Gedenken nach dem Anschlag von Halle

Haseloff zum Anschlag in Halle "Die dunkelste Stunde"

Stand: 09.10.2024 06:49 Uhr

Anlässlich des fünften Jahrestags des Anschlags auf die Synagoge in Halle hat Ministerpräsident Haseloff vor zunehmendem Antisemitismus und Rechtsterrorismus gewarnt. Die Gesellschaft müsse reagieren.

Von Cezary Bazydlo, MDR

Zum fünften Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge in Halle/Saale zeigt sich der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, besorgt über zunehmenden Rechtsextremismus. Die Entwicklung der politischen Strukturen im Land und europaweit mache ihm Sorgen, sagt er im Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk.

Im politischen Diskurs fallen inzwischen Äußerungen, "die bis dahin unsagbar waren", vor allem vom rechten Rand und auch von Parlamentsabgeordneten. Dies stelle "eine Herausforderung für unsere liberale Demokratie" dar, sagt Haseloff.

Reiner Haseloff

Haseloff warnt vor zunehmendem Rechtsextremismus.

Judenhass nimmt in Deutschland zu

Auch über den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland zeigt sich Haseloff bestürzt. Dabei gehörten Jüdinnen und Juden "ganz normal zu unserer Bevölkerung" und hätten immer dazu gehört, so Haseloff. Hier sei die gesamte Gesellschaft gefordert. "Das fängt in den Familien an: Wie spricht man? Wie geht man mit der eigenen Geschichte um, ohne zu verdrängen?", sagt Haseloff. Alle müssten mitwirken, um das Problem zu lösen, dies werde nicht "im Selbstlauf passieren".

Erst am Sonntag gab die Antisemitismus-Beratungsstelle OFEK bekannt, dass sie seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vor einem Jahr bundesweit fünfmal so viele Anfragen bekommt wie vorher. Deren Zahl übertrifft den Angaben zufolge mit 1.858 die Gesamtzahl aller Anfragen in den vorangegangenen sechs Jahren seit der OFEK-Gründung 2017. OFEK-Vertreter sprachen von einer "sich radikalisierenden antisemitischen Grundstimmung".

Antisemitischer Anschlag von Halle

Am 9. Oktober jährt sich der antisemitisch motivierte Anschlag auf die Synagoge von Halle/Saale zum fünften Mal. Der Rechtsextremist Stephan B. wollte damals 52 Jüdinnen und Juden töten, die dort den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten, konnte aber die verschlossene Tür nicht überwinden. Daraufhin erschoss er eine zufällige Passantin, die ihn zur Rede stellte, und wenig später einen Gast im nahegelegenen Imbiss Kiez-Döner.

Auf seiner Flucht vor der Polizei versuchte er einen schwarzen Migranten zu überfahren und schoss ein Ehepaar im Vorort Wiedersdorf nieder. Für diese antisemitisch und rassistisch motivierten Taten wurde Stephan B. Ende 2020 zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.

"Nie wieder Holocaust" kein Automatismus

"Es war nicht nur die dunkelste Stunde in meinem politischen Leben, sondern generell in meinem Leben", erinnert sich Ministerpräsident Haseloff an den Tag. Der Anschlag auf die Synagoge hat den Politiker tief getroffen, weil seine Familie ein besonderes Verhältnis zu Israel habe, wie er im MDR-Interview erklärt. Seine Kinder und Enkelkinder seien damals mit einer christlichen Gruppe in Jerusalem gewesen, um das Jom-Kippur-Fest dort zu erleben und die historischen Stätten zu sehen, "die uns Christen und Juden verbinden", so Haseloff.

Der Holocaust war dem Politiker zufolge das Ergebnis einer "antisemitischen und in Teilen auch rassistischen Entwicklung eines Volkes" über Jahrhunderte hinweg. Dass sich so etwas "nie wieder" ereignen wird, ist laut Haseloff kein Automatismus.

Die Ereignisse vom 9. Oktober 2019 aus Sicht der Opfer erzählt eine Doku-Serie von ARD Crime Time in der ARD-Mediathek.