Debatte über Motorradlärm "Die machen hier alles kaputt"
Sobald die ersten sonnigen Tage anstehen, sind wieder viele Motorradfahrer unterwegs. Besonders beliebt sind kurvenreiche Strecken wie das Gelbachtal in Rheinland-Pfalz. Für viele Anwohner sind sie eine Lärmbelästigung.
Von Oliver Bemelmann, SWR
Das Gelbachtal, ein Wandergebiet im südlichen Westerwald, zieht jedes Frühjahr viele Motorradfahrerinnen und -fahrer an - besonders an den Wochenenden. Unter ihnen ist das 25 Kilometer lange Tal wegen seiner kurvigen Straßen ein beliebtes Ausflugsziel. Seit vielen Jahren schon beschweren sich Anwohner und Gäste über den zunehmenden Verkehrslärm, ausgelöst durch überhöhtes Tempo und ungedrosselten Motorenlärm.
"Das ist eine Traumkulisse", sagt Karin Maas von der Tourismusverwaltung in Montabaur. "Aber wenn hier zehn Motorräder durch die Ortschaften brettern, dann ist das alles kaputt." Sie sieht wegen der "Verschmutzung" ihres Tals durch den Motorradlärm den Tourismus in Gefahr. Es gebe Anwohner, die am Wochenende wegführen, weil sie den Krach nicht aushielten.
Eine Anwohnerin, die im Tal wohnt, berichtete ihr, sie höre den Motorradlärm oft schon aus mehreren Kilometern Entfernung. Hauptverursacher des Lärmproblems seien einige wenige "schwarze Schafe" unter den Motorradfahrern, sagt Maas.
"Einige Biker schalten außerhalb der Ortschaften extra einen Gang runter, damit die Drehzahl hoch ist, und beschleunigen dann schnell", erklärt Herbert Fuss vom ADAC Mittelrhein. "Hahn aufdrehen" nenne man das unter Motorradfahrerinnen und -fahrern. Das mache extrem viel Krach, besonders in einer Gegend wie dem Gelbachtal. Laut einer Studie des Landes Baden-Württemberg aus dem vergangenen Jahr ist jedes dritte Motorrad beim Vorbeifahren lauter als 90 Dezibel - und damit deutlich zu laut.
ADAC setzt auf Aufklärung
Vier gelbe Hinweistafeln hat der ADAC im Gelbachtal aufgestellt, um Bikerinnen und Biker aufzuklären und für das Thema zu sensibilisieren. "Leise fahren, Lärm ersparen!" ist darauf beispielsweise in großer Schrift zu lesen. Die Hinweisschilder sollen die Motorradfahrer zu langsamem Fahren auffordern. Bundesweit wurden laut ADAC im Jahr 2021 mehr als 270 solcher Hinweisschilder installiert, unter anderem entlang beliebter Motorradstrecken im Westerwald, der Eifel, dem Taunus oder dem Schwarzwald.
Die Schilder seien zwar "kein Allheilmittel", gibt Herbert Fuss zu, aber eine gute Ergänzung. Das Ziel sei es, zwischen Anwohnern und Motorradfahrern zu vermitteln und Fahrverbote zu vermeiden. Seine Mitarbeiter sind auch regelmäßig an Wochenenden unterwegs, sprechen Fahrerinnen und Fahrer auf das Lärmproblem an und verteilen Infobroschüren.
Der ADAC will für das Gelbachtal zudem ein Lärm-Display anschaffen, dass Motorradfahrern über eine Leuchtschrift anzeigt, wenn der Lärmpegel überschritten ist - ähnlich den Tempo-Hinweistafeln an Ortseingängen. Das mobile Lärm-Display könnten sich Kommunen kostenlos ausleihen und an Lärm-Hotspots aufstellen, schildert Fuss. Frankreich habe damit bereits gute Erfahrungen gemacht.
Lärmgegner fordern härtere Maßnahmen
Lärmgegnern wie der Deutschen Umwelthilfe, dem Bundesverband gegen Motorradlärm und dem Vereinigten Arbeitskreis gegen Motorradlärm (VAGM) gehen die bisherigen Maßnahmen nicht weit genug. Motorradlärm sei gesundheitsschädlich, sagen sie.
Von der Politik fordern sie wirksamere Maßnahmen: Unter anderem müsse die Polizei besser ausgestattet werden, um regelmäßig kontrollieren zu können und laute Motorräder aus dem Verkehr zu ziehen - beispielsweise wenn Auspuffanlagen manipuliert wurden, um sie lauter zu machen.
