Kritik von Gewerkschaft Lage in Kitas "kaum zu verantworten"
Kitas können laut der Gewerkschaft GEW kaum mehr allen Kindern gerecht werden. Eine Infektionswelle beim Personal treffe auf politisch verursachte Missstände. Einer Studie zufolge fehlen 266.000 Plätze für Kleinkinder.
Angesichts hoher Krankenstände bei Erzieherinnen und Erziehern stünden Kitas kurz vor dem Zusammenbruch. Das kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Grassierende Infektionen unter den Beschäftigten, aber auch allgemeine Erschöpfung und eine ungewöhnlich hohe Fluktuation in der Belegschaft ließen es nicht mehr zu, allen Kindern gerecht zu werden, schreibt Doreen Siebernik, Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit der GEW, in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Welt am Sonntag".
"Nur noch Verwahrung"
"Die Bedingungen in den Kitas sind kaum noch zu verantworten", so Siebernik. "Es gibt Häuser mit einem Krankenstand von mehr als 50 Prozent." Oft gehe es "nur noch um Verwahrung" der Kinder. Das Ergebnis seien massiv gekürzte Betreuungszeiten oder die Schließung ganzer Einrichtungen.
Mancherorts sei die Situation dramatisch. Dabei betont Siebernik, dies sei nicht nur eine Folge der Grippewelle, sondern auch von einem allgemeinen Mangel an Personal und an Kitaplätzen.
Hinzu kämen zusätzliche Belastungen durch die Pandemie oder die Aufnahme geflüchteter Kinder. "Deshalb trifft die aktuelle Krankheitswelle jetzt auf ein insgesamt geschwächtes System", schreibt die Gewerkschafterin.
Kritik an der Politik
Den Kitas sei die notwendige Unterstützung verweigert worden. Denn nach wie vor fehle es an entschlossenem politischen Handeln, um den Platzausbau und die Qualitätsentwicklung zu verbessern, so Sieberniks Kritik.
Erst wenn die Arbeits-, Rahmen- und Einkommensbedingungen stimmten, würden auch mehr Menschen wieder als Erzieherinnen und Erzieher in Kitas arbeiten wollen.
266.000 Plätze für Kleinkinder fehlen
Derzeit fehlten in Deutschland 266.000 Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren, so eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Das sei allerdings eine Verbesserung zu den Vorjahren. 2019 sei die Betreuungslücke noch um fast 100.000 Plätze größer gewesen. Alle Bundesländer hätten diese Lücke etwas schließen können.
Nach Einschätzung des IW liege das an drei Faktoren. Erstens hätten die Städte und Gemeinden den Kitaausbau vorangetrieben. Zweitens sei die Zahl der Kinder unter drei Jahren gesunken. Außerdem sei pandemiebedingt der Anteil der Eltern zurückgegangen, die überhaupt einen Betreuungsplatz gesucht hätten.
Es gebe aber keinen Grund zur Entwarnung, so das Institut, denn es ließe sich nur schwer abschätzen, wie sich die Bedarfssituation in den kommenden Jahren entwickeln werde. Die Lage könne sich auch wieder verschärfen.