Verfassungsschutzbericht "Extremisten gehen nicht in den Lockdown"
Die Coronavirus-Pandemie hat nach Ansicht von Bundesregierung und Verfassungsschutz zur Verstärkung der rechten Szene beigetragen. Extremisten verbreiten ihr Gedankengut über das Internet und mischten sich unter die Corona-Proteste.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat vor einer gestiegenen Gefahr durch Rechtsextremismus in Deutschland gewarnt. Es gebe nicht nur eine besondere Gesundheitslage, sondern auch eine "besondere Sicherheitslage, die ein dickes Problem ist", sagte Seehofer bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2020 in Berlin. Die größte Bedrohung für die Sicherheit seien nach wie vor Rechtsextremismus und Antisemitismus.
13.300 potenziell gewaltorientierte Rechtsextreme
Die Corona-Pandemie habe sogar zur Verstärkung der rechten Szene beigetragen. Die Zahl der Rechtsextremen sei auf etwa 33.300 gestiegen, von denen 13.300 potenziell gewaltorientiert seien.
Seehofer sagte, im vergangenen Jahr seien zwar zahlreiche rechtsextremistische Großveranstaltungen abgesagt worden. Rechtsextreme hätten sich aber bemüht, über die Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen Anschluss an das bürgerliche Spektrum zu finden. Sie hätten dem Protest ihren Stempel aufdrücken können, obwohl sie von der Personenzahl deutlich in der Minderheit gewesen seien. Und er fügte hinzu: "Besonders besorgt muss uns machen, dass sich die bürgerlichen Demonstranten nicht klar von den rechtsextremistischen abgegrenzt haben."
Internet als "Echokammer für Hass und Hetze"
Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, bestätigte, extremistische Aktivitäten hätten 2020 zugenommen. "Extremisten und Terroristen gehen nicht in den Lockdown", sagte er. Deren gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Aktivitäten seien in die virtuelle Welt verlegt worden.
Das Bundesamt hatte im April bekannt gegeben, dass es Personen der "Querdenken"-Bewegung, die häufig Proteste gegen die Corona-Maßnahmen anmeldet, beobachtet. Die Behörde richtete dafür eigens die Kategorie "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" ein. Begründet wurde der Schritt wegen der Beteiligung einschlägiger Extremisten bei der Bewegung sowie Verbindungen in die Szene der "Reichsbürger".
"Reichsbürger" und sogenannte Selbstverwalter hätten während der Pandemie weiteren Zulauf um etwa fünf Prozent bekommen und verschafften sich über die "Querdenker"-Szene eine Bühne, so Seehofer. Verbreiten könnten diese Personengruppen ihr Gedankengut generell über das Internet. "Es fungiert als Echokammer für Hass und Hetze."
Besonderes Augenmerk auf "Neue Rechte"
Erstmals widmete sich der Verfassungsschutzbericht in einem Unterkapitel der sogenannten Neuen Rechten. Diese versuche "fortwährend, durch einen pseudointellektuellen Anstrich ihr rechtsextremistisches Gedankengut einzubringen", sagte der Bundesinnenminister. Dabei gehe es ihr auch darum, die Grenzen dessen zu verschieben, was öffentlich gesagt werde.