Landtagswahl in Thüringen Könnte Höcke den MDR beschneiden?
Björn Höcke will im Falle eines Wahlsiegs in Thüringen den MDR-Staatsvertrag kündigen und den Rundfunkbeitrag abschaffen. Wie realistisch ist das? Der MDR gibt sich gelassen, dabei warnen Juristen vor den möglichen Folgen.
Parteitag der Thüringer AfD im November 2023 in Pfiffelbach: Björn Höcke wird zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 1. September gewählt und stellt in einer Rede seinen Fünf-Punkte-Plan vor. Unter Jubel verkündet er: "Was passiert denn, wenn der Höcke dann Ministerpräsident wird? Kündigt der denn die Medienstaatsverträge? Ja, das macht der Höcke dann!"
Warnung vor weitreichenden Folgen
Aber ginge das so einfach? Ja, sagt der Jurist Tobias Mast vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg. Die Thüringer Landesverfassung schreibe lediglich vor, dass beim Abschluss eines Staatsvertrages das Parlament zustimmen müsse. Das heißt konkret: Björn Höcke könnte als Ministerpräsident den MDR-Staatsvertrag im Alleingang mit seiner Unterschrift kündigen. Der Thüringer Landtag hätte kein Mitspracherecht.
Die Folgen wären weitreichend, so Mast: "Die Personen, die in Thüringen leben, wären nicht mehr verpflichtet, den MDR mitzufinanzieren." Aktuell kommen aus dem Bundesland jedes Jahr rund 160 Millionen Euro an Rundfunkbeiträgen. Geld, das für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland fehlen würde. Auch ein Sendeverbot für den MDR im Gebiet Thüringens hält Mast im Fall einer Kündigung für wahrscheinlich.
Gelassenheit beim MDR
Der MDR hingegen sieht einer Kündigung des MDR-Staatsvertrages gelassen entgegen. Der Juristische Direktor, Jens-Ole Schröder, erklärt es im Interview mit dem NDR-Medienmagazin ZAPP so: "Der MDR bestünde weiter als Zweiländeranstalt und würde als Mitteldeutscher Rundfunk für die mitteldeutsche Region weiterhin ein Programm machen können."
Das heißt, Thüringen würde zwar aus dem MDR austreten, doch der Sender könne weiter im Bundesland senden. Denn alle Mitarbeiter seien beim MDR angestellt und der habe seinen Hauptsitz in Leipzig. Auch müsse der Rundfunkbeitrag trotz einer Kündigung weitergezahlt werden. Grund sei eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von 2021, die den Beitrag vorläufig abgesichert habe, erklärt Schröder.
Björn Höcke könnte demnach eines seiner zentralen Wahlversprechen nicht umsetzen. Nur wenn zum Beispiel auch in Sachsen der MDR-Staatsvertrag durch eine mögliche AfD-Regierung gekündigt würde, müsste der MDR aufgelöst werden.
MDR-Justiziar Jens-Ole Schröder sieht einer Kündigung des MDR-Staatsvertrages gelassen entgegen.
Die "Grundfunk"-Pläne der AfD
Was auf eine Kündigung des MDR-Staatsvertrags folgen soll, hatte Björn Höcke bereits auf dem Parteitag im November 2023 erklärt. Statt des bisherigen MDR planen er und die AfD einen sogenannten "Grundfunk". Den Rundfunkbeitrag wollen sie abschaffen, das Budget um 90 Prozent kürzen und stattdessen durch eine Steuer finanzieren, die Medien- und Techfirmen wie Amazon und Netflix zahlen.
Der Jurist Tobias Mast hält diese Pläne für verfassungswidrig: "Es wäre ein drastischer Einschnitt, der extrem von dem entfernt wäre, was das Bundesverfassungsgericht mittlerweile als öffentlich-rechtlichen Rundfunk definiert hat." Vor allem eine Kürzung des Budgets um 90 Prozent entspreche nicht den Anforderungen an eine Grundversorgung, so Mast.
Auch eine Finanzierung durch Steuern sei problematisch. Denn damit läge die Kontrolle über die Finanzen direkt bei der Politik. Der Rundfunk wäre nicht mehr unabhängig: "Man kann sich etwas vorstellen, wie die PiS-Partei in Polen geschaffen hat, nämlich ein sehr regierungsfreundlicher Rundfunk, der keine kritischen Fragen stellt und in das ideologische Weltbild der herrschenden Partei passt."
Jurist Tobias Mast vom Leibniz-Institut für Medienforschung hält die Kürzungspläne der AfD für verfassungswidrig.
AfD weist Kritik zurück
Die Thüringer AfD weist die Kritik zurück. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk werde sogar neutraler durch den Umbau, behauptet der Stellvertretende Landessprecher Torben Braga. Seine Partei wolle das Programm auf Kernaufgaben reduzieren, wie Nachrichten, Regionalsport und Traditionspflege.
"Wenn die Kosten sich massiv reduzieren, dann kommt man mit kleineren Beträgen aus", so Braga. Wie mit zehn Prozent des jetzigen Budgets überhaupt noch ein Fernseh- und Radioprogramm möglich sein soll, kann er allerdings nicht erklären.
Änderung der Landesverfassung
Auch wenn unter Juristen Uneinigkeit herrscht, ob sich das Programm der AfD umsetzten ließe - sollte man das Risiko überhaupt eingehen? Jurist Tobias Mast schlägt eine Änderung der Thüringer Landesverfassung vor. Mit dem Ziel, "dass nicht nur der Abschluss von Staatsverträgen, sondern auch die Kündigung nur mit Zustimmung des Parlaments erfolgen darf", so Mast.
Allerdings bräuchte man dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Bis zur Landtagswahl im September reicht die Zeit nicht mehr für ein solches Vorhaben. Darin sind sich alle Fraktionen einig. Und so hängt der MDR-Staatsvertrag in Thüringen auch in Zukunft nur von einer Sache ab: der Unterschrift des Ministerpräsidenten.
Mehr dazu sehen Sie im NDR-Medienmagazin ZAPP zum Thema "AfD-Angriff auf den ÖRR: Die Versprechen des Björn Höcke" in der ARD-Mediathek.