Hilfe für die Ukraine Zwischen Trümmern und Hoffnung
Immer wieder bringen Ehrenamtliche aus Deutschland Hilfsgüter in die Ukraine: Essen, Kleidung und medizinisches Gerät. Sie werden dabei Zeugen der Zerstörung - aber auch der Hoffnung.
Olexandr Boyko lässt sich vorsichtig in den Sitz des Elektro-Rollstuhls fallen. Der 49-Jährige drückt den Steuerhebel mit den beiden Fingern, die er noch hat, nach vorn. Etwas zu fest, mit einem Ruck setzt sich der Rollstuhl in Bewegung. Michael Kröger sieht ihm hinterher. Der 50-Jährige hat den Rollstuhl mit seinem Team aus Norddeutschland hier in einen kleinen Vorort von Kiew gebracht. Drei Lkw-Ladungen haben sie diesmal in das von Russland überfallene Land transportiert. Sie bringen Essen, Kleidung und medizinisches Gerät direkt zu den Menschen, die Hilfe brauchen.
Olexandr Boyko verlor im Krieg sein rechtes Bein und fast alle Finger. Michael Kröger hat ihm einen Rollstuhl aus Deutschland gebracht.
Freiwillig an die Front
Wie zum Beispiel Boyko. Der dreifache Vater ist nach dem russischen Überfall freiwillig in den Kampf gezogen. An der Ostfront bei Kramatorsk gerieten sie vergangenen Sommer unter schweren Beschuss. Boyko sah einen Kameraden in Gefahr, warf sich auf ihn und rettete ihm das Leben. "Er blieb unverletzt", erzählt Boyko. Er dagegen verlor sein rechtes Bein und fast alle Finger. Nur noch Daumen und Zeigefinger der rechten Hand kann er bewegen.
Mehr als 250 Tonnen Hilfsgüter hat Kröger mit seinem Verein bereits in das Land gebracht. "Das ist vielleicht nur ein Tropfen, aber das ist wichtig", beschreibt der ehemalige Bundeswehrsoldat seine Motivation. Er lebt seit acht Jahren mit seiner Lebensgefährtin eigentlich in Kiew. Kurz nach dem russischen Großangriff brachte er Freundin und Sohn nach Deutschland, seitdem organisiert er die Hilfstransporte.
Michael Kröger (links) und Hans De Boer sind durch Polen über Kiew bis in den Osten in der Ukraine gefahren.
Hilfsgüter für das Krankenhaus in Isjum
Dies ist seine elfte Fahrt. Er kennt schon die Bilder der Zerstörung. Für Hans De Boer ist es hingegen die erste Fahrt in die Ukraine. Seine Frau hielt es für zu gefährlich, aber er wollte nicht länger tatenlos im Emsland sitzen. Also hat sich der Speditionsunternehmer mit einem Lkw seiner Firma dem Transport von Kröger angeschlossen. Mehr 2000 Kilometer sind sie durch Polen über Kiew bis in den Osten in der Ukraine gefahren.
Für das Krankenhaus in Isjum bringen sie Kleidung und Desinfektionsmittel. Das Gebäude ist stark beschossen worden. Innen versorgen sie weiterhin Kranke und Verletzte. Chefarzt Olexandr Tolstoy zieht schnell seinen Kittel aus und hilft beim Entladen, als Kröger mit dem Lkw vorfährt. Der Arzt hat schlimme Zeiten erlebt. Nach dem Entladen zeigt er den Helfern Videos von Angriffen. Während russische Raketen und Granaten in der Stadt einschlugen, operierten sie behelfsmäßig im feuchten Keller vor unverputzten Wänden. Jetzt haben sie zumindest wieder ein funktionierenden OP-Raum mit gespendeten Geräten.
Die zehnjährige Polina Borysenko lebt in Charkiw.
"Ich liebe diese Stadt"
Es gibt viele dieser Hoffnungsschimmer zwischen all der Zerstörung. Auch in Charkiw. Die Millionenmetropole im Nordosten des Landes ist nur eine halbe Autostunde von der russischen Grenze entfernt. Mehr als 1000 Gebäude sind hier zerstört worden, besonders heftig hat es den Stadtteil Saltiwka getroffen. "Es gibt hier kein Haus, das nicht beschädigt wurde", sagt die zehnjährige Polina Borysenko.
Sie steht mit Kröger und De Boer vor einem Hochhaus, in dem eine riesige Wunde über mehrere Stockwerke klafft. Sie war bei dem Angriff nicht in Charkiw, im vergangenen Herbst kehrte sie zurück. "Ich liebe diese Stadt, es ist meine Lieblingsstadt", sagt sie.
Mit anderen Kindern sammeln Polina und die deutschen Helfer Trümmerteile, Steine der Gebäude. Die bemalen sie dann zusammen. Hans De Boer hat einen ganzen Sack voll im Lkw, als er sich auf den Weg zurück nach Deutschland macht. Gegen Spenden sollen die Steine versteigert werden - Geld für den Wiederaufbau des Landes.