hätte die Stadt doch rechtzeitig erkennen müssen, dass da etwas auf sie zukommt. Die Leidtragenden sind jetzt die vielen Menschen, die vergeblich auf einen deutschen Pass warten."