Im Internet haben die Verbände eine Plattform eingerichtet, auf der Betroffene Lärm-Hotspots in einer Karte eintragen können. Inzwischen sind dort fast 500 Hotspots verzeichnet. Außerdem gibt es auf der Internetseite Tipps für Betroffene, wie sie ihr Recht auf mehr Lärmschutz durchsetzen können.
Studie: Biker lehnen laute Motorräder mehrheitlich ab
Laut einer aktuellen, noch nicht abgeschlossenen Studie der Hochschule Worms zum Thema Motorradlärm sieht auch der überwiegende Teil der Motoradfahrerinnen und -fahrer das Lärmproblem kritisch. Für die Studie wurden zusammen mit dem ADAC Mittelrhein Bikerinnen und Biker selbst befragt. Danach lehnt mehr als die Hälfte der Befragten laute Motorräder ab. 56 Prozent würden leisere Modelle kaufen, sofern die Hersteller diese anbieten würden.
Etwa 90 Prozent sind der Ansicht, "einige schwarze Schafe bringen alle Motorradfahrer in Verruf". Eine kleine Mehrheit findet sich für härteres Durchgreifen seitens der Behörden sowie für höhere Strafen bei nachgewiesenen Manipulationen an der Auspuffanlage.
Ernüchternde Bilanz im Gelbachtal
Die Lärmgegner aus den drei betroffenen rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden, durch die das Gelbachtal führt, ziehen eine ernüchternde Bilanz. Vor drei Jahren hatten sie zusammen mit dem ADAC und dem Landesbetrieb Mobilität eine Informationskampagne zur Lärmreduzierung gestartet in der Region.
Nach Auskunft der Verbandsgemeinde Montabaur hat das Aufstellen der Hinweisschilder insgesamt jedoch wenig gebracht. Das Lärmproblem sei unverändert. Ein partielles Durchfahrtsverbot für Motorräder, das es bereits in einigen Tourismus-Regionen in Deutschland gibt, wolle man nicht. Doch Karin Maas von der Tourismusverwaltung Montabaur wünscht sich mehr Polizeikontrollen und Blitzeranlagen. Vor allem an sonnigen Wochenenden und Feiertagen müsste mehr kontrolliert werden. Am Ende gehe es nur über den Geldbeutel, ist sie überzeugt.
Die Polizei Montabaur hat im Gelbachtal in dieser Saison wieder regelmäßige Tempo- und Lärmkontrollen angekündigt. Vergangenes Jahr wurden nach Polizeiangaben dort knapp 400 Motorradfahrerinnen und -fahrer kontrolliert. Dabei wurden zwei Strafanzeigen ausgesprochen, mehr als 30 Fahrerinnen und Fahrer verwarnt und bei knapp 40 Maschinen Mängel festgestellt. Bei Schallpegelmessungen stellten die Beamten in zwei Fällen manipulierte Abgasanlagen fest. Wer den serienmäßig eingebauten Schalldämpfer ausbaut und erwischt wird, muss damit rechnen, dass die Betriebserlaubnis erlischt.
Debatte im Bundestag vertagt
Auch die Politik steht bei dem Thema unter Druck. Forderungen, die Geräuschemissionen von Motorrädern und Neufahrzeugen auf maximal 80 Dezibel zu begrenzen, gibt es schon länger. Auch die Bundesregierung setze sich dafür ein, teilte das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage mit. Die Zuständigkeit für entsprechende Genehmigungsvorschriften liege jedoch bei der EU.
Beim Thema Fahrverbote verweist das Ministerium auf die Länder. Die könnten beispielsweise zum Schutz von Anwohnern vor Lärm Straßen sperren oder den Verkehr von bestimmten Strecken umleiten. Zudem seien verstärkte Verkehrskontrollen und die konsequente Ahndung von Verstößen ein Mittel - auch hierbei seien die Länder zuständig.
Der Bundesrat hatte 2020 mit einer Gesetzesinitiative versucht, Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen durchzusetzen. Dies war jedoch unter anderem am Widerstand des damaligen Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) gescheitert. Auch die Bundestagsfraktionen unter anderem von SPD, CDU und FDP lehnten die Vorschläge der Länderkammer weitestgehend ab.
In dieser Woche sollte sich eigentlich der Bundestag mit dem Thema befassen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte einen Antrag zur Verringerung von Motorradlärm und zur Stärkung des Tourismus angekündigt. Zu der Debatte kam es jedoch nicht, die Beratung wurde kurzfristig wieder von der Tagesordnung abgesetzt. Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion lag nicht rechtzeitig vor.