Sicherheit an Flughäfen Unzureichend geschützt?
Trotz der Geiselnahme sieht der Flughafen Hamburg keine Versäumnisse bei der Sicherung des Geländes. Polizeigewerkschaften sprechen von einem veralteten Sicherheitskonzept. Ein Luftfahrtexperte fällt ein harsches Urteil.
Die jüngste Geiselnahme am Hamburger Flughafen hat eine Debatte über die Sicherheit deutscher Airports ausgelöst. Anders als etwa auf etlichen Plätzen, wo im Boden versenkbare Sicherheitspoller ein unbefugtes Passieren von Fahrzeugen verhindern, scheinen am Flughafen Hamburg rot-weiße Schranken tatsächlich das einzige Hindernis für einen Bewaffneten mit seiner Tochter als Geisel auf seinem Weg in den Sicherheitsbereich gewesen zu sein.
Und es war nicht das erste Mal, dass Unbefugte auf das Gelände des Hamburger Flughafens gelangen konnten. Erst im Sommer hatten Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" einen Metallzaun durchtrennt und sich auf dem Rollfeld festgeklebt. Jetzt stellt sich erneut die Frage, wie der 35-Jährige mit dem Auto auf das Vorfeld des Flughafens gelangen konnte.
Airport sieht keine Versäumnisse bei Sicherung
Der Flughafen Hamburg sieht trotz Geiselnahme keine Versäumnisse bei der Sicherung des Geländes. "Die Sicherung des Geländes entspricht allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils", sagte eine Flughafensprecherin der Nachrichtenagentur dpa. Dennoch könne bei der Größe des Airports - sie entspricht jener von fast 800 Fußballfeldern - nicht ausgeschlossen werden, "dass ein hochkrimineller, unbefugter Zutritt zum Sicherheitsbereich mit brachialer Gewalt erfolgen kann". Um die Sicherheit des Luftverkehrs zu gewährleisten, seien neben baulichen Maßnahmen auch Alarmketten etabliert, "die einwandfrei gegriffen haben".
Als Folge der Aktionen der "Letzten Generation" lägen keine neuen Anforderungen für Einrichtungen der kritischen Infrastrukturen vor. Derzeit teste der Flughafen aber neue Kamera- und Zaunsensorik-Systeme. "Zudem wurde die Bestreifung der Zaunanlage durch Sicherheitskräfte nachhaltig erhöht."
Zu den offensichtlich leicht zu durchbrechenden Schranken wollte sie sich nicht äußern. Die Sprecherin schrieb nur: "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine näheren Angaben zum Sicherheitskonzept machen."
Vorschriften sind veraltet
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), der für Bundespolizei und Zoll zuständig ist, sagte im Gespräch mit tagesschau24, dass sich angesichts der Vorfälle die Frage stelle, ob das Sicherheitskonzept am Hamburger Flughafen noch Stand der Dinge sei. Der Hamburger Flughafen habe die geltenden Sicherheitsvorschriften eingehalten, doch diese seien nicht mehr zeitgemäß. "Wir müssen ganz dringend ein Sicherheitskonzept ins Leben rufen, das dem Stand der heutigen Zeit entspricht", so Roßkopf. Es sei nicht auszudenken, was etwa bei einem terroristischem Motiv passieren könnte.
Zu den heute benötigten Standards gehöre etwa, Flughäfen und insgesamt gefährdete Infrastruktur mit Kameras zu überwachen und Bewegungssensoren einzusetzen, so der GdP-Vorsitzende. "Und wir müssen bei Zufahrtswegen mit Barrieren und Schranken arbeiten, die zumindest mit einem normalen Fahrzeug nicht zu durchbrechen sind."
In Deutschland nehme die Gefahr in diesem Bereich zu, deswegen müsse jetzt etwas getan werden. Allerdings handelten die Flughafenbetreiber immer nach den Vorgaben, die sie bekommen. Daher sei die Politik gefragt, diese Vorgaben entsprechend anzupassen, so Roßkopf. "Der Gesetzgeber muss hier ganz klare Vorschriften vorgeben, sodass die Flughafenbetreiber gezwungen sind, diese Schutzmaßnahmen einzuführen, sodass die Gefahr, die wir jetzt gerade auch erleben, so gering wie möglich gehalten wird."
"Stiefmütterlich behandelt"
Auch der Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei, Rafael Behr und der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Heiko Teggatz, fordern mit Nachdruck einen besseren Schutz von Flughäfen. "Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt", sagte DPolG-Bundesvize Heiko Teggatz der Nachrichtenagentur dpa.
Die Politik unternehme da viel zu wenig. "Da vermisse ich auch eine Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser." Offensichtlich zwinge niemand die Flughafenbetreiber ernsthaft, Sicherheitsmaßnahmen so hochzufahren, "dass es zu solchen Vorfällen schlicht nicht mehr kommen kann".
Behr sagte im Interview mit dem NDR, das Sicherheitskonzept müsse selbstverständlich auf den Prüfstand: "Ich kann auch nicht verstehen, dass die Flughafengesellschaft sich jetzt auf die rechtlichen Vorgaben zurückzieht, die wohl nichts Schärferes bestimmen." Rechtliche Vorgaben zu erfüllen, sei das eine. "Aber wenn wir in die Welt schauen, sehen wir doch, dass sich Täter nicht darum scheren, welche rechtlichen Vorgaben erfüllt sind oder nicht. Sondern man muss doch schon dieses sensible Verkehrsgeschehen besser schützen. Und das muss unbedingt auf den Prüfstand gestellt werden."
Das Luftsicherheitsgesetz schreibt unter anderem vor, dass Flughafenbetreiber zum Schutz vor Angriffen verpflichtet sind, "die Bereiche der Luftseite gegen unberechtigten Zugang zu sichern und, soweit es sich um Sicherheitsbereiche oder sensible Teile der Sicherheitsbereiche handelt, den Zugang nur hierzu besonders berechtigten Personen zu gestatten".
"Auch andere Airports sind nicht sicher"
Entsprechend harsch fällt auch das Urteil des Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt aus, der früher bei der Lufthansa, bei Boeing und bei der Pilotenvereinigung Cockpit gearbeitet hat. "Der Hamburger Flughafen ist nicht sicher - und andere Airports in Deutschland auch nicht", sagt er dem "Spiegel". Es sei ein Skandal. Flughäfen "sind seit Jahrzehnten als bevorzugte Angriffsziele für Terroristen bekannt. Auf den Vorfeldern stehen Maschinen mit Zehntausenden Litern Kerosin im Bauch und Hunderten Passagieren an Bord." Großbongardt nennt die Flughafenbetreiber und Behörden deshalb "unfassbar naiv".