Workshops an Schulen Fit für die Europawahl
Am 9. Juni findet in Deutschland die Europawahl statt. Dieses Mal dürfen auch 16-Jährige bereits zur Wahlurne. Doch viele Erstwähler haben da noch einige Fragezeichen.
Aufregung bei rund zwei Dutzend Zehntklässlern der Hamburger Heinrich-Hertz-Schule. Dicht gedrängt stehen sie um einen Tisch, schauen sich die ausgefüllten Wahlzettel ganz genau an - auf einem sind zwei Parteien angekreuzt. Und auf einem anderen steht "Bubatz legal", also Cannabis legal.
"Ist diese Stimme damit ungültig?", fragt ein Schüler. Das ist der Klasse unklar - noch. Am Ende des Tages werden sie sogenannte "Erstwahlprofis" sein: Sie simulieren die Europawahl, lernen, wer wählen darf, wie Stimmen ausgezählt werden, und wie man den Wählerinnen und Wählern begegnet. Kurzum: Sie werden fit gemacht für ihren Einsatz als Wahlhelferinnen und Wahlhelfer am 9. Juni.
Tour durch Hamburger Schulen
Die erste Aufgabe: Wie sollte man am Wahltag auftreten, um als "Gastgeberinnen und Gastgeber der Demokratie" einen guten Eindruck zu machen? "Man muss auf die Leute zugehen, wenn sie nicht so richtig wissen, was sie machen sollen", sagt der 17-jährige Tim. "Da kommen ja alle Gesellschaftsgruppen, da sollte man damit rechnen, langsam zu sprechen, auch für ältere Menschen."
Keinen Kater haben, wirft ein anderer Schüler in die Runde. Das sei ein guter Punkt, erwidert Bernd Wilkens und lacht. Er leitet den Workshop "Erstwahlprofis" für die Hamburger Europa-Union, eine Organisation, die sich für die Einigung Europas einsetzt und dafür, dass möglichst viele Menschen zur Wahl gehen.
Deshalb tingeln er und seine Kollegen in den Monaten vor der Wahl durch Hamburger Schulen. Heute an eine zehnte Klasse an der Heinrich-Hertz-Stadtteilschule: Einige hier werden Abi machen, einige beginnen nach Abschluss dieses Schuljahres eine Ausbildung.
Wie funkioniert Europawahl? Die Schüler lernen mit Pappkabinen und fiktiven Wahlzetteln.
Keine Wahlempfehlungen
Die EU ist auf den Schulfluren nicht unbedingt Thema. Aber dass Europa auf ihr Leben dann doch ziemlich große Auswirkungen hat, das ist vielen bewusst.
"Ich konnte nach Kroatien fahren, und aktuell gibt es eine Klasse, die in Barcelona ist. Dieser Austausch ist komplett durch die EU gefördert und dadurch erst möglich gemacht worden. Anders könnten es sich viele finanziell ja gar nicht leisten", erzählt der 18-Jährige Finn. Und dass er es wichtig fände, dass viele zur Wahl gingen, weil sich Europa durch die Pandemie und das Erstarken rechter Parteien verändert hätte.
Heute geht es aber nicht um die Programme der Parteien, sondern um den Wahlakt an sich. Denn Wahlempfehlungen zu geben, das macht Bernd Wilkens deutlich, sei nicht sein Job. Dennoch scheint es viele Schülerinnen und Schüler zu interessieren.
"Die Wahl ist geheim"
"Im Moment geht es viel darum, wie rechte Parteien sich entwickeln. Wir sprechen in den Klassen ganz viel darüber, wie der Einfluss da ist, wie sich die Verhältnisse entwickeln und was für Auswirkungen das vor Ort haben kann", so Wilkens.
Unterdessen haben die Schülerinnen und Schüler ihren Klassenraum zu "Wahlbezirk 10101" umfunktioniert. Mit wenigen Handgriffen ist die Wahlkabine aus Pappe zusammengebaut, nur einen Haken gibt es - die Pappkabinen stehen am Fenster. "Theoretisch könnte hier jemand reinschauen und mir dabei zugucken, wen ich wähle - die Wahl ist ja aber geheim", erklärt Bernd Wilkens.
Zur Wahl stehen heute fiktive Parteien stellvertretend für alle politischen Lager. Der erste Probe-Wahlgang läuft noch etwas holprig ab: Bei der Stimmabgabe stauen sich die Wahlberechtigten, weil einer sich nicht ausweisen kann, die Adresslisten sind durcheinander geraten, alle rufen gleichzeitig in den Raum, werden ungeduldig - komplettes Chaos im Wahllokal.
Die Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse an der Heinrich-Hertz-Schule haben ihren Klassenraum zum "Wahlbezirk 10101" umfunktioniert.
Die Schüler sind noch unentschlossen
"Wir haben einfach zu viele Stimmzettel ausgeteilt", sagt der 16-Jährige Wim und zuckt mit den Schultern. "Naja, passiert. Dafür üben wir hier ja auch." Bei welcher Partei er sein Kreuzchen am 9. Juni machen wird, weiß der 16-Jährige noch nicht. Ihn interessieren vor allem die Themen Umwelt und Klima.
Auch David, 18, ist noch unentschlossen. "Beim Thema Bildung soll die Partei, die ich wähle, erstmal eine richtige Digitalisierung schaffen an Schulen. In kleinen Schritten."
Mit den Wahlprogrammen haben sich die meisten aus Klasse 10f noch nicht beschäftigt, aber dass sie wählen gehen, das ist für sie klar. Und einige aus der Klasse werden bei der Europawahl als Wahlhelferinnen und Wahlhelfer unterstützen.
Finn etwa. "Ich finde, das ist eine coole Sache. Dann macht man mal was aus einem Sonntag, statt nur den Hangover auszukurieren", sagt er grinsend. Und fügt dann ernster hinzu: "Außerdem möchte ich diesen Sommer Interrail machen und mir Europa angucken. Warum also nicht mal was zurückgeben?"