Ländliche Regionen Wenn kleine Kliniken vor dem Aus stehen
Immer mehr kleine Krankenhäuser schließen oder schränken ihr Angebot ein. Vor allem in ländlichen Regionen werden die Wege für die Patienten weit. Was tun?
Brita Göldner aus Hersbruck bei Nürnberg hätte beinahe nicht überlebt. Vor einigen Monaten erlitt die heute 76-Jährige einen Herzinfarkt. Fünf Mal musste sie wiederbelebt werden. Doch fast wäre sie schon vorher gestorben. Die Sanitäter brauchten eine halbe Stunde, bis sie bei ihr waren.
Ihr Mann Walter Hirschmann musste mit einer Anzeige drohen, erst dann kam der Rettungsdienst, die Notärztin sogar noch ein bisschen später. "Ich dachte wirklich, das war es jetzt", erzählt Göldner im Rückblick. Ob die lange Wartezeit vermeidbar gewesen wäre, wenn es in Hersbruck noch das Krankenhaus gegeben hätte? Schwer zu sagen.
Fachärzte wandern ab
Einige Zeit vor Göldners Herzinfarkt wurde die Klinik geschlossen, nach 112 Jahren. Lange kämpften die Bürgerinnen und Bürger für ihren Erhalt - vergeblich. Die Schließung des Krankenhauses war wie eine negative Initialzündung. In der Folge wanderten mehrere Fachärzte, Internisten und eine Frauenärztin aus Hersbruck ab.
Das von der Politik angedachte Ärztehaus mit ambulanten Betten für die Beobachtung von Patienten, das die Klinikschließung auffangen soll, wurde bisher nicht verwirklicht. Der geplante Ausbau des nächstgelegenen Krankenhauses in Lauf wurde bisher nicht begonnen.
Die gleichen Kosten, aber weniger Einnahmen
Das Problem kleiner Kliniken: Sie haben die gleichen Kosten wie die großen, behandeln aber nicht so viele Patienten und haben deshalb weniger Einnahmen. Zudem sind die Preise für eine Knie-OP oder eine Lungenentzündung überall gleich, egal ob eine Klinik im Ballungsraum steht oder auf dem Land - dank des Systems der Fallpauschalen.
Laut "Krankenhaus Rating Report 2021" bestand im Jahr 2019 bei 13 Prozent der Krankenhäuser die Gefahr einer Insolvenz. Im Jahr 2020 nahmen die Kliniken nach Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft 9,5 Milliarden Euro weniger ein. Zwar gab es wegen der Corona-Pandemie Entschädigungen aus der Staatskasse, aber die konnten die Mehrausgaben für den Infektionsschutz nicht ausgleichen.
Auch Dinkelsbühl bangt um sein Krankenhaus
In Dinkelsbühl, gut 100 Kilometer von Hersbruck entfernt, geht die Angst um, dass sich die medizinische Versorgung im Krankenhaus vor Ort verschlechtert. Die Geburtshilfe hat bereits geschlossen. 2022 will der Klinikträger ANregiomed die Bauchchirurgie und Teile der Unfallchirurgie ins Krankenhaus Rothenburg verlagern.
Für die Patienten vor Ort bedeutet das: Die Wege werden weiter, denn in Dinkelsbühl sind dann keine Notfalloperationen mehr möglich. Es mache weder aus medizinischer noch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn, in allen Häusern voll ausgebaute Hauptabteilungen vorzuhalten, die rund um die Uhr fachärztlich besetzt seien, erklärt ANregiomed-Klinikvorstand Gerhard Sontheimer - eine Haltung, die sein Kollege, der Ex-Klinikmanager Klaus Emmerich, nicht nachvollziehen kann.
"Wir können auf kein Klinikbett verzichten"
Bis zu seiner Pensionierung 2020 leitete Emmerich die beiden Krankenhäuser im Landkreis Sulzbach-Rosenberg. Im Ruhestand engagiert er sich gegen das Sterben kleiner Kliniken auf dem Land. "Auch pandemiebedingt können wir auf kein Klinikbett verzichten", sagt der Sprecher des bundesweiten Bündnisses Klinikrettung. Es gehe ihm nicht darum, jedes einzelne Krankenhaus zu erhalten, sondern um eine gute medizinische Versorgung für alle.
In 30 Fahrminuten ins Krankenhaus
Die Forderung des Bündnisses: Jeder Bürger, jede Bürgerin muss innerhalb von 30 Fahrminuten ein Krankenhaus der Grundversorgung erreichen können. Grundversorgung wiederum heißt: Solche Kliniken brauchen mindestens die Abteilungen Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie, Geburtshilfe, Intensivmedizin und Notfallversorgung. Wenn sie die nicht haben, müsse nachgebessert werden, sagt das Bündnis.
Finanziert werden soll dies, indem Überkapazitäten in Ballungsräumen abgebaut werden. Und Emmerichs größter Wunsch: Die Abschaffung der Fallpauschalen. Denn die haben seiner Meinung nach viele kleine Krankenhäuser erst in die jetzt so schwierige Lage gebracht. Doch im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP steht davon nichts.