Eine Menora steht im Fenster des jüdischen Restaurants Schalom im Zentrum von Chemnitz.

Antisemitismus Jüdische und israelische Restaurants unter Druck

Stand: 07.08.2024 10:29 Uhr

Hasskommentare, Angst, Einnahmeverluste, wachsender Antisemitismus: Die Folgen des 7. Oktobers und des Gaza-Kriegs bekommen manche jüdisch-israelische Restaurants in Berlin unmittelbar zu spüren.

Von Carsten Dippel und Tom Garus, RBB

Chaimi Fröhlich steht in dem, was einmal sein kleines koscheres Restaurant war. Die Türen und Fenster sind zugeklebt, ein paar Tische und Stühle stehen verlassen im Raum. "Es ist hart und schwer, aber ich habe keine andere Möglichkeit gehabt, als das Restaurant zu schließen", sagt Fröhlich.

Nach mehr als 20 Jahren und mehr als 80.000 Euro Verlusten binnen kürzester Zeit musste der Betreiber des traditionsreichen Berliner Lokals "Bleibergs" Anfang des Jahres aufgeben. "Das Restaurant geschlossen zu sehen, ist, wie ein richtiges Baby zu verlieren. Es ist schmerzhaft und sehr traurig", so Fröhlich.

Israelische Touristen bleiben aus

Gut 80 Prozent der Gäste waren Touristen aus Israel, die auf ihren Reisen nach Berlin das koschere Lokal besuchten. Doch der 7. Oktober führte zu einem massiven Einbruch der Besucherzahlen.

Flüge aus Israel wurden gestrichen, die israelische Armee berief Hunderttausende Reservisten ein, jüdische Touristen hatten Angst nach Berlin zu kommen, nachdem arabischstämmige Männer und Frauen den Überfall der Hamas auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln offen feierten. Der sprunghaft angestiegene Antisemitismus halte israelische und jüdische Touristen derzeit davon ab, nach Deutschland zu kommen, vermutet Fröhlich.

Anfeindungen, Hass und Vandalismus

Das "Bleibergs" ist nicht das einzige jüdische Restaurant in der Hauptstadt, das in der Folge des 7. Oktobers schließen musste. Im Juni machte auch das berühmte "DoDa's Deli" in Berlin-Friedrichshain zu.

Seit dem 7. Oktober gab es zunehmend Anfeindungen im Netz, Hassbotschaften, in den sozialen Medien, negative Restaurant-Bewertungen bei Google. Jemand ritzte "Fuck Israel" und "Free Gaza" in die Tische.

Plakate, die Geiseln der Hamas zeigten, wurden mit Bierflaschen beworfen. Die Stimmung wurde zunehmend bedrohlich. Auch Chaimi Fröhlichs "Bleibergs" erhielt seit dem 7. Oktober deutlich mehr Hasspostings und negative Bewertungen.

Sorge vor weiterem Kundenverlust

Immer wieder finden solche Berichte ihren Weg auf Julia Kopps Schreibtisch. Sie und ihr Team von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) registrieren gezielte Sachbeschädigungen, Schmierereien, Beschädigungen "oder, im schlimmen Fall, Formen von Vandalismus", sagt Kopp. "Bekannt geworden sind auch vereinzelt Fälle von Beleidigungen oder gar Bedrohungen gegen Personal oder Gäste."

Manche Restaurantbetreiber nutzen laut Kopp mittlerweile bestimmte Strategien im Umgang mit Antisemitismus, zum Beispiel indem sie ein israelisches oder jüdisches Label für ihr Restaurant oder bei einzelnen Gerichten vermeiden und stattdessen von mediterraner Küche sprechen.

Lieber unter dem Radar bleiben

Auch im Zuge der RBB-Recherche versuchen israelische und jüdische Restaurantbetreiber lieber, unter dem Radar zu bleiben. Sie äußern sich nicht oder nur anonym, vermutlich, um nicht noch mehr Gäste zu verschrecken. So wie der Inhaber eines beliebten Lokals im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, das mit seiner für Israel typischen Küche als israelisch wahrgenommen wird, auch wenn das Team aus allen Ecken der Welt kommt.

Der Inhaber möchte anonym bleiben, erzählt am Telefon aber von Umsatzeinbrüchen unmittelbar nach dem 7. Oktober. Gut die Hälfte der Gäste sei plötzlich ausgeblieben, Bestellungen wurden storniert - aus Angst, hätten ihm viele gesagt. Hinzu kamen Hassbotschaften im Netz, ein "Du Drecksjude" am Telefon, auf dem Spiegel im Bad ein Hakenkreuz, obwohl er selbst nicht einmal jüdisch sei. "Unser Restaurant soll doch ein Wohlfühlort sein", sagt der Inhaber. "Wir wollen Leute bespaßen und gutes Essen verkaufen. Mit dem Krieg in Gaza, mit dem Konflikt im Nahen Osten, haben wir überhaupt nichts zu tun."